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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr.

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preußische Ansiedler in Österreich

angesiedelt worden, die zusammen 8491 Gulden Kosten verursacht hatten. Im
folgendenJahre waren schon an einhundertfünfzehn Familien preußischer Emigranten
neben einigen Inländern in Böhmen angesiedelt; sie hatten 9270 Metzen Grund
erhalten, ihre Häuser kosteten 36535 Gulden. Den Preußen waren außerdem
für jede Familie einhundertundzwanzig Gulden, zusammen 13800 Gulden an
Vorschüssen ausgezahlt worden, wozu noch die Gründe und Taggelder kamen.
Man fand die Ansiedlung der preußischen Emigranten recht teuer; die Ansiedlung
von Inländern wäre billiger gewesen, "aber sie ist dem Endzweck, die Emigration
aus den preußischen Landen zu befördern, nicht angemessen". Man beabsichtigte
also vor allem Bewohner aus den an Preußen verlorenen schlesischen Gebieten
herüberzuziehen. Auch Kaiser Joseph fand die Ansiedlung der Preußen kost¬
spielig; dennoch befahl er, "die Ansiedlung der aus Preußen Emigrierenden
keineswegs einzustellen, sondern sie auf Ararial- und geistlichen Gütern zu
unterbringen". Auch in Mähren wurden preußische Emigranten angesiedelt.
Vor allem schickte man sie aber, sobald in den Sudetenländern kein Platz vor¬
handen war, nach Galizien, zum Teil auch uach Ungarn.

Die Ansiedlung preußischer Auswanderer in Galizien begann im Jahre
1780. Im Herbst dieses Jahres brachen in Preußisch-Schlesien, besonders in
Pleß und anderen Herrschaften an der galizischen Grenze, Bauernunruhen aus.
Preußische Untertanen flüchteten sich auf österreichisches Gebiet. Nach der Nieder¬
werfung des Aufruhrs forderte die preußische Regierung ihre Auslieferung. Da
aber Preußen bei ähnlichen Veranlassungen die Auslieferung verweigert hatte,
wurden die Flüchtlinge nicht herausgegeben, vielmehr erging gegen Ende 1780
an den galizischen Statthalter Brigido der Auftrag, den Flüchtlingen Vorschub
zu leisten und sie unterzubringen. Wenige Wochen später (12. März 1781)
beantragte Graf Brigido, indem er auf die oben geschilderte Ansiedlung in
Böhmen verwies, man möge jetzt auch das "fast von allen nützlichen Professionisten
entblößte Galizien damit versehen, wie auch besonders die ans den Kameral-
herrschaften vorhandenen Dominikal-Meierhofgründe mit fremden arbeitsamen
Menschen besetzen". Um evangelische Ansiedler anzuziehen, müßte man ihnen
"freie private Religionsübung" zugestehen, "durch welches Mittel die Königreiche
unzweifelhaft in wenigen Jahren eines ansehnlichen Zuwachses sowohl Professions¬
kundiger als fleißiger Ackerbauer sich erfreuen würden, die annebst meistens noch
der teutschen Sprache, dann des Lesens und Schreibens kundig wären, mit
welchen das hiesige von derlei arbeitsamen, dem Staate nutzbringenden Insassen
noch entvölkerte Land zu vermehren das Hauptabsehen sein muß". Brigido
schlug daher vor, daß die Regierung den Ansiedlern jene Freiheiten und die
private Religionsübung zusichere, welche das preußische Ansiedlungspatent vom
5. Jänner 1770 gewährleistete. Dieser Hinweis auf das "Königlich Preußische
Patent für Preußisch-Schlesien und Glans" (Berlin 5. Jünner 1770) ist sehr
bedeutungsvoll. Es handelte sich dabei nicht um bloße Nachahmung der preußischen
Maßregeln, denn in Österreich war man seit Jahrzehnten an das Ansiedlungs-


