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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr.

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Elektrische Üvcrlcmdzentralc"

von deren beiden Kabeln eine Laufkatze mit zwei Drähten den Strom abnähme.
Die Drähte würden quer über das Feld zu einem allmählich vorrückenden
Wagen führen und die Arbeitsmaschine zwischen diesem und der Laufkatze nach
dem Trollen-System hiu und her fahren. Eine allgemeine Verwendbarkeit würde
die Elektrizität allerdings erst durch den leichten Akkumulator, den Edison ja
schon erfunden haben soll, der aber immer noch nicht auf dem Markt erscheinen
will, bekommen. Dann würde man auch frei fahrende Wagen und Maschinen
elektrisch antreiben und durch Ermäßigung des Strompreises in den betriebs¬
schwachen Tagesstunden die Besitzer veranlassen können, ihre Akkumulatoren dann
zu laden, wenn die Zentrale Energie übrig hat. Die Herstellung eines Apparates,
in dem eine Zeituhr so auf einen Zähler wirkt, daß er zu gewissen Zeiten
schneller oder langsamer zählt, würde auf keine Schwierigkeiten stoßen. Leider
sind die jetzt gebräuchlichen Akkumulatoren zu schwer, sie würden die Fahrzeuge
zu sehr belasten und schwerfällig machen.

Das alles sind Möglichkeiten, über die mancher vielleicht noch lächeln wird,
die aber in der einen oder anderen Form doch einmal Gestalt annehmen werden.
Unserer Landwirtschaft muß geholfen werden; mit Steuer- und Zollgesetzgebung
allein ist das nicht möglich. Hier bietet sich die Gelegenheit, sie zu modernisieren,
sie lebenskräftiger zu machen.

Noch ein anderer Ausblick bietet sich, der manchem vielleicht ganz phantastisch
erscheinen wird. Aber auf die Gefahr hin, daß er das Heft mit einem ver¬
drießlichen: "Das ist von vornherein aussichtslos" fortlegt: wenn die Sache wirklich
die Dimensionen annehmen sollte, daß ein Netz von elektrischen Überlandzentralen
sich über das ganze Land verbreitet, dann würde damit eine Möglichkeit zur
Erringung des lange gesuchten Reichsregals gegeben sein. Damit würde dem
Reiche eine Einnahmequelle eröffnet, übereilten Gründungen vorgebeugt und
die Möglichkeit geschaffen werden, allmählich das drückende Monopol der großen
Elektrizitätsgesellschaften, deren Fabrikation teilweise auf Neichswerkstätte über¬
gehen würde, zu beseitigen. Die Schwierigkeiten würden groß, aber nicht
unüberwindlich sein. Zunächst müßte natürlich die Zustimmung des Reichstages
eingeholt werden. Die bekommt man, wenn man darauf hinweisen kann, daß
sonst Preußen die Sache allein machte und dadurch die kleinen Staaten und
die Grenzbezirke der Mittelstaaten in eine ähnliche Abhängigkeit von sich bringen
würde, wie es mit den Eisenbahnen der Fall ist. Bauern müßte besonders
behandelt werden. Ob es nicht einmal an seinen Neservatrechten, namentlich
an denen wirtschaftlicher Art, ein Haar finden wird? Vorläufig jedenfalls
nicht. In der vorliegenden Frage hat es durch seine großen Wasserkräfte, zu
deren Ausnutzung es durch seine hohen Steinkohlenpreise gedrängt wird, eine
besonders starke Stellung. Es hat auch schon die Führung übernommen. Ist
die Zustimmung des Parlaments erfolgt, dann würde man aussichtsreiche
Zentralen mit billigen Darlehen unterstützen -- zu dem Zinsfuße, den das Reich
selbst zahlen muß --, und diesem dafür ein Vorkaufsrecht sichern. Ist die Sache


Grenzboten IV 1910 47
Elektrische Üvcrlcmdzentralc»

von deren beiden Kabeln eine Laufkatze mit zwei Drähten den Strom abnähme.
Die Drähte würden quer über das Feld zu einem allmählich vorrückenden
Wagen führen und die Arbeitsmaschine zwischen diesem und der Laufkatze nach
dem Trollen-System hiu und her fahren. Eine allgemeine Verwendbarkeit würde
die Elektrizität allerdings erst durch den leichten Akkumulator, den Edison ja
schon erfunden haben soll, der aber immer noch nicht auf dem Markt erscheinen
will, bekommen. Dann würde man auch frei fahrende Wagen und Maschinen
elektrisch antreiben und durch Ermäßigung des Strompreises in den betriebs¬
schwachen Tagesstunden die Besitzer veranlassen können, ihre Akkumulatoren dann
zu laden, wenn die Zentrale Energie übrig hat. Die Herstellung eines Apparates,
in dem eine Zeituhr so auf einen Zähler wirkt, daß er zu gewissen Zeiten
schneller oder langsamer zählt, würde auf keine Schwierigkeiten stoßen. Leider
sind die jetzt gebräuchlichen Akkumulatoren zu schwer, sie würden die Fahrzeuge
zu sehr belasten und schwerfällig machen.

Das alles sind Möglichkeiten, über die mancher vielleicht noch lächeln wird,
die aber in der einen oder anderen Form doch einmal Gestalt annehmen werden.
Unserer Landwirtschaft muß geholfen werden; mit Steuer- und Zollgesetzgebung
allein ist das nicht möglich. Hier bietet sich die Gelegenheit, sie zu modernisieren,
sie lebenskräftiger zu machen.

