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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr.

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neben dem französischen Konsulat, das daneben einen geradezu ärmlichen Ein¬
druck macht.

Am imposantesten repräsentiert sich in Larasch die alte Festung, deren
Zinnen noch mit zahlreichen alten Kanonen bestückt sind. Man kann sie allerdings
nur von außen betrachten, da das Betreten verboten ist. Interessant und von
einem gewissen großen Zuge ist auch der mit Säulengängen umsäumte sveto
oder Markt, auf dem jedoch nur Lebensmittel und gewöhnliche Gebrauchsartikel,
die kein besonderes Interesse erwecken, feilgehalten werden, wie überhaupt
Larasch einer besonderen autochthonen Industrie entbehrt. Ebenso vergebens
wird man auch auf der Kasbcch, dem Sitz der Regierung, nach interessanten
und imposanten Baulichkeiten Umschau halten, wenngleich anderseits Marokko
für die moderne Malerei noch immer unentdeckt ist; denn selbst im eigentlichen
Orient wird man nicht so viel verfallene malerische Winkel und architektonische
Details finden wie in marokkanischen Städten. Außerdem aber besitzen viele
dieser nach außen so unscheinbaren Häuser wunderbare Jnnenhöfe, mit dem
spanischen Wort pativ benannt, in denen sich ein großer Teil des arabischen
Lebens abspielt. Diese mit ihren schönen, nach innen gerichteten Fassaden und
Säulengängen versehenen Jnnenhöfe gewähren ebenso wie in Spanien einen
Einblick in eine hochentwickelte Wohnungs- und Jnnenkunst und zeigen, daß
hinter den von außen so verwahrlost aussehenden Mauern sich eine hochentwickelte
Kunst verbirgt.

Wir hielten uns in Larasch auch noch am nächsten Tage auf und passierten
erst nach einem guten warmen Abendbrot im Hotel, der letzten warmen Mahlzeit
für eine Reihe von Tagen, mit Erlaubnis des Paschas nach Sonnenuntergang
das Tor, um in unseren Zelten zu übernachten, da wir am nächsten Morgen
früh aufbrechen wollten. Es war ein unendlich malerischer Fleck Erde, auf dem
die Zelte standen, unter den jahrhundertealten Kanonen der Zitadelle, unmittelbar
am Rande der steil zum Meere abfallenden Küste. In eigentümlich phos¬
phoreszierendem Lichte leuchtete die Brandung durch das Dunkel der Nacht zu
uns herauf, während gleichzeitig das einförmige Rauschen der See an unser
Ohr drang und uns in Schlummer sang. Ganz ungestört sollte dieser allerdings
nicht sein, denn an diesem Abend begann der Ramcmdcm, der arabische Fasten¬
monat, der durch eine von allen Hunden der Stadt wirkungsvoll mit Gebell
begleitete allgemeine Schießerei eingeleitet ward.




Bekanntlich ist die Konzession zur Erbauung eines modernen Hafens in
Larasch noch aus der Zeit des früheren Sultans Abdul Asif einem deutschen
Konsortium übertragen und später mit vieler Mühe von der deutschen Diplomatie
gegen die französischen Monopolbestrebungen aufrecht erhalten worden. In
Deutschland hat man dieser Errungenschaft vielfach mit gemischten Gefühlen
gegenübergestanden. Man hat darauf hingewiesen, daß der Handelsverkehr in


Larasch

neben dem französischen Konsulat, das daneben einen geradezu ärmlichen Ein¬
druck macht.

Am imposantesten repräsentiert sich in Larasch die alte Festung, deren
Zinnen noch mit zahlreichen alten Kanonen bestückt sind. Man kann sie allerdings
nur von außen betrachten, da das Betreten verboten ist. Interessant und von
einem gewissen großen Zuge ist auch der mit Säulengängen umsäumte sveto
oder Markt, auf dem jedoch nur Lebensmittel und gewöhnliche Gebrauchsartikel,
die kein besonderes Interesse erwecken, feilgehalten werden, wie überhaupt
Larasch einer besonderen autochthonen Industrie entbehrt. Ebenso vergebens
wird man auch auf der Kasbcch, dem Sitz der Regierung, nach interessanten
und imposanten Baulichkeiten Umschau halten, wenngleich anderseits Marokko
für die moderne Malerei noch immer unentdeckt ist; denn selbst im eigentlichen
Orient wird man nicht so viel verfallene malerische Winkel und architektonische
Details finden wie in marokkanischen Städten. Außerdem aber besitzen viele
dieser nach außen so unscheinbaren Häuser wunderbare Jnnenhöfe, mit dem
spanischen Wort pativ benannt, in denen sich ein großer Teil des arabischen
Lebens abspielt. Diese mit ihren schönen, nach innen gerichteten Fassaden und
Säulengängen versehenen Jnnenhöfe gewähren ebenso wie in Spanien einen
Einblick in eine hochentwickelte Wohnungs- und Jnnenkunst und zeigen, daß
hinter den von außen so verwahrlost aussehenden Mauern sich eine hochentwickelte
Kunst verbirgt.

