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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr.

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Ist die Anstellung von Rcichsxostbcamtcn noch zeitgemäß?

auch das Gebiet des Herzogtums Sachsen-Altenburg gehört, neben den sächsischen
und preußischen auch Kaiserliche Betriebsbcamte gibt; daß die Angehörigen des
Großherzogtums Oldenburg als Post- und Telegraphenbeamte königlich preußisch
oder kaiserlich deutsch sind, je nachdem ihnen ein Amt in: Fürstentum Birkenfeld
oder in den übrigen Teilen ihres engeren Vaterlandes übertragen ist, und daß
selbst für Bundesstaaten, in deren Gebiet gar kein selbständiges Telegraphenamt
besteht, wie Sachsen-Koburg-Gotha und Sachsen-Meiningen, die Telegraphen-
beamten im Namen des Kaisers ernannt werden und Königlich Preußischen
Amtsvorstehern unterstellt sind. Aber damit nicht genug -- die Neichspost-
verivaltung ist, um die Verfassung und die besonderen Verträge zu erfüllen,
genötigt, die bei ihrer erstmaligen Einstellung bereits vereidigten Beamten
wiederum vereidigen zu lassen, wenn sie nach einem Bundesstaat versetzt werden,
für dessen Gebiet das Anstellnngsrecht in anderen Händen ruht als an ihrem
bisherigen Amtssitze, oder wenn Beamte, die bislang nicht ans den Kaiser
vereidigt waren, in eine der oberen Stellungen einrücken, deren Inhaber nach
Artikel 50 der Reichsverfassung sämtlich vom Kaiser angestellt und auf ihn
vereidigt werden. Es muß also ein Beamter, der zwanzig Jahre lang in Baden
beschäftigt war und getreu seinem Diensteid auf den Großherzog von Baden
auch den Anordnungen des Kaisers Folge geleistet hat, bei einer Versetzung
nach dem Elsaß abermals vereidigt werden, und zwar auf den Kaiser; ein
Beamter der höheren Laufbahn, der vorher auf die Könige von Preußen und
Sachsen vereidigt war, muß bei der Beförderung zum Oberpostinspektor von
neuem einen Eid leisten, diesmal dem Kaiser, selbst wenn er in Baden oder
Braunschweig sein neues Amt erhält. Diese Beispiele lassen sich beliebig ver¬
mehren, die angeführten genügen aber, um darzutun, daß auf diesem Gebiet
des Verivaltungsrechts alten Verträgen zuliebe noch eine Bnntscheckigkeit herrscht,
die der damit verbundenen Schreiberei und sonstigen Weiterungen nicht wert
und deshalb zur Beseitigung reif ist.

Mit dieser Beseitigung würden auch einige Fragen ihre Erledigung finden,
die bisher in der Theorie mehr erörtert wurden, als ihrer Bedeutung für die
Praxis zukam. In der Hauptsache handelt es sich um folgendes.

Nach § 9 des Gesetzes vom 1. Juni 1870 über die Erwerbung und
den Verlust der Reichs- und Staatsangehörigkeit vertritt eine von der Regierung
eines Bundesstaats vollzogene oder bestätigte Bestallung fiir einen in den
unmittelbaren oder mittelbaren Staatsdienst aufgenommenen Angehörigen eines
anderen Bundesstaats die Stelle der Aufnahmeurkunde, sofern nicht ein ent¬
gegenstehender Vorbehalt in der Bestallung ausgedrückt wird. Unter dem Wort
Bestallung wird jede Anstellungsurkunde verstanden, gleichviel ob die Anstellung
dauernd oder auf Widerruf und Kündigung erfolgt und ob sie mit Gehalt
verbunden ist oder nicht, jedoch muß die Anstellung auf schriftlichen Wege
erfolgen. Während ein im Namen des Kaisers angestellter Beamter durch seine
Bestallung nicht in den Bundesstaat aufgenommen wird, in dem sein Amtsort


