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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr.

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lvestkanadas Eintritt in die Weltwirtschaft

ähnlich wie heute der Norden, eine Wildnis für Pelzjäger, die ihren Gewinn
an Zobel-, Marder-, Bären-, Stinktierfellen an die Gesellschaft ablieferten, deren
Handelsexpeditionen sich einmal im Jahre sehen ließen, um ihre Stationen mit
dem Notwendigsten zu versorgen.

Manitoba, weitaus die kleinste Provinz Westkanadas, ist 163000 Quadrat¬
kilometer groß, zwischen einem Drittel und einem Viertel Deutschlands. Die
beiden andern, die neuen Provinzen, haben etwa den fünffachen Umfang
Manitobas. Das Ganze hat also rund eine Million Quadratkilometer Inhalt
(Deutschland 540743). Der Norden Albertas und Saskatschewans wird nun
wahrscheinlich niemals Kulturland werden. Aber der Süden bietet noch
unabsehbare Flächen. 1900 waren erst 3491000 Acres (1 Acre0,4 Hektar)
in Kultur, 1906 schon mehr als doppelt soviel: 7916000. Doch das ist erst
der dreihundertste Teil der Gesamtfläche und vielleicht der hundertste Teil des
anbaufähigen Bodens. Mehr und mehr bemächtigen sich seiner die hart
'arbeitenden Pioniere der menschlichen Kultur, alle getragen von der Eisenbahn¬
verbindung und ohne sie wirtschaftlich bald verloren. Sie kommen mit etwas
Arbeitsvieh, Saatkorn, arbeitersparenden Maschinen. Lohnarbeiter gibt es kaum,
denn wer hierher kommt, erwirbt bald jungfräulichen Boden zu eigen. Das
harte Schaffen wird durch Segen gelohnt. Nicht daß gleich im Anfang Scheffel
Goldes auf die Menschen herabfielen. Ausdauer und Entbehrungen gehören
dazu, aber dann kommt der Wohlstand.

Zum Weizenbau hat sich längst der Haferbau gesellt, neuerdings in
bescheidenem Maßstab auch Gerste, während Roggen wenig kultiviert wird und
Mais gar nicht fortkommt. Ein wichtiges Interesse haben die Ansiedler an
Baumpflanzungen. Die Prärie ist schlechthin waldlos. Alles Holz muß aus
den Waldregionen des Ostens oder des Westens (Britisch-Kolumbiens) herbei¬
geschafft werden, auch der Brennstoff; das ist kostspielig. Die Regierung unter¬
stützt den Trieb des Waldbaus; sie liefert unentgeltlich die jungen Bäumchen
derjenigen Arten, die sich am besten akklimatisiert haben. Farmer, die schon
einige Jahre alt sind, zeichnen sich dadurch aus, daß sie im Schutze junger
Tannen stehen. Eine schwere Schickung ist die häufige Sommerdürre. Während
im Winter die kalten Nordoststürme herrschen, wiegen im Sommer die Südwest¬
winde vor, und diese sind, wenn sie ankommen, bereits über den hohen Kamm
des Felsengebirges gestrichen, wo sie infolge verringerten Luftdrucks den größten
Teil ihrer Feuchtigkeit verloren haben. Daher zeichnet sich der Himmel bei
Westwind durch Sonnigkeit aus. Die Saaten sind in vielen Gegenden immer
von Dürre bedroht und zuweilen leidet die Ernte schwer darunter, wie in diesem
Sommer 1910. Schon spielen die Anlagen künstlicher Bewässerung eine große
Rolle. Bewässerbares Land ist bedeutend teurer als anderes.

