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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr.

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Das neue Versicherungsrecht

Es gehört danach zum Betriebe des Versicherungsgeschäfts die staatliche Erlaubnis,
die nur erteilt wird, wenn ein sachgemäßer Geschäftsbetrieb gesichert erscheint;
sie wird versagt, wenn nach dem Geschäftsplan die Interessen der Versicherten
nicht hinreichend gewahrt sind oder wenn die dauernde Erfüllbarkeit der Ver¬
pflichtungen des Unternehmens nicht genügend dargetan wird, d. h. wenn das
Unternehmen von vornherein auf ein zu geringes Kapital zugeschnitten ist. Die
Versicherungsunternehmungen werden ferner fortlaufend kontrolliert; sie haben
jährlich der Aufsichtsbehörde einen Rechnungsabschluß und einen die Verhältnisse
sowie die Entwicklung des Unternehmens darstellenden Jahresbericht einzureichen;
es sind darüber eingehende Vorschriften erlassen, z. B. bestimmte Formulare
vorgeschrieben und die Prüfung der Aufsichtsbehörde erstreckt sich tatsächlich bis
in Einzelheiten hinein; so wird der Errichtung allzu teurer Geschäftspaläste ent¬
gegengetreten und es ist eine fortlaufende Kontrolle der von den Gesellschaften
erworbenen Hypotheken eingerichtet worden, die bis zu Revisionen an Ort und
Stelle ausgedehnt wird. Ergeben sich Mißstände, so kann die Aufsichtsbehörde
durch Anordnungen eingreifen und deren Befolgung durch Geldstrafen erzwingen,
schlimmstenfalls auch den Geschäftsbetrieb untersagen, den Konkurs beantragen
oder zur Vermeidung des Konkurses Sanierungsmaßregeln ins Werk setzen. Als
Aufsichtsbehörde mit diesen weitgehenden Befugnissen ist für die Unternehmungen,
die ihren Geschäftsbetrieb über das Gebiet eines Bundesstaates hinaus erstrecken,
das sind alle größern Unternehmungen, das Kaiserliche Aufsichtsamt für Privat¬
versicherung in Berlin errichtet.

Von besonderer Bedeutung ist hierbei, daß der Prüfung und Genehmigung
der Aufsichtsbehörde auch die Allgemeinen Versicherungsbedingungen unterliegen,
d. h. das gemeinsame Vertragsformular, welches eine Versicherungsgesellschaft
allen ihren Versicherungsnehmern vorschreibt und woraus sich die Rechte und
Pflichten aus der Versicherung für beide Teile im einzelnen ergeben. Diese
Allgemeinen Versicherungsbedingungen sind auch durch das oben erwähnte
Versicheruugsvertragsgesetz nicht überflüssig geworden. Das Gesetz gibt im
allgemeinen nur die obersten Grundsätze und für die Einzelheiten nur wenige
bestimmte Vorschriften; die praktische Anpassung der Grundsätze an die Erfordernisse
des einzelnen Versicherungszweiges, der Feuerversicherung, Unfallversicherung usw.
bleibt nach wie vor der vertraglichen Ordnung im Rahmen der Allgemeinen
Versicheruugsbedingungen überlassen, für die im Gesetz nur einzelne zwingende
Vorschriften gegeben sind. Zweckmäszigerweise hat man nun aber vorgesehen,
daß mit dem Inkrafttreten des Versicherungsvertragsgesetzes eine allgemeine
Durchsicht und Neu-Redaktion aller Versicherungsbedingungen verbunden werden
soll, so daß diese mit dem Gesetze in Einklang gebracht werden und sich nicht
etwa Widersprüche und Schwierigkeiten herausstellen. Die Versicherungsgesell¬
schaften haben sich zu diesem Zwecke zusammengetan und es sind nunmehr für
jeden Versicheruugszweig, wie teilweise schon früher, übereinstimmende Ver¬
sicherungsbedingungen festgesetzt worden, die zugleich mit dem Versicherungs-