Ist die Anstellung von Rcichsxostbcamtcn noch zeitgemäß?

auch das Gebiet des Herzogtums Sachsen-Altenburg gehört, neben den sächsischen
und preußischen auch Kaiserliche Betriebsbcamte gibt; daß die Angehörigen des
Großherzogtums Oldenburg als Post- und Telegraphenbeamte königlich preußisch
oder kaiserlich deutsch sind, je nachdem ihnen ein Amt in: Fürstentum Birkenfeld
oder in den übrigen Teilen ihres engeren Vaterlandes übertragen ist, und daß
selbst für Bundesstaaten, in deren Gebiet gar kein selbständiges Telegraphenamt
besteht, wie Sachsen-Koburg-Gotha und Sachsen-Meiningen, die Telegraphen-
beamten im Namen des Kaisers ernannt werden und Königlich Preußischen
Amtsvorstehern unterstellt sind. Aber damit nicht genug — die Neichspost-
verivaltung ist, um die Verfassung und die besonderen Verträge zu erfüllen,
genötigt, die bei ihrer erstmaligen Einstellung bereits vereidigten Beamten
wiederum vereidigen zu lassen, wenn sie nach einem Bundesstaat versetzt werden,
für dessen Gebiet das Anstellnngsrecht in anderen Händen ruht als an ihrem
bisherigen Amtssitze, oder wenn Beamte, die bislang nicht ans den Kaiser
vereidigt waren, in eine der oberen Stellungen einrücken, deren Inhaber nach
Artikel 50 der Reichsverfassung sämtlich vom Kaiser angestellt und auf ihn
vereidigt werden. Es muß also ein Beamter, der zwanzig Jahre lang in Baden
beschäftigt war und getreu seinem Diensteid auf den Großherzog von Baden
auch den Anordnungen des Kaisers Folge geleistet hat, bei einer Versetzung
nach dem Elsaß abermals vereidigt werden, und zwar auf den Kaiser; ein
Beamter der höheren Laufbahn, der vorher auf die Könige von Preußen und
Sachsen vereidigt war, muß bei der Beförderung zum Oberpostinspektor von
neuem einen Eid leisten, diesmal dem Kaiser, selbst wenn er in Baden oder
Braunschweig sein neues Amt erhält. Diese Beispiele lassen sich beliebig ver¬
mehren, die angeführten genügen aber, um darzutun, daß auf diesem Gebiet
des Verivaltungsrechts alten Verträgen zuliebe noch eine Bnntscheckigkeit herrscht,
die der damit verbundenen Schreiberei und sonstigen Weiterungen nicht wert
und deshalb zur Beseitigung reif ist.

Mit dieser Beseitigung würden auch einige Fragen ihre Erledigung finden,
die bisher in der Theorie mehr erörtert wurden, als ihrer Bedeutung für die
Praxis zukam. In der Hauptsache handelt es sich um folgendes.

Nach § 9 des Gesetzes vom 1. Juni 1870 über die Erwerbung und
den Verlust der Reichs- und Staatsangehörigkeit vertritt eine von der Regierung
eines Bundesstaats vollzogene oder bestätigte Bestallung fiir einen in den
unmittelbaren oder mittelbaren Staatsdienst aufgenommenen Angehörigen eines
anderen Bundesstaats die Stelle der Aufnahmeurkunde, sofern nicht ein ent¬
gegenstehender Vorbehalt in der Bestallung ausgedrückt wird. Unter dem Wort
Bestallung wird jede Anstellungsurkunde verstanden, gleichviel ob die Anstellung
dauernd oder auf Widerruf und Kündigung erfolgt und ob sie mit Gehalt
verbunden ist oder nicht, jedoch muß die Anstellung auf schriftlichen Wege
erfolgen. Während ein im Namen des Kaisers angestellter Beamter durch seine
Bestallung nicht in den Bundesstaat aufgenommen wird, in dem sein Amtsort


