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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr.

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Patronat und Schulbehörde

durchweg so ist, wie man wünschen möchte, wenn ein vertrauensvolles und
gedeihliches Zusammenwirken ausbleibt, so liegt die Schuld mindestens nicht
immer bei dem Vertreter der Königlichen Aufsichtsbehörde.

Die größere Machtvollkommenheit der Provinzial-Schulkollegien in früherer
Zeit gab ihren Mitgliedern reichere Gelegenheit zur Betätigung individueller
Gedanken und Kräfte. Männer wie Scheibert, Landsermann, Höpfner, Klix,
Schrader stehen als bedeutende Persönlichkeiten heute noch in lebendiger
Erinnerung. Durch straffe Zentralisierung ist es mehr und mehr dahin gekommen:
während das eigentliche Leben in den Schulen sich abspielt, alle wichtigeren
Fragen von der Zentralinstanz aus entweder geregelt sind oder im einzelnen
Fall entschieden werden, bleibt den Zwischenbehörden die Aufgabe, uach oben
das Material für die Entscheidungen in geordneter Form vorzulegen, nach
unten darüber zu wachen, daß die übermittelten Vorschriften und Entscheidungen
genau durchgeführt werden. Die Entwickelung lag im Zuge der Zeit und
wurde durch äußere Verhältnisse begünstigt. Zu erwägen, ob man ihr nicht
doch entgegenwirken könnte, mag andern überlassen bleiben. Eilt sehr Berufener
hat soeben dazu das Wort genommen, Wilhelm Münch, früher Provinzial-
Schulrat in Koblenz, jetzt Professor an der Universität in Berlin. Wichtiger
noch als seine praktischen Vorschläge, so praktisch sie in der Tat sind, ist die
Warnung, die wir aus allem, was er sagt, entnehmen können: eine weitere
Verminderung des Einflusses der Provinzial-Schulkollegien wäre das ungeeignetste
Mittel, um den selbstbewußten Häuptern städtischen Wohlstandes eine Ver¬
ständigung mit solcher Behörde wünschenswert erscheinen zu lassen.

Da eröffnet sich nun die Aussicht, in einem wichtigen Punkte den Einfluß
wieder zu vermehren, gerade im Zusammenhang mit den Vorschlägen, deren
Prüfung uns hier beschäftigt.

Das bedeutendste Recht der kommunalen Schulverwaltung ist im Abgeordneten¬
hause nur eben erwähnt worden: das der Lehrerwahl. Dieses Recht
ist ein Vorrecht. Da es den Städten unbenommen ist, in den Gehaltsätzen wie
in der Anrechnung von Dienstjahren über das von: Staate Gewährte hinaus¬
zugehen, und da die größeren bisher reichlich von dieser Möglichkeit Gebrauch
gemacht haben, so waren sie in der Lage, unter den jungen Lehrern immer die
Tüchtigsten sich auszusuchen; die, welche nicht begehrt wurden, verblieben dem
Provinzial-Schulkollegium zur Unterbringung an Königlichen Lehranstalten.
Dieser Unterschied, schwer empfunden in allen Provinzen, die eine beträchtliche
Zahl städtischer Schulen haben, ist von ungeheurer Tragweite. Er enthält die
Gefahr eines Raubbaues, der zugunsten einiger wenigen Vorzugsanstalten in
großen und schönen Städten getrieben wird und weiten Gebieten draußen die
führenden Kräfte entzieht. Wenn jetzt auf jener Seite, wie dies namentlich bei
der Nachzahlung für 1908 hervortrat, sich Schwierigkeiten ergeben, den Leistungen
des Staates gleichmäßig zu folgen, wenn dann den Patronaten durch eine
Dienstanweisung die neuen Rechte gewährt werden, die sie begehren, so kann


Patronat und Schulbehörde

durchweg so ist, wie man wünschen möchte, wenn ein vertrauensvolles und
gedeihliches Zusammenwirken ausbleibt, so liegt die Schuld mindestens nicht
immer bei dem Vertreter der Königlichen Aufsichtsbehörde.

Die größere Machtvollkommenheit der Provinzial-Schulkollegien in früherer
Zeit gab ihren Mitgliedern reichere Gelegenheit zur Betätigung individueller
Gedanken und Kräfte. Männer wie Scheibert, Landsermann, Höpfner, Klix,
Schrader stehen als bedeutende Persönlichkeiten heute noch in lebendiger
Erinnerung. Durch straffe Zentralisierung ist es mehr und mehr dahin gekommen:
während das eigentliche Leben in den Schulen sich abspielt, alle wichtigeren
Fragen von der Zentralinstanz aus entweder geregelt sind oder im einzelnen
Fall entschieden werden, bleibt den Zwischenbehörden die Aufgabe, uach oben
das Material für die Entscheidungen in geordneter Form vorzulegen, nach
unten darüber zu wachen, daß die übermittelten Vorschriften und Entscheidungen
genau durchgeführt werden. Die Entwickelung lag im Zuge der Zeit und
wurde durch äußere Verhältnisse begünstigt. Zu erwägen, ob man ihr nicht
doch entgegenwirken könnte, mag andern überlassen bleiben. Eilt sehr Berufener
hat soeben dazu das Wort genommen, Wilhelm Münch, früher Provinzial-
Schulrat in Koblenz, jetzt Professor an der Universität in Berlin. Wichtiger
noch als seine praktischen Vorschläge, so praktisch sie in der Tat sind, ist die
Warnung, die wir aus allem, was er sagt, entnehmen können: eine weitere
Verminderung des Einflusses der Provinzial-Schulkollegien wäre das ungeeignetste
Mittel, um den selbstbewußten Häuptern städtischen Wohlstandes eine Ver¬
ständigung mit solcher Behörde wünschenswert erscheinen zu lassen.

Da eröffnet sich nun die Aussicht, in einem wichtigen Punkte den Einfluß
wieder zu vermehren, gerade im Zusammenhang mit den Vorschlägen, deren
Prüfung uns hier beschäftigt.

Das bedeutendste Recht der kommunalen Schulverwaltung ist im Abgeordneten¬
hause nur eben erwähnt worden: das der Lehrerwahl. Dieses Recht
ist ein Vorrecht. Da es den Städten unbenommen ist, in den Gehaltsätzen wie
in der Anrechnung von Dienstjahren über das von: Staate Gewährte hinaus¬
zugehen, und da die größeren bisher reichlich von dieser Möglichkeit Gebrauch
gemacht haben, so waren sie in der Lage, unter den jungen Lehrern immer die
Tüchtigsten sich auszusuchen; die, welche nicht begehrt wurden, verblieben dem
Provinzial-Schulkollegium zur Unterbringung an Königlichen Lehranstalten.
Dieser Unterschied, schwer empfunden in allen Provinzen, die eine beträchtliche
Zahl städtischer Schulen haben, ist von ungeheurer Tragweite. Er enthält die
Gefahr eines Raubbaues, der zugunsten einiger wenigen Vorzugsanstalten in
großen und schönen Städten getrieben wird und weiten Gebieten draußen die
führenden Kräfte entzieht. Wenn jetzt auf jener Seite, wie dies namentlich bei
der Nachzahlung für 1908 hervortrat, sich Schwierigkeiten ergeben, den Leistungen
des Staates gleichmäßig zu folgen, wenn dann den Patronaten durch eine
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316288/172>, abgerufen am 03.07.2024.