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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr.

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Die neuen Forschungsinstitute

schaften immer empfindlicher. Wir bedürfen Anstalten, die über den Rahmen der
Hochschulen hinausgehen und, unbeeinträchtigt durch Unterrichtszwecke, aber in enger
Fühlung mit Akademie und Universität, lediglich der Forschung dienen." Der
Kaiser eröffnete ferner, daß er beabsichtige unter seinem Protektorat und Namen
eine Gesellschaft zu begründen, die sich die Errichtung und Erhaltung solcher
Forschungsinstitute zur Aufgabe stellt; dieser Gesellschaft werde er die dar¬
gebotenen Mittel überweisen. Im übrigen werde die Regierung dafür Sorge
tragen, daß den zu gründenden Instituten, soweit es nötig sei, auch die staatliche
Hilfe nicht fehle.

Die Rede des Kaisers rief lebhafte Beifallskundgebungen hervor. Der
Rektor schloß seinen Dank mit den beiden Worten aus Goethes Götz: "Es lebe
die Freiheit" -- "Es lebe der Kaiser". Alle Anwesenden standen unter dem
Eindruck, daß Kaiser Wilhelm hier Kunde gegeben hatte von einem Plan, der
ihm recht eigentlich am Herzen liegt. Der Kaiser ist ein wahrer Freund der
Wissenschaft und wendet dank der Beweglichkeit seines Geistes sein Interesse den
verschiedensten Disziplinen zu. Wenn er deshalb den Wunsch äußerte, daß der
Tag des Jubiläums wegen der geplanten Begründung der selbständigen
Forschungsinstitute zugleich eine weitere Stufe in der Entwicklung deutschen
Geisteslebens bedeuten möge, so kann man sicher sein, daß dieser Wunsch in
höchstem Maße seinem eigenen hochherzigen Empfinden entsprach. Inzwischen
ist ja auch bekannt geworden, daß die ganze Aktion auf die Initiative des
Kaisers zurückzuführen ist. Zwar hatte schon der Ministerialdirektor Althoff
ähnliche Pläne gehegt, die aber nach seinem Tode nicht weiter verfolgt wurden.
Daß jetzt diese bedeutsame Angelegenheit wieder aufgenommen und vorläufig,
wenigstens äußerlich, zu einem so glänzenden Ergebnis geführt wurde, das ist
vor allem dem energischen und zielbewußter Eingreifen des Kaisers zu verdanken.
Aber auch den Gebern gebührt der Dank der Nation. Der für deutsche Ver¬
hältnisse ungewöhnlich große Betrag von mehr als 9 Millionen Mark ist
von einer kleinen Anzahl von Personen gespendet worden, die fast ausschließlich
den Großbanken und der Industrie angehören. Daß es möglich gewesen ist,
für gemeinnützige, wissenschaftliche Zwecke eine so hohe Summe flüssig zu machen,
noch dazu in kurzer Zeit, verdient unter allen Umständen die wärmste Anerkennung.

Forschungsinstitute, die keinem Lehrzweck dienen, werden schon jetzt von
Staat und Reich in nicht ganz geringer Anzahl unterhalten. Aber es hat mit
ihnen meist eine besondere Bewandtnis. Da sind zunächst mehrere Institute, die
im Auslande oder an entlegenen Orten bestehen, wo eine Lehrtätigkeit nicht
gut ausgeübt werden kann. Das Reich beteiligt sich durch die Archäologischen
Institute in Athen und Rom an der Erforschung des klassischen Altertums und
seiner Kunst. Preußen unterhält auf Helgoland eine Biologische Anstalt, die
sich mit der Fauna und Flora des Meeres beschäftigt, und in Rom ein
Historisches Institut, das hauptsächlich dazu bestimmt ist, ans den vatikanischen
Archiven Veröffentlichungen zu machen. Das Geodätische Institut in Potsdam


Die neuen Forschungsinstitute

schaften immer empfindlicher. Wir bedürfen Anstalten, die über den Rahmen der
Hochschulen hinausgehen und, unbeeinträchtigt durch Unterrichtszwecke, aber in enger
Fühlung mit Akademie und Universität, lediglich der Forschung dienen." Der
Kaiser eröffnete ferner, daß er beabsichtige unter seinem Protektorat und Namen
eine Gesellschaft zu begründen, die sich die Errichtung und Erhaltung solcher
Forschungsinstitute zur Aufgabe stellt; dieser Gesellschaft werde er die dar¬
gebotenen Mittel überweisen. Im übrigen werde die Regierung dafür Sorge
tragen, daß den zu gründenden Instituten, soweit es nötig sei, auch die staatliche
Hilfe nicht fehle.

Die Rede des Kaisers rief lebhafte Beifallskundgebungen hervor. Der
Rektor schloß seinen Dank mit den beiden Worten aus Goethes Götz: „Es lebe
die Freiheit" — „Es lebe der Kaiser". Alle Anwesenden standen unter dem
Eindruck, daß Kaiser Wilhelm hier Kunde gegeben hatte von einem Plan, der
ihm recht eigentlich am Herzen liegt. Der Kaiser ist ein wahrer Freund der
Wissenschaft und wendet dank der Beweglichkeit seines Geistes sein Interesse den
verschiedensten Disziplinen zu. Wenn er deshalb den Wunsch äußerte, daß der
Tag des Jubiläums wegen der geplanten Begründung der selbständigen
Forschungsinstitute zugleich eine weitere Stufe in der Entwicklung deutschen
Geisteslebens bedeuten möge, so kann man sicher sein, daß dieser Wunsch in
höchstem Maße seinem eigenen hochherzigen Empfinden entsprach. Inzwischen
ist ja auch bekannt geworden, daß die ganze Aktion auf die Initiative des
Kaisers zurückzuführen ist. Zwar hatte schon der Ministerialdirektor Althoff
ähnliche Pläne gehegt, die aber nach seinem Tode nicht weiter verfolgt wurden.
Daß jetzt diese bedeutsame Angelegenheit wieder aufgenommen und vorläufig,
wenigstens äußerlich, zu einem so glänzenden Ergebnis geführt wurde, das ist
vor allem dem energischen und zielbewußter Eingreifen des Kaisers zu verdanken.
Aber auch den Gebern gebührt der Dank der Nation. Der für deutsche Ver¬
hältnisse ungewöhnlich große Betrag von mehr als 9 Millionen Mark ist
von einer kleinen Anzahl von Personen gespendet worden, die fast ausschließlich
den Großbanken und der Industrie angehören. Daß es möglich gewesen ist,
für gemeinnützige, wissenschaftliche Zwecke eine so hohe Summe flüssig zu machen,
noch dazu in kurzer Zeit, verdient unter allen Umständen die wärmste Anerkennung.

