Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr.Hundert Jahre Berliner Universität Studio angenehm angefächelt fühlt durch die altbewährte Wahrheit, daß Vor hundert Jahren ließ sich nicht voraussehn, was die Enkel an der Universität Die beiden kostbaren Güter, Vaterland und Freiheit, ohne welche die Grenzvoten IV 19108
Hundert Jahre Berliner Universität Studio angenehm angefächelt fühlt durch die altbewährte Wahrheit, daß Vor hundert Jahren ließ sich nicht voraussehn, was die Enkel an der Universität Die beiden kostbaren Güter, Vaterland und Freiheit, ohne welche die Grenzvoten IV 19108
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0029" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/316980"/> <fw type="header" place="top"> Hundert Jahre Berliner Universität</fw><lb/> <p xml:id="ID_53" prev="#ID_52"> Studio angenehm angefächelt fühlt durch die altbewährte Wahrheit, daß<lb/> Studentenleben auch von Lieb' umgeben, und bei dein Volk wie bei den<lb/> Frauen stets die Jugend obenan steht. Etwas mehr als zweihundert Stipendien<lb/> u. tgi., die nicht selten den Namen früherer Professoren tragen, sind den<lb/> Studenten gewidmet, wenn auch keine Stiftung von 42 Millionen darunter ist<lb/> (Andreas Carnegie Institution). Die Königliche Bibliothek hat etwa 1^ Millionen<lb/> Bände und ist durch ihre Gesamteinrichtung ein unschätzbares Mittel des<lb/> Studiums. Nicht verwöhnte Leute werden gern die Leihgebühr zahlen, zumal<lb/> sie sich sagen, daß davon Bücher angeschafft werden, und so jeder Benutzer für<lb/> die Nachwelt schneller etwas tut als jener berühmte orientalische Greis, der<lb/> für die Enkel pflanzte.</p><lb/> <p xml:id="ID_54"> Vor hundert Jahren ließ sich nicht voraussehn, was die Enkel an der Universität<lb/> haben würden, eine einladende Stätte auch sür entfernte Völker. Wer hätte<lb/> auch an einen Professorenaustausch mit Amerika gedacht? Der Wirkungskreis<lb/> hat sich auch insofern erweitert, als Frauen nicht bloß hospitieren, sondern<lb/> immatrikuliert sind. Für andre Bildungsbedürftige sind seit etwa fünfzehn Jahren<lb/> die Volkshochschulkurse eingerichtet, die lebhaften Zuspruch finden. Die Universität<lb/> kann nach diesem ersten Jahrhundert ohne patriotische Beklemmungen und ohne<lb/> beunruhigte Sympathie in die Zukunft blicken. Welche Überraschungen diese<lb/> unter ihren: Mantel verbirgt, kann man mit größerer Spannung erwarten<lb/> denn Jsai und seine Söhne, als sie Samuels streng musternden Blick folgten.<lb/> Mögen nach dem Lauf der Dinge Wissenschaften abwelken, so wird, wer sich<lb/> einer Wissenschaft ergibt, sie doch in: geheimen nicht so anreden, wie mitunter<lb/> G. Sand den zarten Chopin: mori aller Laäavrö. Vielmehr werden alle<lb/> glauben, daß noch immer neue Kränze zu gewinnen sind. Ohne Kenntnis<lb/> z. B. der Griechen und der Bibel (und dessen, was mit ihr zusammenhängt),<lb/> gäbe es kein Verständnis der abendländischen Literatur, Kunst und Geschichte.<lb/> Anderseits hat man die Grenzen der Leistungen des Mikroskops schon theoretisch<lb/> festgestellt.</p><lb/> <p xml:id="ID_55"> Die beiden kostbaren Güter, Vaterland und Freiheit, ohne welche die<lb/> Wissenschaft keinen Halt hat, sind uns erhalten und gestärkt worden. Unter<lb/> Kaiser Wilhelm dem Ersten hat die Universität einen glänzenden Aufschwung<lb/> genommen. Jetzt arbeiten auch die Gelehrten unter den: Schutz eines kraftvoll<lb/> ruhigen Friedens.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzvoten IV 19108</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0029]
Hundert Jahre Berliner Universität
Studio angenehm angefächelt fühlt durch die altbewährte Wahrheit, daß
Studentenleben auch von Lieb' umgeben, und bei dein Volk wie bei den
Frauen stets die Jugend obenan steht. Etwas mehr als zweihundert Stipendien
u. tgi., die nicht selten den Namen früherer Professoren tragen, sind den
Studenten gewidmet, wenn auch keine Stiftung von 42 Millionen darunter ist
(Andreas Carnegie Institution). Die Königliche Bibliothek hat etwa 1^ Millionen
Bände und ist durch ihre Gesamteinrichtung ein unschätzbares Mittel des
Studiums. Nicht verwöhnte Leute werden gern die Leihgebühr zahlen, zumal
sie sich sagen, daß davon Bücher angeschafft werden, und so jeder Benutzer für
die Nachwelt schneller etwas tut als jener berühmte orientalische Greis, der
für die Enkel pflanzte.
Vor hundert Jahren ließ sich nicht voraussehn, was die Enkel an der Universität
haben würden, eine einladende Stätte auch sür entfernte Völker. Wer hätte
auch an einen Professorenaustausch mit Amerika gedacht? Der Wirkungskreis
hat sich auch insofern erweitert, als Frauen nicht bloß hospitieren, sondern
immatrikuliert sind. Für andre Bildungsbedürftige sind seit etwa fünfzehn Jahren
die Volkshochschulkurse eingerichtet, die lebhaften Zuspruch finden. Die Universität
kann nach diesem ersten Jahrhundert ohne patriotische Beklemmungen und ohne
beunruhigte Sympathie in die Zukunft blicken. Welche Überraschungen diese
unter ihren: Mantel verbirgt, kann man mit größerer Spannung erwarten
denn Jsai und seine Söhne, als sie Samuels streng musternden Blick folgten.
Mögen nach dem Lauf der Dinge Wissenschaften abwelken, so wird, wer sich
einer Wissenschaft ergibt, sie doch in: geheimen nicht so anreden, wie mitunter
G. Sand den zarten Chopin: mori aller Laäavrö. Vielmehr werden alle
glauben, daß noch immer neue Kränze zu gewinnen sind. Ohne Kenntnis
z. B. der Griechen und der Bibel (und dessen, was mit ihr zusammenhängt),
gäbe es kein Verständnis der abendländischen Literatur, Kunst und Geschichte.
Anderseits hat man die Grenzen der Leistungen des Mikroskops schon theoretisch
festgestellt.
Die beiden kostbaren Güter, Vaterland und Freiheit, ohne welche die
Wissenschaft keinen Halt hat, sind uns erhalten und gestärkt worden. Unter
Kaiser Wilhelm dem Ersten hat die Universität einen glänzenden Aufschwung
genommen. Jetzt arbeiten auch die Gelehrten unter den: Schutz eines kraftvoll
ruhigen Friedens.
Grenzvoten IV 19108
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