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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr.

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Payer und Naumann als Historiker

deutschlcmd wie ein Mann hinter Sonnemann und seiner Frankfurterin gestanden
hätte. In Wahrheit aber nahmen doch alle wirklich großen Männer Süd¬
deutschlands eine ganz andere Haltung ein. Die Häußer und Mathy -- um
nur ein paar Badener und zwar echte Badener zu nennen -- waren unzweifelhaft
echtere Repräsentanten einer süddeutschen "älteren Kulturgesinnung" als Sonne¬
mann, der gewiß ein ausgezeichneter Geschäftsmann, aber, wie Naumann selbst
bemerkt, von Haus aus ohne besonders hohe Bildung gewesen und Geschäfts¬
mann lebenslang geblieben ist.

Naumann geht schließlich so weit, Sonnemann als einen besonderen Förderer
des Deutschtums zu feiern. Gegenüber Bismarck, der den Eigentümer der
"Frankfurter Zeitung" einen Agenten des Auslandes genannt hat, bezeichnet er
ihn als als einen "Agenten des Deutschtums in allen Ländern". Die "Frank¬
furter Zeitung" habe "die große Macht, die sie innerhalb der internationalen
Presse besitzt, immer zur Stärkung des deutschen Einflusses angewendet". Gewiß
hatte Bismarck formell mit seiner Anschuldigung unrecht: bestellte oder gar
bezahlte Arbeit für das Ausland hat die "Frankfurter Zeitung" nie geliefert.
Allein materiell darf man Bismarck nicht ganz widersprechen. Denn durch die
Zerrbilder, die jene Zeitung von den deutschen Verhältnissen lieferte, hat sie
wahrlich nicht zur Erhöhung des deutschen Ansehens im Auslande beigetragen,
und einen bemerkenswerten Eifer, für die deutschen Interessen energisch ein¬
zutreten, hat sie auch nicht gerade bekundet. Noch vor gar nicht langer Zeit
hat ein Mitarbeiter der "sozialistischen Monatshefte" sich über die Ängstlichkeit,
die die deutsche bürgerliche Demokratie gegenüber dem Ausland zeige, lustig
gemacht. Und dabei steht es doch heute hiermit erheblich günstiger als in der
Zeit, die Naumann im Auge hat. Wie weit aber dieser in seiner Apotheose
Sonnemanns geht, dafür mag noch ein niedlicher Satz zum Beweis dienen.
"Auch in den Zeitläuften, wo die demokratische Partei klein und gering war . . .,
besaß sie die stärkste Stimme gegenüber dem Auslande, weil Sonnemann zu ihr
gehörte." Sonnemann muß hiernach ein Staatsmann von einer Macht und
einem Einfluß gewesen sein, wie er selbst es gewiß am wenigsten geahnt hat.
Oder sollte die Lösung des Rätsels in der von Bismarck angedeuteten Richtung
liegen, daß nämlich Sonnemann vom Ausland als Bundesgenosse geschätzt wurde?

Im vorstehenden haben wir einige Proben der Geschichtskonstruktion gegeben,
die Naumann in seinem Aufsatz vornimmt. Seine Sätze sämtlich einzeln zu
zergliedern, würde zu viel Raum und Zeit kosten. Schon das Erwähnte aber
wird als Beleg dafür dienen, daß Anschauungen, die auf solchen Konstruktionen
B, ruhen, nicht haltbar fein können.




Payer und Naumann als Historiker

deutschlcmd wie ein Mann hinter Sonnemann und seiner Frankfurterin gestanden
hätte. In Wahrheit aber nahmen doch alle wirklich großen Männer Süd¬
deutschlands eine ganz andere Haltung ein. Die Häußer und Mathy — um
nur ein paar Badener und zwar echte Badener zu nennen — waren unzweifelhaft
echtere Repräsentanten einer süddeutschen „älteren Kulturgesinnung" als Sonne¬
mann, der gewiß ein ausgezeichneter Geschäftsmann, aber, wie Naumann selbst
bemerkt, von Haus aus ohne besonders hohe Bildung gewesen und Geschäfts¬
mann lebenslang geblieben ist.

Naumann geht schließlich so weit, Sonnemann als einen besonderen Förderer
des Deutschtums zu feiern. Gegenüber Bismarck, der den Eigentümer der
„Frankfurter Zeitung" einen Agenten des Auslandes genannt hat, bezeichnet er
ihn als als einen „Agenten des Deutschtums in allen Ländern". Die „Frank¬
furter Zeitung" habe „die große Macht, die sie innerhalb der internationalen
Presse besitzt, immer zur Stärkung des deutschen Einflusses angewendet". Gewiß
hatte Bismarck formell mit seiner Anschuldigung unrecht: bestellte oder gar
bezahlte Arbeit für das Ausland hat die „Frankfurter Zeitung" nie geliefert.
Allein materiell darf man Bismarck nicht ganz widersprechen. Denn durch die
Zerrbilder, die jene Zeitung von den deutschen Verhältnissen lieferte, hat sie
wahrlich nicht zur Erhöhung des deutschen Ansehens im Auslande beigetragen,
und einen bemerkenswerten Eifer, für die deutschen Interessen energisch ein¬
zutreten, hat sie auch nicht gerade bekundet. Noch vor gar nicht langer Zeit
hat ein Mitarbeiter der „sozialistischen Monatshefte" sich über die Ängstlichkeit,
die die deutsche bürgerliche Demokratie gegenüber dem Ausland zeige, lustig
gemacht. Und dabei steht es doch heute hiermit erheblich günstiger als in der
Zeit, die Naumann im Auge hat. Wie weit aber dieser in seiner Apotheose
Sonnemanns geht, dafür mag noch ein niedlicher Satz zum Beweis dienen.
„Auch in den Zeitläuften, wo die demokratische Partei klein und gering war . . .,
besaß sie die stärkste Stimme gegenüber dem Auslande, weil Sonnemann zu ihr
gehörte." Sonnemann muß hiernach ein Staatsmann von einer Macht und
einem Einfluß gewesen sein, wie er selbst es gewiß am wenigsten geahnt hat.
Oder sollte die Lösung des Rätsels in der von Bismarck angedeuteten Richtung
liegen, daß nämlich Sonnemann vom Ausland als Bundesgenosse geschätzt wurde?

Im vorstehenden haben wir einige Proben der Geschichtskonstruktion gegeben,
die Naumann in seinem Aufsatz vornimmt. Seine Sätze sämtlich einzeln zu
zergliedern, würde zu viel Raum und Zeit kosten. Schon das Erwähnte aber
wird als Beleg dafür dienen, daß Anschauungen, die auf solchen Konstruktionen
B, ruhen, nicht haltbar fein können.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316288/76>, abgerufen am 23.07.2024.