Die staatlichen statistischen Angaben gehen dahin, daß in den drei Provinzen
geerntet sind: Weizen 1900 23,4 Millionen Bushel, 1906 81,4 Millionen.
Hafer 1900 16.6 Millionen, 1906 68,8 Millionen Bushel. Gerste 1900


lvestkanadas Eintritt in die Weltwirtschaft

ähnlich wie heute der Norden, eine Wildnis für Pelzjäger, die ihren Gewinn
an Zobel-, Marder-, Bären-, Stinktierfellen an die Gesellschaft ablieferten, deren
Handelsexpeditionen sich einmal im Jahre sehen ließen, um ihre Stationen mit
dem Notwendigsten zu versorgen.

Manitoba, weitaus die kleinste Provinz Westkanadas, ist 163000 Quadrat¬
kilometer groß, zwischen einem Drittel und einem Viertel Deutschlands. Die
beiden andern, die neuen Provinzen, haben etwa den fünffachen Umfang
Manitobas. Das Ganze hat also rund eine Million Quadratkilometer Inhalt
(Deutschland 540743). Der Norden Albertas und Saskatschewans wird nun
wahrscheinlich niemals Kulturland werden. Aber der Süden bietet noch
unabsehbare Flächen. 1900 waren erst 3491000 Acres (1 Acre0,4 Hektar)
in Kultur, 1906 schon mehr als doppelt soviel: 7916000. Doch das ist erst
der dreihundertste Teil der Gesamtfläche und vielleicht der hundertste Teil des
anbaufähigen Bodens. Mehr und mehr bemächtigen sich seiner die hart
'arbeitenden Pioniere der menschlichen Kultur, alle getragen von der Eisenbahn¬
verbindung und ohne sie wirtschaftlich bald verloren. Sie kommen mit etwas
Arbeitsvieh, Saatkorn, arbeitersparenden Maschinen. Lohnarbeiter gibt es kaum,
denn wer hierher kommt, erwirbt bald jungfräulichen Boden zu eigen. Das
harte Schaffen wird durch Segen gelohnt. Nicht daß gleich im Anfang Scheffel
Goldes auf die Menschen herabfielen. Ausdauer und Entbehrungen gehören
dazu, aber dann kommt der Wohlstand.

Zum Weizenbau hat sich längst der Haferbau gesellt, neuerdings in
bescheidenem Maßstab auch Gerste, während Roggen wenig kultiviert wird und
Mais gar nicht fortkommt. Ein wichtiges Interesse haben die Ansiedler an
Baumpflanzungen. Die Prärie ist schlechthin waldlos. Alles Holz muß aus
den Waldregionen des Ostens oder des Westens (Britisch-Kolumbiens) herbei¬
geschafft werden, auch der Brennstoff; das ist kostspielig. Die Regierung unter¬
stützt den Trieb des Waldbaus; sie liefert unentgeltlich die jungen Bäumchen
derjenigen Arten, die sich am besten akklimatisiert haben. Farmer, die schon
einige Jahre alt sind, zeichnen sich dadurch aus, daß sie im Schutze junger
Tannen stehen. Eine schwere Schickung ist die häufige Sommerdürre. Während
im Winter die kalten Nordoststürme herrschen, wiegen im Sommer die Südwest¬
winde vor, und diese sind, wenn sie ankommen, bereits über den hohen Kamm
des Felsengebirges gestrichen, wo sie infolge verringerten Luftdrucks den größten
Teil ihrer Feuchtigkeit verloren haben. Daher zeichnet sich der Himmel bei
Westwind durch Sonnigkeit aus. Die Saaten sind in vielen Gegenden immer
von Dürre bedroht und zuweilen leidet die Ernte schwer darunter, wie in diesem
Sommer 1910. Schon spielen die Anlagen künstlicher Bewässerung eine große
Rolle. Bewässerbares Land ist bedeutend teurer als anderes.