Das neue Versicherungsrecht

Es gehört danach zum Betriebe des Versicherungsgeschäfts die staatliche Erlaubnis,
die nur erteilt wird, wenn ein sachgemäßer Geschäftsbetrieb gesichert erscheint;
sie wird versagt, wenn nach dem Geschäftsplan die Interessen der Versicherten
nicht hinreichend gewahrt sind oder wenn die dauernde Erfüllbarkeit der Ver¬
pflichtungen des Unternehmens nicht genügend dargetan wird, d. h. wenn das
Unternehmen von vornherein auf ein zu geringes Kapital zugeschnitten ist. Die
Versicherungsunternehmungen werden ferner fortlaufend kontrolliert; sie haben
jährlich der Aufsichtsbehörde einen Rechnungsabschluß und einen die Verhältnisse
sowie die Entwicklung des Unternehmens darstellenden Jahresbericht einzureichen;
es sind darüber eingehende Vorschriften erlassen, z. B. bestimmte Formulare
vorgeschrieben und die Prüfung der Aufsichtsbehörde erstreckt sich tatsächlich bis
in Einzelheiten hinein; so wird der Errichtung allzu teurer Geschäftspaläste ent¬
gegengetreten und es ist eine fortlaufende Kontrolle der von den Gesellschaften
erworbenen Hypotheken eingerichtet worden, die bis zu Revisionen an Ort und
Stelle ausgedehnt wird. Ergeben sich Mißstände, so kann die Aufsichtsbehörde
durch Anordnungen eingreifen und deren Befolgung durch Geldstrafen erzwingen,
schlimmstenfalls auch den Geschäftsbetrieb untersagen, den Konkurs beantragen
oder zur Vermeidung des Konkurses Sanierungsmaßregeln ins Werk setzen. Als
Aufsichtsbehörde mit diesen weitgehenden Befugnissen ist für die Unternehmungen,
die ihren Geschäftsbetrieb über das Gebiet eines Bundesstaates hinaus erstrecken,
das sind alle größern Unternehmungen, das Kaiserliche Aufsichtsamt für Privat¬
versicherung in Berlin errichtet.

Von besonderer Bedeutung ist hierbei, daß der Prüfung und Genehmigung
der Aufsichtsbehörde auch die Allgemeinen Versicherungsbedingungen unterliegen,
d. h. das gemeinsame Vertragsformular, welches eine Versicherungsgesellschaft
allen ihren Versicherungsnehmern vorschreibt und woraus sich die Rechte und
Pflichten aus der Versicherung für beide Teile im einzelnen ergeben. Diese
Allgemeinen Versicherungsbedingungen sind auch durch das oben erwähnte
Versicheruugsvertragsgesetz nicht überflüssig geworden. Das Gesetz gibt im
allgemeinen nur die obersten Grundsätze und für die Einzelheiten nur wenige
bestimmte Vorschriften; die praktische Anpassung der Grundsätze an die Erfordernisse
des einzelnen Versicherungszweiges, der Feuerversicherung, Unfallversicherung usw.
bleibt nach wie vor der vertraglichen Ordnung im Rahmen der Allgemeinen
Versicheruugsbedingungen überlassen, für die im Gesetz nur einzelne zwingende
Vorschriften gegeben sind. Zweckmäszigerweise hat man nun aber vorgesehen,
daß mit dem Inkrafttreten des Versicherungsvertragsgesetzes eine allgemeine
Durchsicht und Neu-Redaktion aller Versicherungsbedingungen verbunden werden
soll, so daß diese mit dem Gesetze in Einklang gebracht werden und sich nicht
etwa Widersprüche und Schwierigkeiten herausstellen. Die Versicherungsgesell¬
schaften haben sich zu diesem Zwecke zusammengetan und es sind nunmehr für
jeden Versicheruugszweig, wie teilweise schon früher, übereinstimmende Ver¬
sicherungsbedingungen festgesetzt worden, die zugleich mit dem Versicherungs-


