Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr.payer und Naumann als Historiker durch sein Auftreten bei den Verhandlungen über das Vereinsgesetz hat er seinem Payer hebt hervor, die Gegensätze zwischen Nord- und Süddeutschland seien Bemerkenswert ist es ferner, daß Payer, indem er weiter süddeutsche Urteile payer und Naumann als Historiker durch sein Auftreten bei den Verhandlungen über das Vereinsgesetz hat er seinem Payer hebt hervor, die Gegensätze zwischen Nord- und Süddeutschland seien Bemerkenswert ist es ferner, daß Payer, indem er weiter süddeutsche Urteile <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0070" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/316359"/> <fw type="header" place="top"> payer und Naumann als Historiker</fw><lb/> <p xml:id="ID_219" prev="#ID_218"> durch sein Auftreten bei den Verhandlungen über das Vereinsgesetz hat er seinem<lb/> Namen einen Platz in der Geschichte des Reichstags gesichert.</p><lb/> <p xml:id="ID_220"> Payer hebt hervor, die Gegensätze zwischen Nord- und Süddeutschland seien<lb/> vor vierzig, fünfzig Jahren „in einer ganz anderen Schroffheit zutage getreten,<lb/> als sie sich heutzutage der verstockteste bayrische Partikularist vorstellt". „Die<lb/> sich für rein deutsch anhebenden Stämme Süddeutschlands blickten stolz auf ihre<lb/> Bedeutung in früheren Jahrhunderten, auf das erst allmählich herangewachsene<lb/> Preußen herab; die in den Verhältnissen wohlbegründete Sparsamkeit des<lb/> Staates Preußen und seiner Bewohner galt allgemein als Hungerleiderei."<lb/> Man beachte die Urteile, die Payer hier nebenbei einfließen läßt, wie er z. B. den<lb/> süddeutschen Stämmen Bedeutung „in früheren Jahrhunderten" beimißt. Wenn<lb/> er dann fortfährt: „Die Angehörigen des preußischen Staates, ihrer Verdienste<lb/> um die neuere Entwicklung sich wohlbewußt..., zollten dem sogenannten<lb/> Phäakenleben der bequemeren und behaglicheren Süddeutschen unverhohlen ihre<lb/> Mißachtung", so hat sich ja in der Tat mancher Preuße — wir erinnern an<lb/> Immermann — so geäußert. Überwiegend aber geschah es nur, wenn der<lb/> Preuße (wie auch eben Immermann) nach Süddeutschland kam und hier das<lb/> Mißverhältnis zwischen gewaltigem Selbstbewußtsein und bescheideneren Leistungen<lb/> im politischen Leben beobachtete. Überwiegend widmeten die Norddeutschen den<lb/> Süddeutschen liebevolles Interesse und freuten sich an ihrer Eigenart. Vor allem<lb/> die „Kleindeutschen", die von Papers Partei so sehr gehaßt wurden, wußten<lb/> gar nichts von „Mißachtung" für Süddeutschland, sondern kannten keinen sehn¬<lb/> licheren Wunsch als den der innigen Vereinigung der Nord- und Süddeutschen,<lb/> während Papers Gesinnungsgenossen mit nicht geringerem Eifer als die Ultra¬<lb/> montanen die Preußen von sich fernzuhalten suchten.</p><lb/> <p xml:id="ID_221" next="#ID_222"> Bemerkenswert ist es ferner, daß Payer, indem er weiter süddeutsche Urteile<lb/> über die preußische Politik aufzählt, zu verstehen gibt, das sei nur die „süd¬<lb/> deutsche Auffassung" gewesen. Beachtenswert sind ebenso folgende Geständnisse:<lb/> „Die Süddeutschen haben die Vorliebe für militärische Machtentfaltung, soweit<lb/> sie ihnen jetzt eigen ist, erst in den letzten Jahrzehnten erworben. Zur Zeit des<lb/> Deutschen Bundes waren ihnen schon die damaligen, nach jetzigen Begriffen<lb/> mehr als bescheidenen militärischen Anforderungen zu hoch." Eine Ausstellung<lb/> haben wir an diesen Sätzen nur insoweit anzubringen, als Payer hier seine<lb/> Parteigenossen mit den Süddeutschen schlechthin gleichsetzt. Die „Deutsche<lb/> Partei" in Württemberg hatte schon viel früher Sinn für „militärische<lb/> Machtentfaltung" bekundet. Im übrigen verschleiert Payer keineswegs den<lb/> hiermit angedeuteten Gegensatz, und so hat er denn auch den Mut, offen zu<lb/> gestehen, was heute gewissen vorgeschrittenen Liberalen zu hören unlieb ist:<lb/> „Die deutsche Volkspartei wurde ausdrücklich zur Bekämpfung des National¬<lb/> vereins gegründet." Die Volksparteiler waren eben echte Partikularisten, dazu<lb/> von einer durch keine Sachkenntnis getrübten Vorliebe für Österreich und von<lb/> einem gleichwertigen Haß gegen Preußen erfüllt. Amüsant ist bei der Vorliebe</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0070]
payer und Naumann als Historiker
durch sein Auftreten bei den Verhandlungen über das Vereinsgesetz hat er seinem
Namen einen Platz in der Geschichte des Reichstags gesichert.