GrenMen III 1010 W
preußische Ansiedler in Österreich

angesiedelt worden, die zusammen 8491 Gulden Kosten verursacht hatten. Im
folgendenJahre waren schon an einhundertfünfzehn Familien preußischer Emigranten
neben einigen Inländern in Böhmen angesiedelt; sie hatten 9270 Metzen Grund
erhalten, ihre Häuser kosteten 36535 Gulden. Den Preußen waren außerdem
für jede Familie einhundertundzwanzig Gulden, zusammen 13800 Gulden an
Vorschüssen ausgezahlt worden, wozu noch die Gründe und Taggelder kamen.
Man fand die Ansiedlung der preußischen Emigranten recht teuer; die Ansiedlung
von Inländern wäre billiger gewesen, „aber sie ist dem Endzweck, die Emigration
aus den preußischen Landen zu befördern, nicht angemessen". Man beabsichtigte
also vor allem Bewohner aus den an Preußen verlorenen schlesischen Gebieten
herüberzuziehen. Auch Kaiser Joseph fand die Ansiedlung der Preußen kost¬
spielig; dennoch befahl er, „die Ansiedlung der aus Preußen Emigrierenden
keineswegs einzustellen, sondern sie auf Ararial- und geistlichen Gütern zu
unterbringen". Auch in Mähren wurden preußische Emigranten angesiedelt.
Vor allem schickte man sie aber, sobald in den Sudetenländern kein Platz vor¬
handen war, nach Galizien, zum Teil auch uach Ungarn.

Die Ansiedlung preußischer Auswanderer in Galizien begann im Jahre
1780. Im Herbst dieses Jahres brachen in Preußisch-Schlesien, besonders in
Pleß und anderen Herrschaften an der galizischen Grenze, Bauernunruhen aus.
Preußische Untertanen flüchteten sich auf österreichisches Gebiet. Nach der Nieder¬
werfung des Aufruhrs forderte die preußische Regierung ihre Auslieferung. Da
aber Preußen bei ähnlichen Veranlassungen die Auslieferung verweigert hatte,
wurden die Flüchtlinge nicht herausgegeben, vielmehr erging gegen Ende 1780
an den galizischen Statthalter Brigido der Auftrag, den Flüchtlingen Vorschub
zu leisten und sie unterzubringen. Wenige Wochen später (12. März 1781)
beantragte Graf Brigido, indem er auf die oben geschilderte Ansiedlung in
Böhmen verwies, man möge jetzt auch das „fast von allen nützlichen Professionisten
entblößte Galizien damit versehen, wie auch besonders die ans den Kameral-
herrschaften vorhandenen Dominikal-Meierhofgründe mit fremden arbeitsamen
Menschen besetzen". Um evangelische Ansiedler anzuziehen, müßte man ihnen
„freie private Religionsübung" zugestehen, „durch welches Mittel die Königreiche
unzweifelhaft in wenigen Jahren eines ansehnlichen Zuwachses sowohl Professions¬
kundiger als fleißiger Ackerbauer sich erfreuen würden, die annebst meistens noch
der teutschen Sprache, dann des Lesens und Schreibens kundig wären, mit
welchen das hiesige von derlei arbeitsamen, dem Staate nutzbringenden Insassen
noch entvölkerte Land zu vermehren das Hauptabsehen sein muß". Brigido
schlug daher vor, daß die Regierung den Ansiedlern jene Freiheiten und die
private Religionsübung zusichere, welche das preußische Ansiedlungspatent vom
5. Jänner 1770 gewährleistete. Dieser Hinweis auf das „Königlich Preußische
Patent für Preußisch-Schlesien und Glans" (Berlin 5. Jünner 1770) ist sehr
bedeutungsvoll. Es handelte sich dabei nicht um bloße Nachahmung der preußischen
Maßregeln, denn in Österreich war man seit Jahrzehnten an das Ansiedlungs-