Die staatlichen statistischen Angaben gehen dahin, daß in den drei Provinzen
geerntet sind: Weizen 1900 23,4 Millionen Bushel, 1906 81,4 Millionen.
Hafer 1900 16.6 Millionen, 1906 68,8 Millionen Bushel. Gerste 1900


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[0255] lvestkanadas Eintritt in die Weltwirtschaft ähnlich wie heute der Norden, eine Wildnis für Pelzjäger, die ihren Gewinn an Zobel-, Marder-, Bären-, Stinktierfellen an die Gesellschaft ablieferten, deren Handelsexpeditionen sich einmal im Jahre sehen ließen, um ihre Stationen mit dem Notwendigsten zu versorgen. Manitoba, weitaus die kleinste Provinz Westkanadas, ist 163000 Quadrat¬ kilometer groß, zwischen einem Drittel und einem Viertel Deutschlands. Die beiden andern, die neuen Provinzen, haben etwa den fünffachen Umfang Manitobas. Das Ganze hat also rund eine Million Quadratkilometer Inhalt (Deutschland 540743). Der Norden Albertas und Saskatschewans wird nun wahrscheinlich niemals Kulturland werden. Aber der Süden bietet noch unabsehbare Flächen. 1900 waren erst 3491000 Acres (1 Acre0,4 Hektar) in Kultur, 1906 schon mehr als doppelt soviel: 7916000. Doch das ist erst der dreihundertste Teil der Gesamtfläche und vielleicht der hundertste Teil des anbaufähigen Bodens. Mehr und mehr bemächtigen sich seiner die hart 'arbeitenden Pioniere der menschlichen Kultur, alle getragen von der Eisenbahn¬ verbindung und ohne sie wirtschaftlich bald verloren. Sie kommen mit etwas Arbeitsvieh, Saatkorn, arbeitersparenden Maschinen. Lohnarbeiter gibt es kaum, denn wer hierher kommt, erwirbt bald jungfräulichen Boden zu eigen. Das harte Schaffen wird durch Segen gelohnt. Nicht daß gleich im Anfang Scheffel Goldes auf die Menschen herabfielen. Ausdauer und Entbehrungen gehören dazu, aber dann kommt der Wohlstand. Zum Weizenbau hat sich längst der Haferbau gesellt, neuerdings in bescheidenem Maßstab auch Gerste, während Roggen wenig kultiviert wird und Mais gar nicht fortkommt. Ein wichtiges Interesse haben die Ansiedler an Baumpflanzungen. Die Prärie ist schlechthin waldlos. Alles Holz muß aus den Waldregionen des Ostens oder des Westens (Britisch-Kolumbiens) herbei¬ geschafft werden, auch der Brennstoff; das ist kostspielig. Die Regierung unter¬ stützt den Trieb des Waldbaus; sie liefert unentgeltlich die jungen Bäumchen derjenigen Arten, die sich am besten akklimatisiert haben. Farmer, die schon einige Jahre alt sind, zeichnen sich dadurch aus, daß sie im Schutze junger Tannen stehen. Eine schwere Schickung ist die häufige Sommerdürre. Während im Winter die kalten Nordoststürme herrschen, wiegen im Sommer die Südwest¬ winde vor, und diese sind, wenn sie ankommen, bereits über den hohen Kamm des Felsengebirges gestrichen, wo sie infolge verringerten Luftdrucks den größten Teil ihrer Feuchtigkeit verloren haben. Daher zeichnet sich der Himmel bei Westwind durch Sonnigkeit aus. Die Saaten sind in vielen Gegenden immer von Dürre bedroht und zuweilen leidet die Ernte schwer darunter, wie in diesem Sommer 1910. Schon spielen die Anlagen künstlicher Bewässerung eine große Rolle. Bewässerbares Land ist bedeutend teurer als anderes. Die staatlichen statistischen Angaben gehen dahin, daß in den drei Provinzen geerntet sind: Weizen 1900 23,4 Millionen Bushel, 1906 81,4 Millionen. Hafer 1900 16.6 Millionen, 1906 68,8 Millionen Bushel. Gerste 1900

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316950/255>, abgerufen am 22.07.2024.