Payer hebt hervor, die Gegensätze zwischen Nord- und Süddeutschland seien
vor vierzig, fünfzig Jahren „in einer ganz anderen Schroffheit zutage getreten,
als sie sich heutzutage der verstockteste bayrische Partikularist vorstellt". „Die
sich für rein deutsch anhebenden Stämme Süddeutschlands blickten stolz auf ihre
Bedeutung in früheren Jahrhunderten, auf das erst allmählich herangewachsene
Preußen herab; die in den Verhältnissen wohlbegründete Sparsamkeit des
Staates Preußen und seiner Bewohner galt allgemein als Hungerleiderei."
Man beachte die Urteile, die Payer hier nebenbei einfließen läßt, wie er z. B. den
süddeutschen Stämmen Bedeutung „in früheren Jahrhunderten" beimißt. Wenn
er dann fortfährt: „Die Angehörigen des preußischen Staates, ihrer Verdienste
um die neuere Entwicklung sich wohlbewußt..., zollten dem sogenannten
Phäakenleben der bequemeren und behaglicheren Süddeutschen unverhohlen ihre
Mißachtung", so hat sich ja in der Tat mancher Preuße — wir erinnern an
Immermann — so geäußert. Überwiegend aber geschah es nur, wenn der
Preuße (wie auch eben Immermann) nach Süddeutschland kam und hier das
Mißverhältnis zwischen gewaltigem Selbstbewußtsein und bescheideneren Leistungen
im politischen Leben beobachtete. Überwiegend widmeten die Norddeutschen den
Süddeutschen liebevolles Interesse und freuten sich an ihrer Eigenart. Vor allem
die „Kleindeutschen", die von Papers Partei so sehr gehaßt wurden, wußten
gar nichts von „Mißachtung" für Süddeutschland, sondern kannten keinen sehn¬
licheren Wunsch als den der innigen Vereinigung der Nord- und Süddeutschen,
während Papers Gesinnungsgenossen mit nicht geringerem Eifer als die Ultra¬
montanen die Preußen von sich fernzuhalten suchten.
Bemerkenswert ist es ferner, daß Payer, indem er weiter süddeutsche Urteile
über die preußische Politik aufzählt, zu verstehen gibt, das sei nur die „süd¬
deutsche Auffassung" gewesen. Beachtenswert sind ebenso folgende Geständnisse:
„Die Süddeutschen haben die Vorliebe für militärische Machtentfaltung, soweit
sie ihnen jetzt eigen ist, erst in den letzten Jahrzehnten erworben. Zur Zeit des
Deutschen Bundes waren ihnen schon die damaligen, nach jetzigen Begriffen
mehr als bescheidenen militärischen Anforderungen zu hoch." Eine Ausstellung
haben wir an diesen Sätzen nur insoweit anzubringen, als Payer hier seine
Parteigenossen mit den Süddeutschen schlechthin gleichsetzt. Die „Deutsche
Partei" in Württemberg hatte schon viel früher Sinn für „militärische
Machtentfaltung" bekundet. Im übrigen verschleiert Payer keineswegs den
hiermit angedeuteten Gegensatz, und so hat er denn auch den Mut, offen zu
gestehen, was heute gewissen vorgeschrittenen Liberalen zu hören unlieb ist:
„Die deutsche Volkspartei wurde ausdrücklich zur Bekämpfung des National¬
vereins gegründet." Die Volksparteiler waren eben echte Partikularisten, dazu
von einer durch keine Sachkenntnis getrübten Vorliebe für Österreich und von
einem gleichwertigen Haß gegen Preußen erfüllt. Amüsant ist bei der Vorliebe
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |