Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr.Wirkliche Schäden in der preußischen Verwaltung war, als Kreisstand und als einer der größten und tüchtigsten Landwirte des Verschweigen will ich nicht, daß Friedrich der Große etwa in der Mitte Die größte Leistung der beiden großen Könige des achtzehnten Jahrhunderts Wie man sieht, ist es zweierlei, was diese Entwicklung im ganzen kenn¬ Wirkliche Schäden in der preußischen Verwaltung war, als Kreisstand und als einer der größten und tüchtigsten Landwirte des Verschweigen will ich nicht, daß Friedrich der Große etwa in der Mitte Die größte Leistung der beiden großen Könige des achtzehnten Jahrhunderts Wie man sieht, ist es zweierlei, was diese Entwicklung im ganzen kenn¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0265" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/317216"/> <fw type="header" place="top"> Wirkliche Schäden in der preußischen Verwaltung</fw><lb/> <p xml:id="ID_1159" prev="#ID_1158"> war, als Kreisstand und als einer der größten und tüchtigsten Landwirte des<lb/> Kreises die nötigen Fachkenntnisse und sonstigen Voraussetzungen mit. Überdies<lb/> ist zu beachten, daß diese Lokalbeamten fortgesetzt unter einer scharfen und ein¬<lb/> dringenden Aufsicht der berufsmäßig geschulten Mitglieder der höhern Behörden<lb/> standen, wodurch etwaige Mängel in ihrem fachmännischer Wissen und Können<lb/> ausgeglichen wurden.</p><lb/> <p xml:id="ID_1160"> Verschweigen will ich nicht, daß Friedrich der Große etwa in der Mitte<lb/> seiner Regierungszeit, und zwar, wie sein politisches Testament von 1762 zeigt,<lb/> in bewußter Absicht, Offiziere aus der Front heraus, also im allgemeinen<lb/> vollständige Laien in der Verwaltung, in diese und sogar in leitende Stellungen<lb/> darin nahm. Aber er war sich dabei von vornherein klar, daß nicht jeder<lb/> Offizier sür eine solche Verwendung geeignet sei, und nachdem er mit mehreren<lb/> dieser Männer schlechte Erfahrungen gemacht hatte, verließ er diese Praxis<lb/> von selbst wieder.</p><lb/> <p xml:id="ID_1161"> Die größte Leistung der beiden großen Könige des achtzehnten Jahrhunderts<lb/> für die Heranbildung des preußischen Beamtenstands liegt auf sittlichem Gebiet.<lb/> Und es schmälert ihren Ruhm nicht, daß sie dabei anscheinend im wesentlichen<lb/> nur die Anregungen der führenden Naturrechtslehrer verwirklichten. Besonders<lb/> groß ist hier der Einfluß des Königs Friedrich Wilhelms des Ersten. Er vor<lb/> allem war es, der den preußischen Beamten die innern Triebkräfte einpflanzte,<lb/> ohne die sie ihre weltgeschichtlichen Leistungen nicht hätten vollbringen können,<lb/> indem er ihnen den Geist mitteilte, der ihn selbst beseelte: sein starkes Pflicht¬<lb/> gefühl, sein lebhaftes Staatsbewußtsein, den brennenden, ganz unpersönlichen<lb/> Ehrgeiz, selbstlos und mit allen Kräften, immer nur der Lalu8 publica, der<lb/> Allgemeinheit, dem Staat zu dienen. So löste er sie aus den Fesseln der<lb/> Geburt, der Familie, des Jndigenats, der wirtschaftlichen Selbstsucht und schuf<lb/> er aus ihnen eine einheitliche Gemeinschaft, die in allen ihren Angehörigen<lb/> gleichmäßig durchdrungen war von der Überzeugung, über den verschiedenen<lb/> Klassen, Ständen, Landesteilen stehn zu müssen, und sich eins wußte im Dienst<lb/> für den Staat — mit andern Worten, er machte sie zu Staatsbeamten.<lb/> Und endlich erweckte er nach einer feinen Bemerkung Gustav von Schmollers,<lb/> dem ich auch sonst hier viel verdanke, durch dieses scharf ausgeprägte Staats¬<lb/> bewußtsein in seinen Beamten jene rücksichtslose Entschlossenheit und Festigkeit,<lb/> die später an der Kraft und der Größe seines Sohns immer wieder von neuem<lb/> entstammend, Preußen zum Staat der Energie schlechthin, wie man gesagt<lb/> hat, machen konnte. Freilich wurde dies alles nicht ohne scharfen äußern<lb/> Zwang erreicht. So war es Grundsatz, die Beamten niemals in ihrer Heimat<lb/> anzustellen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1162" next="#ID_1163"> Wie man sieht, ist es zweierlei, was diese Entwicklung im ganzen kenn¬<lb/> zeichnet. Erstens das Bestreben, die Verwaltungsbeamten zu theoretisch und<lb/> praktisch möglichst gut und umfassend durchgebildeten Fachmännern zu machen.<lb/> Keinen kleinen Teil dieser Fachbildung scheint mir auch das Staatsbewußtsein</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0265]
Wirkliche Schäden in der preußischen Verwaltung
war, als Kreisstand und als einer der größten und tüchtigsten Landwirte des
Kreises die nötigen Fachkenntnisse und sonstigen Voraussetzungen mit. Überdies
ist zu beachten, daß diese Lokalbeamten fortgesetzt unter einer scharfen und ein¬
dringenden Aufsicht der berufsmäßig geschulten Mitglieder der höhern Behörden
standen, wodurch etwaige Mängel in ihrem fachmännischer Wissen und Können
ausgeglichen wurden.