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[0442] Ist die Anstellung von Rcichsxostbcamtcn noch zeitgemäß? auch das Gebiet des Herzogtums Sachsen-Altenburg gehört, neben den sächsischen und preußischen auch Kaiserliche Betriebsbcamte gibt; daß die Angehörigen des Großherzogtums Oldenburg als Post- und Telegraphenbeamte königlich preußisch oder kaiserlich deutsch sind, je nachdem ihnen ein Amt in: Fürstentum Birkenfeld oder in den übrigen Teilen ihres engeren Vaterlandes übertragen ist, und daß selbst für Bundesstaaten, in deren Gebiet gar kein selbständiges Telegraphenamt besteht, wie Sachsen-Koburg-Gotha und Sachsen-Meiningen, die Telegraphen- beamten im Namen des Kaisers ernannt werden und Königlich Preußischen Amtsvorstehern unterstellt sind. Aber damit nicht genug — die Neichspost- verivaltung ist, um die Verfassung und die besonderen Verträge zu erfüllen, genötigt, die bei ihrer erstmaligen Einstellung bereits vereidigten Beamten wiederum vereidigen zu lassen, wenn sie nach einem Bundesstaat versetzt werden, für dessen Gebiet das Anstellnngsrecht in anderen Händen ruht als an ihrem bisherigen Amtssitze, oder wenn Beamte, die bislang nicht ans den Kaiser vereidigt waren, in eine der oberen Stellungen einrücken, deren Inhaber nach Artikel 50 der Reichsverfassung sämtlich vom Kaiser angestellt und auf ihn vereidigt werden. Es muß also ein Beamter, der zwanzig Jahre lang in Baden beschäftigt war und getreu seinem Diensteid auf den Großherzog von Baden auch den Anordnungen des Kaisers Folge geleistet hat, bei einer Versetzung nach dem Elsaß abermals vereidigt werden, und zwar auf den Kaiser; ein Beamter der höheren Laufbahn, der vorher auf die Könige von Preußen und Sachsen vereidigt war, muß bei der Beförderung zum Oberpostinspektor von neuem einen Eid leisten, diesmal dem Kaiser, selbst wenn er in Baden oder Braunschweig sein neues Amt erhält. Diese Beispiele lassen sich beliebig ver¬ mehren, die angeführten genügen aber, um darzutun, daß auf diesem Gebiet des Verivaltungsrechts alten Verträgen zuliebe noch eine Bnntscheckigkeit herrscht, die der damit verbundenen Schreiberei und sonstigen Weiterungen nicht wert und deshalb zur Beseitigung reif ist. Mit dieser Beseitigung würden auch einige Fragen ihre Erledigung finden, die bisher in der Theorie mehr erörtert wurden, als ihrer Bedeutung für die Praxis zukam. In der Hauptsache handelt es sich um folgendes. Nach § 9 des Gesetzes vom 1. Juni 1870 über die Erwerbung und den Verlust der Reichs- und Staatsangehörigkeit vertritt eine von der Regierung eines Bundesstaats vollzogene oder bestätigte Bestallung fiir einen in den unmittelbaren oder mittelbaren Staatsdienst aufgenommenen Angehörigen eines anderen Bundesstaats die Stelle der Aufnahmeurkunde, sofern nicht ein ent¬ gegenstehender Vorbehalt in der Bestallung ausgedrückt wird. Unter dem Wort Bestallung wird jede Anstellungsurkunde verstanden, gleichviel ob die Anstellung dauernd oder auf Widerruf und Kündigung erfolgt und ob sie mit Gehalt verbunden ist oder nicht, jedoch muß die Anstellung auf schriftlichen Wege erfolgen. Während ein im Namen des Kaisers angestellter Beamter durch seine Bestallung nicht in den Bundesstaat aufgenommen wird, in dem sein Amtsort

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316288/442>, abgerufen am 23.07.2024.