Noch ein anderer Ausblick bietet sich, der manchem vielleicht ganz phantastisch
erscheinen wird. Aber auf die Gefahr hin, daß er das Heft mit einem ver¬
drießlichen: „Das ist von vornherein aussichtslos" fortlegt: wenn die Sache wirklich
die Dimensionen annehmen sollte, daß ein Netz von elektrischen Überlandzentralen
sich über das ganze Land verbreitet, dann würde damit eine Möglichkeit zur
Erringung des lange gesuchten Reichsregals gegeben sein. Damit würde dem
Reiche eine Einnahmequelle eröffnet, übereilten Gründungen vorgebeugt und
die Möglichkeit geschaffen werden, allmählich das drückende Monopol der großen
Elektrizitätsgesellschaften, deren Fabrikation teilweise auf Neichswerkstätte über¬
gehen würde, zu beseitigen. Die Schwierigkeiten würden groß, aber nicht
unüberwindlich sein. Zunächst müßte natürlich die Zustimmung des Reichstages
eingeholt werden. Die bekommt man, wenn man darauf hinweisen kann, daß
sonst Preußen die Sache allein machte und dadurch die kleinen Staaten und
die Grenzbezirke der Mittelstaaten in eine ähnliche Abhängigkeit von sich bringen
würde, wie es mit den Eisenbahnen der Fall ist. Bauern müßte besonders
behandelt werden. Ob es nicht einmal an seinen Neservatrechten, namentlich
an denen wirtschaftlicher Art, ein Haar finden wird? Vorläufig jedenfalls
nicht. In der vorliegenden Frage hat es durch seine großen Wasserkräfte, zu
deren Ausnutzung es durch seine hohen Steinkohlenpreise gedrängt wird, eine
besonders starke Stellung. Es hat auch schon die Führung übernommen. Ist
die Zustimmung des Parlaments erfolgt, dann würde man aussichtsreiche
Zentralen mit billigen Darlehen unterstützen — zu dem Zinsfuße, den das Reich
selbst zahlen muß —, und diesem dafür ein Vorkaufsrecht sichern. Ist die Sache


Grenzboten IV 1910 47
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[0381] Elektrische Üvcrlcmdzentralc» von deren beiden Kabeln eine Laufkatze mit zwei Drähten den Strom abnähme. Die Drähte würden quer über das Feld zu einem allmählich vorrückenden Wagen führen und die Arbeitsmaschine zwischen diesem und der Laufkatze nach dem Trollen-System hiu und her fahren. Eine allgemeine Verwendbarkeit würde die Elektrizität allerdings erst durch den leichten Akkumulator, den Edison ja schon erfunden haben soll, der aber immer noch nicht auf dem Markt erscheinen will, bekommen. Dann würde man auch frei fahrende Wagen und Maschinen elektrisch antreiben und durch Ermäßigung des Strompreises in den betriebs¬ schwachen Tagesstunden die Besitzer veranlassen können, ihre Akkumulatoren dann zu laden, wenn die Zentrale Energie übrig hat. Die Herstellung eines Apparates, in dem eine Zeituhr so auf einen Zähler wirkt, daß er zu gewissen Zeiten schneller oder langsamer zählt, würde auf keine Schwierigkeiten stoßen. Leider sind die jetzt gebräuchlichen Akkumulatoren zu schwer, sie würden die Fahrzeuge zu sehr belasten und schwerfällig machen. Das alles sind Möglichkeiten, über die mancher vielleicht noch lächeln wird, die aber in der einen oder anderen Form doch einmal Gestalt annehmen werden. Unserer Landwirtschaft muß geholfen werden; mit Steuer- und Zollgesetzgebung allein ist das nicht möglich. Hier bietet sich die Gelegenheit, sie zu modernisieren, sie lebenskräftiger zu machen. Noch ein anderer Ausblick bietet sich, der manchem vielleicht ganz phantastisch erscheinen wird. Aber auf die Gefahr hin, daß er das Heft mit einem ver¬ drießlichen: „Das ist von vornherein aussichtslos" fortlegt: wenn die Sache wirklich die Dimensionen annehmen sollte, daß ein Netz von elektrischen Überlandzentralen sich über das ganze Land verbreitet, dann würde damit eine Möglichkeit zur Erringung des lange gesuchten Reichsregals gegeben sein. Damit würde dem Reiche eine Einnahmequelle eröffnet, übereilten Gründungen vorgebeugt und die Möglichkeit geschaffen werden, allmählich das drückende Monopol der großen Elektrizitätsgesellschaften, deren Fabrikation teilweise auf Neichswerkstätte über¬ gehen würde, zu beseitigen. Die Schwierigkeiten würden groß, aber nicht unüberwindlich sein. Zunächst müßte natürlich die Zustimmung des Reichstages eingeholt werden. Die bekommt man, wenn man darauf hinweisen kann, daß sonst Preußen die Sache allein machte und dadurch die kleinen Staaten und die Grenzbezirke der Mittelstaaten in eine ähnliche Abhängigkeit von sich bringen würde, wie es mit den Eisenbahnen der Fall ist. Bauern müßte besonders behandelt werden. Ob es nicht einmal an seinen Neservatrechten, namentlich an denen wirtschaftlicher Art, ein Haar finden wird? Vorläufig jedenfalls nicht. In der vorliegenden Frage hat es durch seine großen Wasserkräfte, zu deren Ausnutzung es durch seine hohen Steinkohlenpreise gedrängt wird, eine besonders starke Stellung. Es hat auch schon die Führung übernommen. Ist die Zustimmung des Parlaments erfolgt, dann würde man aussichtsreiche Zentralen mit billigen Darlehen unterstützen — zu dem Zinsfuße, den das Reich selbst zahlen muß —, und diesem dafür ein Vorkaufsrecht sichern. Ist die Sache Grenzboten IV 1910 47

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316950/381>, abgerufen am 22.07.2024.