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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr.

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Für das Erbrecht des Reiches

als Erben einzusetzen. Er sagt, man plane die Erbrechtsgrenze hinter den
Geschwisterkindern zu errichten und die entfernteren Seitenverwandten durch die
Reichskasse zu ersetze,:. Das entspricht dein, was auch wir gehört haben. Wir
halten diese Abgrenzung unserseits für vernünftig und geboten." Daß diese
übereinstimmenden Auslassungen der angesehensten Organe der Partei nicht etwa
als unverbindliche Preßäußerungen betrachtet werden können, das wird bestätigt
durch die offizielle Erklärung, die Graf Schwerin-Lowitz drei Wochen nach
Einbringung der Gesetzesvorlage über das Staatserbrecht an verantwortlicher
Stelle, im Reichstag, in feierlicher Form abgegeben hat. Er brachte nämlich
am 26. November 1908 schriftlich formulierte Leitsätze zur Verlesung, nach denen
die Partei im Hause selbst wie in den Kommissionen verfahren werde. Leitsatz 4
spricht aus, Besitz und Einkommen sollten nur in Gestalt erhöhter Matrikular-
beiträge besteuert werden, aber -- "abgesehen von dem Erbrecht des Reiches
und der Wehrsteuer, gegen welche wir dieses grundsätzliche Bedenken nicht
haben". Ebenso erklärte Freiherr v. Richthofen am 20. desselben Monats
die Vorlage ungeachtet gewisser Bedenken für wohl diskutabel. Was
die freikonservative Partei anlangt, so hat sich ihr Führer, Freiherr
v. Gamp, schon in der Sitzung des Reichstages vom 11. Januar 1906 mit
besonderem Nachdruck für die Erbrechtsreform ausgesprochen. Er sehe den
Erbanfall bei Geschwistern und noch mehr bei den weiteren Verwandten gewisser¬
maßen als einen Lotteriegewinn an. "Bei der heutigen Entwickelung des Ver¬
kehrs", fährt er fort, "hat der Bruder, Vetter, Neffe oder ein noch entfernterer
Verwandter eigentlich gar keinen Anspruch ans die Erbschaft des entsprechenden
Verwandten und kann doch eigentlich gar nicht auf diese Erbschaft rechnen. In
der Regel hängt es von ganz zufälligen Momenten ab, ob jemand seinen
Bruder oder Onkel usw. beerbt, z. B. davon, ob der Bruder kinderlos ist. Er
hat aber auch keinen Anspruch darauf von dem Gesichtspunkte aus, weil es
das Vermögen seines Vaters ist, denn er hat seinen Anteil an dem Vermögen
seiner Eltern bekommen. Ich meine, es ist doch eigentlich widersinnig, daß
man weitläufige Verwandte, vielleicht im zehnten, zwanzigsten Grade, erst durch
die Presse suchen muß, und daß man erst feststellen muß, ob diese Leute nicht
etwa einen Tropfen gemeinschaftlichen Blutes mit dem Erblasser in den Adern
haben. Da stehen uns Gemeinde, Staat und Reich viel näher. Ich meine
also, daß man in dieser Beziehung weiter gehen könnte, und hätte auch gar kein
Bedenken, eventuell den Reichsfiskus einzusetzen, um den Verstorbenen zu
beerben." Freiherr v. Gamp ist auch, wie kürzlich erwähnt wurde, der Vater
des trefflichen Gedankens, die Gemeinden an dem Ertrage des Neichserbrechts
zu beteiligen.

Auch die wirtschaftliche Vereinigung hat von vornherein eine dein Reform¬
werk freundliche Haltung eingenommen. Bereits am I.März 1906 richtete der
Abgeordnete v. Damm im Namen seiner Partei unter Bezugnahme aus die
Veröffentlichungen des Verfassers dieser Zeilen eine Jnterpellation an den Staats-


Für das Erbrecht des Reiches

als Erben einzusetzen. Er sagt, man plane die Erbrechtsgrenze hinter den
Geschwisterkindern zu errichten und die entfernteren Seitenverwandten durch die
Reichskasse zu ersetze,:. Das entspricht dein, was auch wir gehört haben. Wir
halten diese Abgrenzung unserseits für vernünftig und geboten." Daß diese
übereinstimmenden Auslassungen der angesehensten Organe der Partei nicht etwa
als unverbindliche Preßäußerungen betrachtet werden können, das wird bestätigt
durch die offizielle Erklärung, die Graf Schwerin-Lowitz drei Wochen nach
Einbringung der Gesetzesvorlage über das Staatserbrecht an verantwortlicher
Stelle, im Reichstag, in feierlicher Form abgegeben hat. Er brachte nämlich
am 26. November 1908 schriftlich formulierte Leitsätze zur Verlesung, nach denen
die Partei im Hause selbst wie in den Kommissionen verfahren werde. Leitsatz 4
spricht aus, Besitz und Einkommen sollten nur in Gestalt erhöhter Matrikular-
beiträge besteuert werden, aber — „abgesehen von dem Erbrecht des Reiches
und der Wehrsteuer, gegen welche wir dieses grundsätzliche Bedenken nicht
haben". Ebenso erklärte Freiherr v. Richthofen am 20. desselben Monats
die Vorlage ungeachtet gewisser Bedenken für wohl diskutabel. Was
die freikonservative Partei anlangt, so hat sich ihr Führer, Freiherr
v. Gamp, schon in der Sitzung des Reichstages vom 11. Januar 1906 mit
besonderem Nachdruck für die Erbrechtsreform ausgesprochen. Er sehe den
Erbanfall bei Geschwistern und noch mehr bei den weiteren Verwandten gewisser¬
maßen als einen Lotteriegewinn an. „Bei der heutigen Entwickelung des Ver¬
kehrs", fährt er fort, „hat der Bruder, Vetter, Neffe oder ein noch entfernterer
Verwandter eigentlich gar keinen Anspruch ans die Erbschaft des entsprechenden
Verwandten und kann doch eigentlich gar nicht auf diese Erbschaft rechnen. In
der Regel hängt es von ganz zufälligen Momenten ab, ob jemand seinen
Bruder oder Onkel usw. beerbt, z. B. davon, ob der Bruder kinderlos ist. Er
hat aber auch keinen Anspruch darauf von dem Gesichtspunkte aus, weil es
das Vermögen seines Vaters ist, denn er hat seinen Anteil an dem Vermögen
seiner Eltern bekommen. Ich meine, es ist doch eigentlich widersinnig, daß
man weitläufige Verwandte, vielleicht im zehnten, zwanzigsten Grade, erst durch
die Presse suchen muß, und daß man erst feststellen muß, ob diese Leute nicht
etwa einen Tropfen gemeinschaftlichen Blutes mit dem Erblasser in den Adern
haben. Da stehen uns Gemeinde, Staat und Reich viel näher. Ich meine
also, daß man in dieser Beziehung weiter gehen könnte, und hätte auch gar kein
Bedenken, eventuell den Reichsfiskus einzusetzen, um den Verstorbenen zu
beerben." Freiherr v. Gamp ist auch, wie kürzlich erwähnt wurde, der Vater
des trefflichen Gedankens, die Gemeinden an dem Ertrage des Neichserbrechts
zu beteiligen.

