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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr.

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Wirkliche Schäden in der preußischen Verwaltung

Zeit, wo die gesamte innere Verwaltung in diesen beiden Ministerien vereinigt
war; 2. der Minister des Innern allein für die Landräte und die höhern
Beamten der staatlichen Polizeibehörden; mit dieser Zuständigkeit hängt es wohl
auch zusammen, daß alle diese Beamten merkwürdigerweise nicht zur allgemeinen
Verwaltung gerechnet werden; 3. das Staatsministerium als Ganzes für die
Vorschläge der Unterstaatssekretäre und Ministerialdirektoren und der leitenden
Beamten der Provinzialbehvrden; früher hatte es auch die Vorschriften über
die Ausbildung der Regierungsreferendarien zu erlassen, was jetzt auch auf die
Minister des Innern und der Finanzen übergegangen ist; 4. die einzelnen
Minister für die Auswahl der vortragenden Räte ihrer Ministerien; endlich
5. früher alle, jetzt nur noch fünfzehn Regierungspräsidenten für die Annahme
der Regierungsreferendarien, also die Auswahl des Nachwuchses, und alle
Regierungspräsidenten wiederum für die Bearbeitung der Personalangelegenheiten
der zahlreichen ihnen unterstellten Beamten, namentlich für die Begutachtung ihrer
Leistungen und die Führung ihrer Konduitenliste. In einzelnen Fällen wirken
in Personalsachen neben den Ministern des Innern und der Finanzen noch
andre sachlich beteiligte Ministerien mit, beispielsweise das Landwirtschafts¬
ministerium bei der Bestellung der Domänendepartementsräte der Regierungen.
Tie laufende Verwaltung wird geführt vom Ministerium des Innern, das so
in diesen Angelegenheiten ein großes Übergewicht über den andern Zentral¬
stellen erhält, und den Regierungspräsidenten. Außerdem sind die Oberpräsidenten
insofern beteiligt, als alle Berichte der Regierungspräsidenten in Personalsachen
bei ihnen durchlaufen müssen, damit sie sich dazu äußern können.

Besonders groß ist der Einfluß der Regierungspräsidenten. Von ihnen
hängt zunächst die Beschaffenheit und die Brauchbarkeit des Nachwuchses und
damit überhaupt der Verwaltungsbeamten ab, da sich die Mißgriffe, die sie
dabei etwa begehn, niemals wieder gut machen lassen, sobald die jungen Leute
einmal die Klippe der zweiten Staatsprüfung glücklich umschifft haben, was in
hohem Maße vom Zufall abhängt. Ferner haben sie fast ganz selbständig die
Verteilung der Dezernate ihrer Behörden zu regeln, also über die Verwendung
der Mehrzahl der höhern Verwaltungsbeamten zu bestimmen. Endlich haben
sie über die Tüchtigkeit und die Leistungen der zahlreichen ihnen unterstellten
Beamten nach oben zu berichten. Durch alles dies beeinflussen sie das Schicksal
dieser Beamten entscheidend, zumal da infolge des Wegfalls der regelmäßigen
Geschäftsrevisionen den höhern Vorgesetzten eigne Personalkenntnisse meistens fehlen.
Sie können so Beamte vorwärts bringen oder zurückhalten. Einen Fall dieser
Art, wo ein Präsident der Merseburger Negierung während seiner dreizehn¬
jährigen Amtszeit keinen einzigen seiner Untergebenen zur Beförderung vor¬
geschlagen hatte, obwohl die meisten sie verdient Hütten, habe ich in meinem
zweiten Artikel angeführt. Verstärkt wird dieser Einfluß der Regierungs¬
präsidenten dadurch, daß alle Personalangelegenheiten in der Verwaltung, ab¬
weichend z. B. vom Militär, streng geheim behandelt werden.


Wirkliche Schäden in der preußischen Verwaltung

Zeit, wo die gesamte innere Verwaltung in diesen beiden Ministerien vereinigt
war; 2. der Minister des Innern allein für die Landräte und die höhern
Beamten der staatlichen Polizeibehörden; mit dieser Zuständigkeit hängt es wohl
auch zusammen, daß alle diese Beamten merkwürdigerweise nicht zur allgemeinen
Verwaltung gerechnet werden; 3. das Staatsministerium als Ganzes für die
Vorschläge der Unterstaatssekretäre und Ministerialdirektoren und der leitenden
Beamten der Provinzialbehvrden; früher hatte es auch die Vorschriften über
die Ausbildung der Regierungsreferendarien zu erlassen, was jetzt auch auf die
Minister des Innern und der Finanzen übergegangen ist; 4. die einzelnen
Minister für die Auswahl der vortragenden Räte ihrer Ministerien; endlich
5. früher alle, jetzt nur noch fünfzehn Regierungspräsidenten für die Annahme
der Regierungsreferendarien, also die Auswahl des Nachwuchses, und alle
Regierungspräsidenten wiederum für die Bearbeitung der Personalangelegenheiten
der zahlreichen ihnen unterstellten Beamten, namentlich für die Begutachtung ihrer
Leistungen und die Führung ihrer Konduitenliste. In einzelnen Fällen wirken
in Personalsachen neben den Ministern des Innern und der Finanzen noch
andre sachlich beteiligte Ministerien mit, beispielsweise das Landwirtschafts¬
ministerium bei der Bestellung der Domänendepartementsräte der Regierungen.
Tie laufende Verwaltung wird geführt vom Ministerium des Innern, das so
in diesen Angelegenheiten ein großes Übergewicht über den andern Zentral¬
stellen erhält, und den Regierungspräsidenten. Außerdem sind die Oberpräsidenten
insofern beteiligt, als alle Berichte der Regierungspräsidenten in Personalsachen
bei ihnen durchlaufen müssen, damit sie sich dazu äußern können.