Forschungsinstitute, die keinem Lehrzweck dienen, werden schon jetzt von
Staat und Reich in nicht ganz geringer Anzahl unterhalten. Aber es hat mit
ihnen meist eine besondere Bewandtnis. Da sind zunächst mehrere Institute, die
im Auslande oder an entlegenen Orten bestehen, wo eine Lehrtätigkeit nicht
gut ausgeübt werden kann. Das Reich beteiligt sich durch die Archäologischen
Institute in Athen und Rom an der Erforschung des klassischen Altertums und
seiner Kunst. Preußen unterhält auf Helgoland eine Biologische Anstalt, die
sich mit der Fauna und Flora des Meeres beschäftigt, und in Rom ein
Historisches Institut, das hauptsächlich dazu bestimmt ist, ans den vatikanischen
Archiven Veröffentlichungen zu machen. Das Geodätische Institut in Potsdam


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[0350] Die neuen Forschungsinstitute schaften immer empfindlicher. Wir bedürfen Anstalten, die über den Rahmen der Hochschulen hinausgehen und, unbeeinträchtigt durch Unterrichtszwecke, aber in enger Fühlung mit Akademie und Universität, lediglich der Forschung dienen." Der Kaiser eröffnete ferner, daß er beabsichtige unter seinem Protektorat und Namen eine Gesellschaft zu begründen, die sich die Errichtung und Erhaltung solcher Forschungsinstitute zur Aufgabe stellt; dieser Gesellschaft werde er die dar¬ gebotenen Mittel überweisen. Im übrigen werde die Regierung dafür Sorge tragen, daß den zu gründenden Instituten, soweit es nötig sei, auch die staatliche Hilfe nicht fehle. Die Rede des Kaisers rief lebhafte Beifallskundgebungen hervor. Der Rektor schloß seinen Dank mit den beiden Worten aus Goethes Götz: „Es lebe die Freiheit" — „Es lebe der Kaiser". Alle Anwesenden standen unter dem Eindruck, daß Kaiser Wilhelm hier Kunde gegeben hatte von einem Plan, der ihm recht eigentlich am Herzen liegt. Der Kaiser ist ein wahrer Freund der Wissenschaft und wendet dank der Beweglichkeit seines Geistes sein Interesse den verschiedensten Disziplinen zu. Wenn er deshalb den Wunsch äußerte, daß der Tag des Jubiläums wegen der geplanten Begründung der selbständigen Forschungsinstitute zugleich eine weitere Stufe in der Entwicklung deutschen Geisteslebens bedeuten möge, so kann man sicher sein, daß dieser Wunsch in höchstem Maße seinem eigenen hochherzigen Empfinden entsprach. Inzwischen ist ja auch bekannt geworden, daß die ganze Aktion auf die Initiative des Kaisers zurückzuführen ist. Zwar hatte schon der Ministerialdirektor Althoff ähnliche Pläne gehegt, die aber nach seinem Tode nicht weiter verfolgt wurden. Daß jetzt diese bedeutsame Angelegenheit wieder aufgenommen und vorläufig, wenigstens äußerlich, zu einem so glänzenden Ergebnis geführt wurde, das ist vor allem dem energischen und zielbewußter Eingreifen des Kaisers zu verdanken. Aber auch den Gebern gebührt der Dank der Nation. Der für deutsche Ver¬ hältnisse ungewöhnlich große Betrag von mehr als 9 Millionen Mark ist von einer kleinen Anzahl von Personen gespendet worden, die fast ausschließlich den Großbanken und der Industrie angehören. Daß es möglich gewesen ist, für gemeinnützige, wissenschaftliche Zwecke eine so hohe Summe flüssig zu machen, noch dazu in kurzer Zeit, verdient unter allen Umständen die wärmste Anerkennung. Forschungsinstitute, die keinem Lehrzweck dienen, werden schon jetzt von Staat und Reich in nicht ganz geringer Anzahl unterhalten. Aber es hat mit ihnen meist eine besondere Bewandtnis. Da sind zunächst mehrere Institute, die im Auslande oder an entlegenen Orten bestehen, wo eine Lehrtätigkeit nicht gut ausgeübt werden kann. Das Reich beteiligt sich durch die Archäologischen Institute in Athen und Rom an der Erforschung des klassischen Altertums und seiner Kunst. Preußen unterhält auf Helgoland eine Biologische Anstalt, die sich mit der Fauna und Flora des Meeres beschäftigt, und in Rom ein Historisches Institut, das hauptsächlich dazu bestimmt ist, ans den vatikanischen Archiven Veröffentlichungen zu machen. Das Geodätische Institut in Potsdam

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316950/350>, abgerufen am 22.07.2024.