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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

und Landräte teilnehmen würden, weil sie alle ein und dasselbe Interesse an der
Jugend haben, müßte sich auch eine Basis für die politische Annäherung finden,
um so mehr als grade die Sorge um die Jugend die besten konservativen Unter¬
töne zur Geltung bringen kann, die in jedem Deutschen stecken, möge er im übrigen
bei den Wahlen seine Stimme Herrn Örtel, Naumann oder Bebel geben. Ist es
aber erst einmal gelungen, die evangelischen und katholischen Väter von Stadt und
Land zu einer gemeinsamen Arbeit zusammen zu bringen, dann findet sich das Übrige
von selber.

Die Erkenntnis der sozialdemokratischen Gefahr hindert uns acht, die Stellung
des Hansabundes gegenüber der sozialdemokratischen Partei als notwendig und
für die Allgemeinheit als nützlich anzuerkennen. Die Aufgabe des Hansabuudes
war es zunächst, das aus sehr heterogenen Elementen zusammengesetzte Bürgertum
Sum Bewußtsein seiner gemeinsamen Interessen zu erwecken. Die Aufgabe gestellt
hat ihm der Bund der Landwirte. Diesen wegen seiner Anmaßungen zu
bekämpfen war und ist eine Existenzfrage nicht nur für das gewerbliche Bürgertum,
sondern auch für alle sogenannten intelligenten Berufe -- für die Staats- und
Privatbeamten, für Universitäts- und Volksschullehrer, für Arzte. Anwälte und
Heilgehilfen und damit für die Nation. Wir stimmen dem Schutz der
nationalen Produktion ausdrücklich zu, aber wir wollen, daß der Schutz
der ganzen Nation zugute kommt und nicht nur 28 Prozent von ihr. So denkt
auch die Leitung des Hansabundes, die infolgedessen nicht nur die wirtschaftlichen
Interessen des Kaufmannsstandes vertritt, sondern indirekt die von 72 Prozent
der Bevölkerung Deutschlands. Das ist auch der einzige Grund, warum die
"Grenzboten" seinerzeit die Gründung des Hansabundes so freudig begrüßt
haben. Dabei sind uns die Schwächen der Organisation und uuter gewissen
Voraussetzungen (s. Ur. 27 vom 1. Juli 1909, S. 2 ff.) auch ihre Gefahren für
das Land nicht verborgen. Wir bedauern vor allen Dingen, daß die Wahl eines
der Hauptredner des Bundes nicht glücklicher war; an die Spitze solcher Organisation
gehören Männer, die sich ein solches Gegengewicht gegen die Stimmungen in
Versammlungen angeeignet haben, daß sie nicht bei jeder Gelegenheit zu entgleisen
brauchen und dadurch bei Kreisen Anstoß erregen, die dem Hansabunde viel
wichtigere Bundesgenossen sind als einige Krämer, die sich über die Gründung
von Konsumvereinen beschweren. Es ist wohl auch der Tätigkeit solcher Männer
Anzuschreiben, wenn der "Kladderadatsch" dichten kann:

Der hierin zum Ausdruck kommenden Auffassung begegnet mau infolge der
agrarischen Agitation öfter und es scheint uns nicht nur im Interesse des Hansa¬
bundes, sondern im Interesse der weiteren politischen Entwicklung zu liegen, wenn
die Ursachen dazu möglichst bald beseitigt würden.




Maßgebliches und Unmaßgebliches

und Landräte teilnehmen würden, weil sie alle ein und dasselbe Interesse an der
Jugend haben, müßte sich auch eine Basis für die politische Annäherung finden,
um so mehr als grade die Sorge um die Jugend die besten konservativen Unter¬
töne zur Geltung bringen kann, die in jedem Deutschen stecken, möge er im übrigen
bei den Wahlen seine Stimme Herrn Örtel, Naumann oder Bebel geben. Ist es
aber erst einmal gelungen, die evangelischen und katholischen Väter von Stadt und
Land zu einer gemeinsamen Arbeit zusammen zu bringen, dann findet sich das Übrige
von selber.