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[0336] Das neue Versicherungsrecht Es gehört danach zum Betriebe des Versicherungsgeschäfts die staatliche Erlaubnis, die nur erteilt wird, wenn ein sachgemäßer Geschäftsbetrieb gesichert erscheint; sie wird versagt, wenn nach dem Geschäftsplan die Interessen der Versicherten nicht hinreichend gewahrt sind oder wenn die dauernde Erfüllbarkeit der Ver¬ pflichtungen des Unternehmens nicht genügend dargetan wird, d. h. wenn das Unternehmen von vornherein auf ein zu geringes Kapital zugeschnitten ist. Die Versicherungsunternehmungen werden ferner fortlaufend kontrolliert; sie haben jährlich der Aufsichtsbehörde einen Rechnungsabschluß und einen die Verhältnisse sowie die Entwicklung des Unternehmens darstellenden Jahresbericht einzureichen; es sind darüber eingehende Vorschriften erlassen, z. B. bestimmte Formulare vorgeschrieben und die Prüfung der Aufsichtsbehörde erstreckt sich tatsächlich bis in Einzelheiten hinein; so wird der Errichtung allzu teurer Geschäftspaläste ent¬ gegengetreten und es ist eine fortlaufende Kontrolle der von den Gesellschaften erworbenen Hypotheken eingerichtet worden, die bis zu Revisionen an Ort und Stelle ausgedehnt wird. Ergeben sich Mißstände, so kann die Aufsichtsbehörde durch Anordnungen eingreifen und deren Befolgung durch Geldstrafen erzwingen, schlimmstenfalls auch den Geschäftsbetrieb untersagen, den Konkurs beantragen oder zur Vermeidung des Konkurses Sanierungsmaßregeln ins Werk setzen. Als Aufsichtsbehörde mit diesen weitgehenden Befugnissen ist für die Unternehmungen, die ihren Geschäftsbetrieb über das Gebiet eines Bundesstaates hinaus erstrecken, das sind alle größern Unternehmungen, das Kaiserliche Aufsichtsamt für Privat¬ versicherung in Berlin errichtet. Von besonderer Bedeutung ist hierbei, daß der Prüfung und Genehmigung der Aufsichtsbehörde auch die Allgemeinen Versicherungsbedingungen unterliegen, d. h. das gemeinsame Vertragsformular, welches eine Versicherungsgesellschaft allen ihren Versicherungsnehmern vorschreibt und woraus sich die Rechte und Pflichten aus der Versicherung für beide Teile im einzelnen ergeben. Diese Allgemeinen Versicherungsbedingungen sind auch durch das oben erwähnte Versicheruugsvertragsgesetz nicht überflüssig geworden. Das Gesetz gibt im allgemeinen nur die obersten Grundsätze und für die Einzelheiten nur wenige bestimmte Vorschriften; die praktische Anpassung der Grundsätze an die Erfordernisse des einzelnen Versicherungszweiges, der Feuerversicherung, Unfallversicherung usw. bleibt nach wie vor der vertraglichen Ordnung im Rahmen der Allgemeinen Versicheruugsbedingungen überlassen, für die im Gesetz nur einzelne zwingende Vorschriften gegeben sind. Zweckmäszigerweise hat man nun aber vorgesehen, daß mit dem Inkrafttreten des Versicherungsvertragsgesetzes eine allgemeine Durchsicht und Neu-Redaktion aller Versicherungsbedingungen verbunden werden soll, so daß diese mit dem Gesetze in Einklang gebracht werden und sich nicht etwa Widersprüche und Schwierigkeiten herausstellen. Die Versicherungsgesell¬ schaften haben sich zu diesem Zwecke zusammengetan und es sind nunmehr für jeden Versicheruugszweig, wie teilweise schon früher, übereinstimmende Ver¬ sicherungsbedingungen festgesetzt worden, die zugleich mit dem Versicherungs-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316288/336>, abgerufen am 23.07.2024.