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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

höchster Stelle in die Öffentlichkeit dringen, den Anschein solcher Auffassungen im
Volk erwecken müssen. Zu solchen Kundgebungen gehört auch die jüngste
Ansprache des Kaisers, anläßlich seines Besuches im Benediktinerkloster zu
Beuron, an den Erzähl Jldefons Schober. Diese Rede, die unter anderen Zeit¬
umständen gehalten ihres Wortlauts wegen kaum Beachtung gesunden hätte, lautet:

"Verehrter Herr Erzähl! Ich spreche Ihnen Meinen herzlichsten Dank ans für die
freundlichen Worte, mit denen Sie Mich empfangen haben, und freue Mich über die Gelegenheit,
der Kongregation einmal einen Besuch machen und Ihnen Mein aufrichtigstes Wohlwollen
aussprechen zu können, Von Anfang Meiner Regierung um war es Mir eine besondere
Freude, die Benediktiner in ihren Bestrebungen zu unterstützen, da Ich beobachtet habe, daß
sie überall, wo sie gewirkt, nicht mir die Religion aufrecht zu erhalten und zu starken bestrebt
waren, sondern auch als Kulturträger auf dem Gebiete des Kirchengesanges, von Kunst und
Wissenschaft und in unterem sich Herborgetau haben, eine nicht zu unterschätzende Arbeit. Was
Ich von Ihnen erklärte, ist, daß Sie in den Bahnen Ihrer Vorfahren weiterarbeiten und
Mich unterstützen in Meinen Bestrebungen, dem Volke die Religion zu erhalten. Dies ist um
so wichtiger, als das zwanzigste Jahrhundert Gedanken ausgelöst hat, deren Bekämpfung nur
mit Hilfe der Religion und mit Unterstützung des Himmels siegreich durchgeführt werden
kann. Das ist Meine feste Überzeugung. Die Krone, die Ich trage, kann hier nur dann
einen Erfolg verbürgen, wenn sie sich gründet auf das Wort und die Persönlichkeit des Herrn.
Als Symbol dafür habe Ich dus .Kreuz in diese Kirche gestiftet, um damit, wie Ich es in
Meinem Handschreiben gesagt habe, zu beweisen, daß die Regierungen der christlichen Fürsten
nur im Sinne deS Herrn geführt werden können, und daß sie helfen sollen, den religiösen
Sinn, der den Germanen angeboren ist, zu stärken und die Ehrfurcht bor Altar und Thron
zu vermehren. Beide gehören zusammen und dürfen nicht getrennt werden. Darum fördere
Ich bon ganzem Herzen die Bestrebungen, die Sie verfolgen. Wie bisher werde Ich Ihnen
auch in Zukunft Meine Huld und meinen Schutz bewahren."

Der vorurteilslose Leser wird mit uns finden, daß die Ansprache keinerlei
Andeutungen enthält, die die Lebensanschauungen des Monarchen in ein neues
Licht setzen könnten. Haarspalter könnten -- wohlverstanden in ruhigen Zeiten --
daran Anstoß nehmen, daß der "religiöse Sinn der Germanen" in Zusammenhang
mit einem römischen Ordenskloster gebracht wird; religiösen Sinn betätigen kann
man im Rahmen jeder Religionsgemeinschaft, auch in einer nicht christlichen. --
In einer Zeit aber, in der sich selbst streng katholische Kreise gegen die päpstliche
Gewaltherrschaft erheben, in einer Zeit, in der der ultramontane Internationalis¬
mus wieder dräuend seine Schatten wirft, in der eine Partei mächtig ist, gegen
die das deutsche Volk fast ein halbes Jahrhundert hindurch ankämpft, da müssen
die zu Beuron gesprochenen Kaiserworte Befremden und Beunruhigung erregen.
Und sie haben beunruhigt I Das beweist, wenn wir von den Blättern der Linken,
der Mittelparteien und des Evangelischen Bundes absehen, vor allen Dingen die
Stellungnahme des "Reichsboten" und der "Kreuzzeitung"; diese Blätter beklagen
die "unbefugte Veröffentlichung der Rede" durch die Zentrumspresse und bekämpfen
deren Nutzanwendung zugunsten der Aufhebung des Jesuitengesetzes. Wir können
es nur bedauern, daß die Rede überhaupt gehalten werden konnte, denn sie zeigt
uns, daß der Träger der deutschen Kaiserkrone auf der einen Seite seine Augen
vor den Lehren der Geschichte der deutschen Kaiser verschließt, und auf der anderen
über die in seinem Lande herrschende Stimmung nicht genügend unterrichtet ist.
Sollten wir nämlich glauben müssen, daß der Kaiser weiß, wie die starke Mehr¬
heit seines Volks denkt, ohne dem Rechnung zu tragen, dann wären wir auch
gezwungen, zu glauben, daß die festesten Stützen des deutschen Kaiserthrones nach
Ausfassung des Kaisers selbst nicht in den Tiefen der Nation wurzeln, sondern
irgendwo in Klosterzellen und Magnatenschlössern, und daß er aus dieser Auf-