Wir hielten uns in Larasch auch noch am nächsten Tage auf und passierten
erst nach einem guten warmen Abendbrot im Hotel, der letzten warmen Mahlzeit
für eine Reihe von Tagen, mit Erlaubnis des Paschas nach Sonnenuntergang
das Tor, um in unseren Zelten zu übernachten, da wir am nächsten Morgen
früh aufbrechen wollten. Es war ein unendlich malerischer Fleck Erde, auf dem
die Zelte standen, unter den jahrhundertealten Kanonen der Zitadelle, unmittelbar
am Rande der steil zum Meere abfallenden Küste. In eigentümlich phos¬
phoreszierendem Lichte leuchtete die Brandung durch das Dunkel der Nacht zu
uns herauf, während gleichzeitig das einförmige Rauschen der See an unser
Ohr drang und uns in Schlummer sang. Ganz ungestört sollte dieser allerdings
nicht sein, denn an diesem Abend begann der Ramcmdcm, der arabische Fasten¬
monat, der durch eine von allen Hunden der Stadt wirkungsvoll mit Gebell
begleitete allgemeine Schießerei eingeleitet ward.




Bekanntlich ist die Konzession zur Erbauung eines modernen Hafens in
Larasch noch aus der Zeit des früheren Sultans Abdul Asif einem deutschen
Konsortium übertragen und später mit vieler Mühe von der deutschen Diplomatie
gegen die französischen Monopolbestrebungen aufrecht erhalten worden. In
Deutschland hat man dieser Errungenschaft vielfach mit gemischten Gefühlen
gegenübergestanden. Man hat darauf hingewiesen, daß der Handelsverkehr in


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[0171] Larasch neben dem französischen Konsulat, das daneben einen geradezu ärmlichen Ein¬ druck macht. Am imposantesten repräsentiert sich in Larasch die alte Festung, deren Zinnen noch mit zahlreichen alten Kanonen bestückt sind. Man kann sie allerdings nur von außen betrachten, da das Betreten verboten ist. Interessant und von einem gewissen großen Zuge ist auch der mit Säulengängen umsäumte sveto oder Markt, auf dem jedoch nur Lebensmittel und gewöhnliche Gebrauchsartikel, die kein besonderes Interesse erwecken, feilgehalten werden, wie überhaupt Larasch einer besonderen autochthonen Industrie entbehrt. Ebenso vergebens wird man auch auf der Kasbcch, dem Sitz der Regierung, nach interessanten und imposanten Baulichkeiten Umschau halten, wenngleich anderseits Marokko für die moderne Malerei noch immer unentdeckt ist; denn selbst im eigentlichen Orient wird man nicht so viel verfallene malerische Winkel und architektonische Details finden wie in marokkanischen Städten. Außerdem aber besitzen viele dieser nach außen so unscheinbaren Häuser wunderbare Jnnenhöfe, mit dem spanischen Wort pativ benannt, in denen sich ein großer Teil des arabischen Lebens abspielt. Diese mit ihren schönen, nach innen gerichteten Fassaden und Säulengängen versehenen Jnnenhöfe gewähren ebenso wie in Spanien einen Einblick in eine hochentwickelte Wohnungs- und Jnnenkunst und zeigen, daß hinter den von außen so verwahrlost aussehenden Mauern sich eine hochentwickelte Kunst verbirgt. Wir hielten uns in Larasch auch noch am nächsten Tage auf und passierten erst nach einem guten warmen Abendbrot im Hotel, der letzten warmen Mahlzeit für eine Reihe von Tagen, mit Erlaubnis des Paschas nach Sonnenuntergang das Tor, um in unseren Zelten zu übernachten, da wir am nächsten Morgen früh aufbrechen wollten. Es war ein unendlich malerischer Fleck Erde, auf dem die Zelte standen, unter den jahrhundertealten Kanonen der Zitadelle, unmittelbar am Rande der steil zum Meere abfallenden Küste. In eigentümlich phos¬ phoreszierendem Lichte leuchtete die Brandung durch das Dunkel der Nacht zu uns herauf, während gleichzeitig das einförmige Rauschen der See an unser Ohr drang und uns in Schlummer sang. Ganz ungestört sollte dieser allerdings nicht sein, denn an diesem Abend begann der Ramcmdcm, der arabische Fasten¬ monat, der durch eine von allen Hunden der Stadt wirkungsvoll mit Gebell begleitete allgemeine Schießerei eingeleitet ward. Bekanntlich ist die Konzession zur Erbauung eines modernen Hafens in Larasch noch aus der Zeit des früheren Sultans Abdul Asif einem deutschen Konsortium übertragen und später mit vieler Mühe von der deutschen Diplomatie gegen die französischen Monopolbestrebungen aufrecht erhalten worden. In Deutschland hat man dieser Errungenschaft vielfach mit gemischten Gefühlen gegenübergestanden. Man hat darauf hingewiesen, daß der Handelsverkehr in

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316950/171>, abgerufen am 22.07.2024.