Die Erkenntnis der sozialdemokratischen Gefahr hindert uns acht, die Stellung
des Hansabundes gegenüber der sozialdemokratischen Partei als notwendig und
für die Allgemeinheit als nützlich anzuerkennen. Die Aufgabe des Hansabuudes
war es zunächst, das aus sehr heterogenen Elementen zusammengesetzte Bürgertum
Sum Bewußtsein seiner gemeinsamen Interessen zu erwecken. Die Aufgabe gestellt
hat ihm der Bund der Landwirte. Diesen wegen seiner Anmaßungen zu
bekämpfen war und ist eine Existenzfrage nicht nur für das gewerbliche Bürgertum,
sondern auch für alle sogenannten intelligenten Berufe — für die Staats- und
Privatbeamten, für Universitäts- und Volksschullehrer, für Arzte. Anwälte und
Heilgehilfen und damit für die Nation. Wir stimmen dem Schutz der
nationalen Produktion ausdrücklich zu, aber wir wollen, daß der Schutz
der ganzen Nation zugute kommt und nicht nur 28 Prozent von ihr. So denkt
auch die Leitung des Hansabundes, die infolgedessen nicht nur die wirtschaftlichen
Interessen des Kaufmannsstandes vertritt, sondern indirekt die von 72 Prozent
der Bevölkerung Deutschlands. Das ist auch der einzige Grund, warum die
»Grenzboten" seinerzeit die Gründung des Hansabundes so freudig begrüßt
haben. Dabei sind uns die Schwächen der Organisation und uuter gewissen
Voraussetzungen (s. Ur. 27 vom 1. Juli 1909, S. 2 ff.) auch ihre Gefahren für
das Land nicht verborgen. Wir bedauern vor allen Dingen, daß die Wahl eines
der Hauptredner des Bundes nicht glücklicher war; an die Spitze solcher Organisation
gehören Männer, die sich ein solches Gegengewicht gegen die Stimmungen in
Versammlungen angeeignet haben, daß sie nicht bei jeder Gelegenheit zu entgleisen
brauchen und dadurch bei Kreisen Anstoß erregen, die dem Hansabunde viel
wichtigere Bundesgenossen sind als einige Krämer, die sich über die Gründung
von Konsumvereinen beschweren. Es ist wohl auch der Tätigkeit solcher Männer
Anzuschreiben, wenn der „Kladderadatsch" dichten kann:

Der hierin zum Ausdruck kommenden Auffassung begegnet mau infolge der
agrarischen Agitation öfter und es scheint uns nicht nur im Interesse des Hansa¬
bundes, sondern im Interesse der weiteren politischen Entwicklung zu liegen, wenn
die Ursachen dazu möglichst bald beseitigt würden.




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[0561] Maßgebliches und Unmaßgebliches und Landräte teilnehmen würden, weil sie alle ein und dasselbe Interesse an der Jugend haben, müßte sich auch eine Basis für die politische Annäherung finden, um so mehr als grade die Sorge um die Jugend die besten konservativen Unter¬ töne zur Geltung bringen kann, die in jedem Deutschen stecken, möge er im übrigen bei den Wahlen seine Stimme Herrn Örtel, Naumann oder Bebel geben. Ist es aber erst einmal gelungen, die evangelischen und katholischen Väter von Stadt und Land zu einer gemeinsamen Arbeit zusammen zu bringen, dann findet sich das Übrige von selber. Die Erkenntnis der sozialdemokratischen Gefahr hindert uns acht, die Stellung des Hansabundes gegenüber der sozialdemokratischen Partei als notwendig und für die Allgemeinheit als nützlich anzuerkennen. Die Aufgabe des Hansabuudes war es zunächst, das aus sehr heterogenen Elementen zusammengesetzte Bürgertum Sum Bewußtsein seiner gemeinsamen Interessen zu erwecken. Die Aufgabe gestellt hat ihm der Bund der Landwirte. Diesen wegen seiner Anmaßungen zu bekämpfen war und ist eine Existenzfrage nicht nur für das gewerbliche Bürgertum, sondern auch für alle sogenannten intelligenten Berufe — für die Staats- und Privatbeamten, für Universitäts- und Volksschullehrer, für Arzte. Anwälte und Heilgehilfen und damit für die Nation. Wir stimmen dem Schutz der nationalen Produktion ausdrücklich zu, aber wir wollen, daß der Schutz der ganzen Nation zugute kommt und nicht nur 28 Prozent von ihr. So denkt auch die Leitung des Hansabundes, die infolgedessen nicht nur die wirtschaftlichen Interessen des Kaufmannsstandes vertritt, sondern indirekt die von 72 Prozent der Bevölkerung Deutschlands. Das ist auch der einzige Grund, warum die »Grenzboten" seinerzeit die Gründung des Hansabundes so freudig begrüßt haben. Dabei sind uns die Schwächen der Organisation und uuter gewissen Voraussetzungen (s. Ur. 27 vom 1. Juli 1909, S. 2 ff.) auch ihre Gefahren für das Land nicht verborgen. Wir bedauern vor allen Dingen, daß die Wahl eines der Hauptredner des Bundes nicht glücklicher war; an die Spitze solcher Organisation gehören Männer, die sich ein solches Gegengewicht gegen die Stimmungen in Versammlungen angeeignet haben, daß sie nicht bei jeder Gelegenheit zu entgleisen brauchen und dadurch bei Kreisen Anstoß erregen, die dem Hansabunde viel wichtigere Bundesgenossen sind als einige Krämer, die sich über die Gründung von Konsumvereinen beschweren. Es ist wohl auch der Tätigkeit solcher Männer Anzuschreiben, wenn der „Kladderadatsch" dichten kann: Der hierin zum Ausdruck kommenden Auffassung begegnet mau infolge der agrarischen Agitation öfter und es scheint uns nicht nur im Interesse des Hansa¬ bundes, sondern im Interesse der weiteren politischen Entwicklung zu liegen, wenn die Ursachen dazu möglichst bald beseitigt würden.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316288/561>, abgerufen am 01.07.2024.