Maßgebliches und Unmaßgebliches

höchster Stelle in die Öffentlichkeit dringen, den Anschein solcher Auffassungen im
Volk erwecken müssen. Zu solchen Kundgebungen gehört auch die jüngste
Ansprache des Kaisers, anläßlich seines Besuches im Benediktinerkloster zu
Beuron, an den Erzähl Jldefons Schober. Diese Rede, die unter anderen Zeit¬
umständen gehalten ihres Wortlauts wegen kaum Beachtung gesunden hätte, lautet:

„Verehrter Herr Erzähl! Ich spreche Ihnen Meinen herzlichsten Dank ans für die
freundlichen Worte, mit denen Sie Mich empfangen haben, und freue Mich über die Gelegenheit,
der Kongregation einmal einen Besuch machen und Ihnen Mein aufrichtigstes Wohlwollen
aussprechen zu können, Von Anfang Meiner Regierung um war es Mir eine besondere
Freude, die Benediktiner in ihren Bestrebungen zu unterstützen, da Ich beobachtet habe, daß
sie überall, wo sie gewirkt, nicht mir die Religion aufrecht zu erhalten und zu starken bestrebt
waren, sondern auch als Kulturträger auf dem Gebiete des Kirchengesanges, von Kunst und
Wissenschaft und in unterem sich Herborgetau haben, eine nicht zu unterschätzende Arbeit. Was
Ich von Ihnen erklärte, ist, daß Sie in den Bahnen Ihrer Vorfahren weiterarbeiten und
Mich unterstützen in Meinen Bestrebungen, dem Volke die Religion zu erhalten. Dies ist um
so wichtiger, als das zwanzigste Jahrhundert Gedanken ausgelöst hat, deren Bekämpfung nur
mit Hilfe der Religion und mit Unterstützung des Himmels siegreich durchgeführt werden
kann. Das ist Meine feste Überzeugung. Die Krone, die Ich trage, kann hier nur dann
einen Erfolg verbürgen, wenn sie sich gründet auf das Wort und die Persönlichkeit des Herrn.
Als Symbol dafür habe Ich dus .Kreuz in diese Kirche gestiftet, um damit, wie Ich es in
Meinem Handschreiben gesagt habe, zu beweisen, daß die Regierungen der christlichen Fürsten
nur im Sinne deS Herrn geführt werden können, und daß sie helfen sollen, den religiösen
Sinn, der den Germanen angeboren ist, zu stärken und die Ehrfurcht bor Altar und Thron
zu vermehren. Beide gehören zusammen und dürfen nicht getrennt werden. Darum fördere
Ich bon ganzem Herzen die Bestrebungen, die Sie verfolgen. Wie bisher werde Ich Ihnen
auch in Zukunft Meine Huld und meinen Schutz bewahren."

Der vorurteilslose Leser wird mit uns finden, daß die Ansprache keinerlei
Andeutungen enthält, die die Lebensanschauungen des Monarchen in ein neues
Licht setzen könnten. Haarspalter könnten — wohlverstanden in ruhigen Zeiten —
daran Anstoß nehmen, daß der „religiöse Sinn der Germanen" in Zusammenhang
mit einem römischen Ordenskloster gebracht wird; religiösen Sinn betätigen kann
man im Rahmen jeder Religionsgemeinschaft, auch in einer nicht christlichen. —
In einer Zeit aber, in der sich selbst streng katholische Kreise gegen die päpstliche
Gewaltherrschaft erheben, in einer Zeit, in der der ultramontane Internationalis¬
mus wieder dräuend seine Schatten wirft, in der eine Partei mächtig ist, gegen
die das deutsche Volk fast ein halbes Jahrhundert hindurch ankämpft, da müssen
die zu Beuron gesprochenen Kaiserworte Befremden und Beunruhigung erregen.
Und sie haben beunruhigt I Das beweist, wenn wir von den Blättern der Linken,
der Mittelparteien und des Evangelischen Bundes absehen, vor allen Dingen die
Stellungnahme des „Reichsboten" und der „Kreuzzeitung"; diese Blätter beklagen
die „unbefugte Veröffentlichung der Rede" durch die Zentrumspresse und bekämpfen
deren Nutzanwendung zugunsten der Aufhebung des Jesuitengesetzes. Wir können
es nur bedauern, daß die Rede überhaupt gehalten werden konnte, denn sie zeigt
uns, daß der Träger der deutschen Kaiserkrone auf der einen Seite seine Augen
vor den Lehren der Geschichte der deutschen Kaiser verschließt, und auf der anderen
über die in seinem Lande herrschende Stimmung nicht genügend unterrichtet ist.
Sollten wir nämlich glauben müssen, daß der Kaiser weiß, wie die starke Mehr¬
heit seines Volks denkt, ohne dem Rechnung zu tragen, dann wären wir auch
gezwungen, zu glauben, daß die festesten Stützen des deutschen Kaiserthrones nach
Ausfassung des Kaisers selbst nicht in den Tiefen der Nation wurzeln, sondern
irgendwo in Klosterzellen und Magnatenschlössern, und daß er aus dieser Auf-