Verschweigen will ich nicht, daß Friedrich der Große etwa in der Mitte
seiner Regierungszeit, und zwar, wie sein politisches Testament von 1762 zeigt,
in bewußter Absicht, Offiziere aus der Front heraus, also im allgemeinen
vollständige Laien in der Verwaltung, in diese und sogar in leitende Stellungen
darin nahm. Aber er war sich dabei von vornherein klar, daß nicht jeder
Offizier sür eine solche Verwendung geeignet sei, und nachdem er mit mehreren
dieser Männer schlechte Erfahrungen gemacht hatte, verließ er diese Praxis
von selbst wieder.
Die größte Leistung der beiden großen Könige des achtzehnten Jahrhunderts
für die Heranbildung des preußischen Beamtenstands liegt auf sittlichem Gebiet.
Und es schmälert ihren Ruhm nicht, daß sie dabei anscheinend im wesentlichen
nur die Anregungen der führenden Naturrechtslehrer verwirklichten. Besonders
groß ist hier der Einfluß des Königs Friedrich Wilhelms des Ersten. Er vor
allem war es, der den preußischen Beamten die innern Triebkräfte einpflanzte,
ohne die sie ihre weltgeschichtlichen Leistungen nicht hätten vollbringen können,
indem er ihnen den Geist mitteilte, der ihn selbst beseelte: sein starkes Pflicht¬
gefühl, sein lebhaftes Staatsbewußtsein, den brennenden, ganz unpersönlichen
Ehrgeiz, selbstlos und mit allen Kräften, immer nur der Lalu8 publica, der
Allgemeinheit, dem Staat zu dienen. So löste er sie aus den Fesseln der
Geburt, der Familie, des Jndigenats, der wirtschaftlichen Selbstsucht und schuf
er aus ihnen eine einheitliche Gemeinschaft, die in allen ihren Angehörigen
gleichmäßig durchdrungen war von der Überzeugung, über den verschiedenen
Klassen, Ständen, Landesteilen stehn zu müssen, und sich eins wußte im Dienst
für den Staat — mit andern Worten, er machte sie zu Staatsbeamten.
Und endlich erweckte er nach einer feinen Bemerkung Gustav von Schmollers,
dem ich auch sonst hier viel verdanke, durch dieses scharf ausgeprägte Staats¬
bewußtsein in seinen Beamten jene rücksichtslose Entschlossenheit und Festigkeit,
die später an der Kraft und der Größe seines Sohns immer wieder von neuem
entstammend, Preußen zum Staat der Energie schlechthin, wie man gesagt
hat, machen konnte. Freilich wurde dies alles nicht ohne scharfen äußern
Zwang erreicht. So war es Grundsatz, die Beamten niemals in ihrer Heimat
anzustellen.
Wie man sieht, ist es zweierlei, was diese Entwicklung im ganzen kenn¬
zeichnet. Erstens das Bestreben, die Verwaltungsbeamten zu theoretisch und
praktisch möglichst gut und umfassend durchgebildeten Fachmännern zu machen.
Keinen kleinen Teil dieser Fachbildung scheint mir auch das Staatsbewußtsein
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