Auch die wirtschaftliche Vereinigung hat von vornherein eine dein Reform¬
werk freundliche Haltung eingenommen. Bereits am I.März 1906 richtete der
Abgeordnete v. Damm im Namen seiner Partei unter Bezugnahme aus die
Veröffentlichungen des Verfassers dieser Zeilen eine Jnterpellation an den Staats-


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[0215] Für das Erbrecht des Reiches als Erben einzusetzen. Er sagt, man plane die Erbrechtsgrenze hinter den Geschwisterkindern zu errichten und die entfernteren Seitenverwandten durch die Reichskasse zu ersetze,:. Das entspricht dein, was auch wir gehört haben. Wir halten diese Abgrenzung unserseits für vernünftig und geboten." Daß diese übereinstimmenden Auslassungen der angesehensten Organe der Partei nicht etwa als unverbindliche Preßäußerungen betrachtet werden können, das wird bestätigt durch die offizielle Erklärung, die Graf Schwerin-Lowitz drei Wochen nach Einbringung der Gesetzesvorlage über das Staatserbrecht an verantwortlicher Stelle, im Reichstag, in feierlicher Form abgegeben hat. Er brachte nämlich am 26. November 1908 schriftlich formulierte Leitsätze zur Verlesung, nach denen die Partei im Hause selbst wie in den Kommissionen verfahren werde. Leitsatz 4 spricht aus, Besitz und Einkommen sollten nur in Gestalt erhöhter Matrikular- beiträge besteuert werden, aber — „abgesehen von dem Erbrecht des Reiches und der Wehrsteuer, gegen welche wir dieses grundsätzliche Bedenken nicht haben". Ebenso erklärte Freiherr v. Richthofen am 20. desselben Monats die Vorlage ungeachtet gewisser Bedenken für wohl diskutabel. Was die freikonservative Partei anlangt, so hat sich ihr Führer, Freiherr v. Gamp, schon in der Sitzung des Reichstages vom 11. Januar 1906 mit besonderem Nachdruck für die Erbrechtsreform ausgesprochen. Er sehe den Erbanfall bei Geschwistern und noch mehr bei den weiteren Verwandten gewisser¬ maßen als einen Lotteriegewinn an. „Bei der heutigen Entwickelung des Ver¬ kehrs", fährt er fort, „hat der Bruder, Vetter, Neffe oder ein noch entfernterer Verwandter eigentlich gar keinen Anspruch ans die Erbschaft des entsprechenden Verwandten und kann doch eigentlich gar nicht auf diese Erbschaft rechnen. In der Regel hängt es von ganz zufälligen Momenten ab, ob jemand seinen Bruder oder Onkel usw. beerbt, z. B. davon, ob der Bruder kinderlos ist. Er hat aber auch keinen Anspruch darauf von dem Gesichtspunkte aus, weil es das Vermögen seines Vaters ist, denn er hat seinen Anteil an dem Vermögen seiner Eltern bekommen. Ich meine, es ist doch eigentlich widersinnig, daß man weitläufige Verwandte, vielleicht im zehnten, zwanzigsten Grade, erst durch die Presse suchen muß, und daß man erst feststellen muß, ob diese Leute nicht etwa einen Tropfen gemeinschaftlichen Blutes mit dem Erblasser in den Adern haben. Da stehen uns Gemeinde, Staat und Reich viel näher. Ich meine also, daß man in dieser Beziehung weiter gehen könnte, und hätte auch gar kein Bedenken, eventuell den Reichsfiskus einzusetzen, um den Verstorbenen zu beerben." Freiherr v. Gamp ist auch, wie kürzlich erwähnt wurde, der Vater des trefflichen Gedankens, die Gemeinden an dem Ertrage des Neichserbrechts zu beteiligen. Auch die wirtschaftliche Vereinigung hat von vornherein eine dein Reform¬ werk freundliche Haltung eingenommen. Bereits am I.März 1906 richtete der Abgeordnete v. Damm im Namen seiner Partei unter Bezugnahme aus die Veröffentlichungen des Verfassers dieser Zeilen eine Jnterpellation an den Staats-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316950/215>, abgerufen am 22.07.2024.