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[0395] Maßgebliches und Unmaßgebliches höchster Stelle in die Öffentlichkeit dringen, den Anschein solcher Auffassungen im Volk erwecken müssen. Zu solchen Kundgebungen gehört auch die jüngste Ansprache des Kaisers, anläßlich seines Besuches im Benediktinerkloster zu Beuron, an den Erzähl Jldefons Schober. Diese Rede, die unter anderen Zeit¬ umständen gehalten ihres Wortlauts wegen kaum Beachtung gesunden hätte, lautet: „Verehrter Herr Erzähl! Ich spreche Ihnen Meinen herzlichsten Dank ans für die freundlichen Worte, mit denen Sie Mich empfangen haben, und freue Mich über die Gelegenheit, der Kongregation einmal einen Besuch machen und Ihnen Mein aufrichtigstes Wohlwollen aussprechen zu können, Von Anfang Meiner Regierung um war es Mir eine besondere Freude, die Benediktiner in ihren Bestrebungen zu unterstützen, da Ich beobachtet habe, daß sie überall, wo sie gewirkt, nicht mir die Religion aufrecht zu erhalten und zu starken bestrebt waren, sondern auch als Kulturträger auf dem Gebiete des Kirchengesanges, von Kunst und Wissenschaft und in unterem sich Herborgetau haben, eine nicht zu unterschätzende Arbeit. Was Ich von Ihnen erklärte, ist, daß Sie in den Bahnen Ihrer Vorfahren weiterarbeiten und Mich unterstützen in Meinen Bestrebungen, dem Volke die Religion zu erhalten. Dies ist um so wichtiger, als das zwanzigste Jahrhundert Gedanken ausgelöst hat, deren Bekämpfung nur mit Hilfe der Religion und mit Unterstützung des Himmels siegreich durchgeführt werden kann. Das ist Meine feste Überzeugung. Die Krone, die Ich trage, kann hier nur dann einen Erfolg verbürgen, wenn sie sich gründet auf das Wort und die Persönlichkeit des Herrn. Als Symbol dafür habe Ich dus .Kreuz in diese Kirche gestiftet, um damit, wie Ich es in Meinem Handschreiben gesagt habe, zu beweisen, daß die Regierungen der christlichen Fürsten nur im Sinne deS Herrn geführt werden können, und daß sie helfen sollen, den religiösen Sinn, der den Germanen angeboren ist, zu stärken und die Ehrfurcht bor Altar und Thron zu vermehren. Beide gehören zusammen und dürfen nicht getrennt werden. Darum fördere Ich bon ganzem Herzen die Bestrebungen, die Sie verfolgen. Wie bisher werde Ich Ihnen auch in Zukunft Meine Huld und meinen Schutz bewahren." Der vorurteilslose Leser wird mit uns finden, daß die Ansprache keinerlei Andeutungen enthält, die die Lebensanschauungen des Monarchen in ein neues Licht setzen könnten. Haarspalter könnten — wohlverstanden in ruhigen Zeiten — daran Anstoß nehmen, daß der „religiöse Sinn der Germanen" in Zusammenhang mit einem römischen Ordenskloster gebracht wird; religiösen Sinn betätigen kann man im Rahmen jeder Religionsgemeinschaft, auch in einer nicht christlichen. — In einer Zeit aber, in der sich selbst streng katholische Kreise gegen die päpstliche Gewaltherrschaft erheben, in einer Zeit, in der der ultramontane Internationalis¬ mus wieder dräuend seine Schatten wirft, in der eine Partei mächtig ist, gegen die das deutsche Volk fast ein halbes Jahrhundert hindurch ankämpft, da müssen die zu Beuron gesprochenen Kaiserworte Befremden und Beunruhigung erregen. Und sie haben beunruhigt I Das beweist, wenn wir von den Blättern der Linken, der Mittelparteien und des Evangelischen Bundes absehen, vor allen Dingen die Stellungnahme des „Reichsboten" und der „Kreuzzeitung"; diese Blätter beklagen die „unbefugte Veröffentlichung der Rede" durch die Zentrumspresse und bekämpfen deren Nutzanwendung zugunsten der Aufhebung des Jesuitengesetzes. Wir können es nur bedauern, daß die Rede überhaupt gehalten werden konnte, denn sie zeigt uns, daß der Träger der deutschen Kaiserkrone auf der einen Seite seine Augen vor den Lehren der Geschichte der deutschen Kaiser verschließt, und auf der anderen über die in seinem Lande herrschende Stimmung nicht genügend unterrichtet ist. Sollten wir nämlich glauben müssen, daß der Kaiser weiß, wie die starke Mehr¬ heit seines Volks denkt, ohne dem Rechnung zu tragen, dann wären wir auch gezwungen, zu glauben, daß die festesten Stützen des deutschen Kaiserthrones nach Ausfassung des Kaisers selbst nicht in den Tiefen der Nation wurzeln, sondern irgendwo in Klosterzellen und Magnatenschlössern, und daß er aus dieser Auf-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316950/395>, abgerufen am 22.07.2024.