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[0189] preußische Ansiedler in Österreich angesiedelt worden, die zusammen 8491 Gulden Kosten verursacht hatten. Im folgendenJahre waren schon an einhundertfünfzehn Familien preußischer Emigranten neben einigen Inländern in Böhmen angesiedelt; sie hatten 9270 Metzen Grund erhalten, ihre Häuser kosteten 36535 Gulden. Den Preußen waren außerdem für jede Familie einhundertundzwanzig Gulden, zusammen 13800 Gulden an Vorschüssen ausgezahlt worden, wozu noch die Gründe und Taggelder kamen. Man fand die Ansiedlung der preußischen Emigranten recht teuer; die Ansiedlung von Inländern wäre billiger gewesen, „aber sie ist dem Endzweck, die Emigration aus den preußischen Landen zu befördern, nicht angemessen". Man beabsichtigte also vor allem Bewohner aus den an Preußen verlorenen schlesischen Gebieten herüberzuziehen. Auch Kaiser Joseph fand die Ansiedlung der Preußen kost¬ spielig; dennoch befahl er, „die Ansiedlung der aus Preußen Emigrierenden keineswegs einzustellen, sondern sie auf Ararial- und geistlichen Gütern zu unterbringen". Auch in Mähren wurden preußische Emigranten angesiedelt. Vor allem schickte man sie aber, sobald in den Sudetenländern kein Platz vor¬ handen war, nach Galizien, zum Teil auch uach Ungarn. Die Ansiedlung preußischer Auswanderer in Galizien begann im Jahre 1780. Im Herbst dieses Jahres brachen in Preußisch-Schlesien, besonders in Pleß und anderen Herrschaften an der galizischen Grenze, Bauernunruhen aus. Preußische Untertanen flüchteten sich auf österreichisches Gebiet. Nach der Nieder¬ werfung des Aufruhrs forderte die preußische Regierung ihre Auslieferung. Da aber Preußen bei ähnlichen Veranlassungen die Auslieferung verweigert hatte, wurden die Flüchtlinge nicht herausgegeben, vielmehr erging gegen Ende 1780 an den galizischen Statthalter Brigido der Auftrag, den Flüchtlingen Vorschub zu leisten und sie unterzubringen. Wenige Wochen später (12. März 1781) beantragte Graf Brigido, indem er auf die oben geschilderte Ansiedlung in Böhmen verwies, man möge jetzt auch das „fast von allen nützlichen Professionisten entblößte Galizien damit versehen, wie auch besonders die ans den Kameral- herrschaften vorhandenen Dominikal-Meierhofgründe mit fremden arbeitsamen Menschen besetzen". Um evangelische Ansiedler anzuziehen, müßte man ihnen „freie private Religionsübung" zugestehen, „durch welches Mittel die Königreiche unzweifelhaft in wenigen Jahren eines ansehnlichen Zuwachses sowohl Professions¬ kundiger als fleißiger Ackerbauer sich erfreuen würden, die annebst meistens noch der teutschen Sprache, dann des Lesens und Schreibens kundig wären, mit welchen das hiesige von derlei arbeitsamen, dem Staate nutzbringenden Insassen noch entvölkerte Land zu vermehren das Hauptabsehen sein muß". Brigido schlug daher vor, daß die Regierung den Ansiedlern jene Freiheiten und die private Religionsübung zusichere, welche das preußische Ansiedlungspatent vom 5. Jänner 1770 gewährleistete. Dieser Hinweis auf das „Königlich Preußische Patent für Preußisch-Schlesien und Glans" (Berlin 5. Jünner 1770) ist sehr bedeutungsvoll. Es handelte sich dabei nicht um bloße Nachahmung der preußischen Maßregeln, denn in Österreich war man seit Jahrzehnten an das Ansiedlungs- GrenMen III 1010 W

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316288/189>, abgerufen am 25.08.2024.