Besonders groß ist der Einfluß der Regierungspräsidenten. Von ihnen
hängt zunächst die Beschaffenheit und die Brauchbarkeit des Nachwuchses und
damit überhaupt der Verwaltungsbeamten ab, da sich die Mißgriffe, die sie
dabei etwa begehn, niemals wieder gut machen lassen, sobald die jungen Leute
einmal die Klippe der zweiten Staatsprüfung glücklich umschifft haben, was in
hohem Maße vom Zufall abhängt. Ferner haben sie fast ganz selbständig die
Verteilung der Dezernate ihrer Behörden zu regeln, also über die Verwendung
der Mehrzahl der höhern Verwaltungsbeamten zu bestimmen. Endlich haben
sie über die Tüchtigkeit und die Leistungen der zahlreichen ihnen unterstellten
Beamten nach oben zu berichten. Durch alles dies beeinflussen sie das Schicksal
dieser Beamten entscheidend, zumal da infolge des Wegfalls der regelmäßigen
Geschäftsrevisionen den höhern Vorgesetzten eigne Personalkenntnisse meistens fehlen.
Sie können so Beamte vorwärts bringen oder zurückhalten. Einen Fall dieser
Art, wo ein Präsident der Merseburger Negierung während seiner dreizehn¬
jährigen Amtszeit keinen einzigen seiner Untergebenen zur Beförderung vor¬
geschlagen hatte, obwohl die meisten sie verdient Hütten, habe ich in meinem
zweiten Artikel angeführt. Verstärkt wird dieser Einfluß der Regierungs¬
präsidenten dadurch, daß alle Personalangelegenheiten in der Verwaltung, ab¬
weichend z. B. vom Militär, streng geheim behandelt werden.


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[0267] Wirkliche Schäden in der preußischen Verwaltung Zeit, wo die gesamte innere Verwaltung in diesen beiden Ministerien vereinigt war; 2. der Minister des Innern allein für die Landräte und die höhern Beamten der staatlichen Polizeibehörden; mit dieser Zuständigkeit hängt es wohl auch zusammen, daß alle diese Beamten merkwürdigerweise nicht zur allgemeinen Verwaltung gerechnet werden; 3. das Staatsministerium als Ganzes für die Vorschläge der Unterstaatssekretäre und Ministerialdirektoren und der leitenden Beamten der Provinzialbehvrden; früher hatte es auch die Vorschriften über die Ausbildung der Regierungsreferendarien zu erlassen, was jetzt auch auf die Minister des Innern und der Finanzen übergegangen ist; 4. die einzelnen Minister für die Auswahl der vortragenden Räte ihrer Ministerien; endlich 5. früher alle, jetzt nur noch fünfzehn Regierungspräsidenten für die Annahme der Regierungsreferendarien, also die Auswahl des Nachwuchses, und alle Regierungspräsidenten wiederum für die Bearbeitung der Personalangelegenheiten der zahlreichen ihnen unterstellten Beamten, namentlich für die Begutachtung ihrer Leistungen und die Führung ihrer Konduitenliste. In einzelnen Fällen wirken in Personalsachen neben den Ministern des Innern und der Finanzen noch andre sachlich beteiligte Ministerien mit, beispielsweise das Landwirtschafts¬ ministerium bei der Bestellung der Domänendepartementsräte der Regierungen. Tie laufende Verwaltung wird geführt vom Ministerium des Innern, das so in diesen Angelegenheiten ein großes Übergewicht über den andern Zentral¬ stellen erhält, und den Regierungspräsidenten. Außerdem sind die Oberpräsidenten insofern beteiligt, als alle Berichte der Regierungspräsidenten in Personalsachen bei ihnen durchlaufen müssen, damit sie sich dazu äußern können. Besonders groß ist der Einfluß der Regierungspräsidenten. Von ihnen hängt zunächst die Beschaffenheit und die Brauchbarkeit des Nachwuchses und damit überhaupt der Verwaltungsbeamten ab, da sich die Mißgriffe, die sie dabei etwa begehn, niemals wieder gut machen lassen, sobald die jungen Leute einmal die Klippe der zweiten Staatsprüfung glücklich umschifft haben, was in hohem Maße vom Zufall abhängt. Ferner haben sie fast ganz selbständig die Verteilung der Dezernate ihrer Behörden zu regeln, also über die Verwendung der Mehrzahl der höhern Verwaltungsbeamten zu bestimmen. Endlich haben sie über die Tüchtigkeit und die Leistungen der zahlreichen ihnen unterstellten Beamten nach oben zu berichten. Durch alles dies beeinflussen sie das Schicksal dieser Beamten entscheidend, zumal da infolge des Wegfalls der regelmäßigen Geschäftsrevisionen den höhern Vorgesetzten eigne Personalkenntnisse meistens fehlen. Sie können so Beamte vorwärts bringen oder zurückhalten. Einen Fall dieser Art, wo ein Präsident der Merseburger Negierung während seiner dreizehn¬ jährigen Amtszeit keinen einzigen seiner Untergebenen zur Beförderung vor¬ geschlagen hatte, obwohl die meisten sie verdient Hütten, habe ich in meinem zweiten Artikel angeführt. Verstärkt wird dieser Einfluß der Regierungs¬ präsidenten dadurch, daß alle Personalangelegenheiten in der Verwaltung, ab¬ weichend z. B. vom Militär, streng geheim behandelt werden.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316950/267>, abgerufen am 22.07.2024.