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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr.

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Patronat und Schulbehörde

vorher, und nicht bloß der Form wegen, gehört wird, ist ebenso selbstverständlich,
wie es die Zurückweisung des Antrags sein sollte, der auf der Essener Ver¬
sammlung angeregt wurde, der Herr Minister möge allgemein vorschreiben, daß
in bezug auf die Zulassung entgeltlicher Nebenbeschäftigung die Schulaufsichts¬
behörde "nur aus ganz zwingenden Gründen von dem Votum des Kuratoriums
abweichen dürfe". Käme es dazu wirklich, so wäre die Gefahr einer schweren
Beeinträchtigung für alle Lehrer an Schulen nicht staatlichen Patronates geschaffen.
Zum Glück gibt es auch hier einet? älteren Ministerial-Erlaß (5. August 1887,
Beier S. 1074 f.), den die gegenwärtige Unterrichtsverwaltung ausdrücklich wider¬
rufen müßte, wenn sie jenem Verlangen nachgeben wollte. Indem dieser Erlaß
für etwaige Bedenken des Patronates eingehende Prüfung zusagt, wahrt er
doch dem Staate das Recht der Entscheidung und sichert damit zugleich die
Lehrer gegen immerhin mögliche Eingriffe einer engherzigen Kommunalverwaltung.
Seit die Gehälter für gleichartig vorgebildete Lehrer überall gleich sind und in
gleichmäßiger Stufenfolge sich steigern, ist Nebenbeschäftigung der einzige Weg,
auf dem der Tüchtige durch Arbeit seine äußere Lage verbessern kann. Will
man ihm wehren, überschüssige Kraft für sich und die Seinen nutzbar zu machen?
Wenn die soeben erfolgte Gehaltserhöhung den Sinn haben sollte, daß der
einzelne nun mit Haut und Haaren dem Amte verschriebet: wäre, so wäre sie
ein rechtes Danaergeschenk. Die Forderung, daß der Lehrer ganz dem Berufe
gehören und für Privatbeschäftigung keine Zeit behalten dürfe, ist kleinlich und
dabei unausführbar. Will man das Amt so belasten, daß für den Arbeits¬
kräftigen gar kein Spielräume bleibt, dann wird es für alle Schwächeren
unerträglich. Würde denn einem Oberbürgermeister verwehrt werden, in den
Verwaltungsrat einer Fabrik oder Zeche einzutreten? Würde man nicht dem
Unternehmen einen erfahrenen Beirat, dem verdienten Manne den schönen
Nebenverdienst gönnen?

Privatunterricht allerdings und das Halten von Pensionären haben immer
einen nicht ganz angenehmen Beigeschmack. Aber auch hier wäre eine grund¬
sätzliche Ablehnung so hart wie unzweckmäßig. Es gibt Fälle genug, in denen
für eine erzieherische Aufgabe Eltern die persönliche Hilfe des erfahrenen
Lehrers gar nicht entbehren können; und es gibt Männer in unserm Stande,
die aus rechtschaffenen Gründen genötigt sind, ihre Tätigkeit für den Erwerb
aufs äußerste zu steigern, denen das dann im eignet! Kreise keiner verdenke.
In dieser Beziehung haben doch die Amtsgenossen das sicherste Urteil. So
wäre es gewiß das beste, die Angelegenheit als eine innere des höheren
Lehrerstandes zu betrachten und ihre Regelung in der Hauptsache dem dort
herrschenden Takte zu überlassen.

Der Angriff richtet sich aber auch mehr gegen die Übernahme eigentlicher
Nebenämter, an Privatanstalten, höheren Mädchenschulen, Fortbildungsschulen.
Auch im Abgeordnetenhaus? wurde von einer Seite die Forderung vertreten,
daß die Erlaubnis zum Unterrichten an einer Privatschule nicht erteilt werden


Patronat und Schulbehörde

vorher, und nicht bloß der Form wegen, gehört wird, ist ebenso selbstverständlich,
wie es die Zurückweisung des Antrags sein sollte, der auf der Essener Ver¬
sammlung angeregt wurde, der Herr Minister möge allgemein vorschreiben, daß
in bezug auf die Zulassung entgeltlicher Nebenbeschäftigung die Schulaufsichts¬
behörde „nur aus ganz zwingenden Gründen von dem Votum des Kuratoriums
abweichen dürfe". Käme es dazu wirklich, so wäre die Gefahr einer schweren
Beeinträchtigung für alle Lehrer an Schulen nicht staatlichen Patronates geschaffen.
Zum Glück gibt es auch hier einet? älteren Ministerial-Erlaß (5. August 1887,
Beier S. 1074 f.), den die gegenwärtige Unterrichtsverwaltung ausdrücklich wider¬
rufen müßte, wenn sie jenem Verlangen nachgeben wollte. Indem dieser Erlaß
für etwaige Bedenken des Patronates eingehende Prüfung zusagt, wahrt er
doch dem Staate das Recht der Entscheidung und sichert damit zugleich die
Lehrer gegen immerhin mögliche Eingriffe einer engherzigen Kommunalverwaltung.
Seit die Gehälter für gleichartig vorgebildete Lehrer überall gleich sind und in
gleichmäßiger Stufenfolge sich steigern, ist Nebenbeschäftigung der einzige Weg,
auf dem der Tüchtige durch Arbeit seine äußere Lage verbessern kann. Will
man ihm wehren, überschüssige Kraft für sich und die Seinen nutzbar zu machen?
Wenn die soeben erfolgte Gehaltserhöhung den Sinn haben sollte, daß der
einzelne nun mit Haut und Haaren dem Amte verschriebet: wäre, so wäre sie
ein rechtes Danaergeschenk. Die Forderung, daß der Lehrer ganz dem Berufe
gehören und für Privatbeschäftigung keine Zeit behalten dürfe, ist kleinlich und
dabei unausführbar. Will man das Amt so belasten, daß für den Arbeits¬
kräftigen gar kein Spielräume bleibt, dann wird es für alle Schwächeren
unerträglich. Würde denn einem Oberbürgermeister verwehrt werden, in den
Verwaltungsrat einer Fabrik oder Zeche einzutreten? Würde man nicht dem
Unternehmen einen erfahrenen Beirat, dem verdienten Manne den schönen
Nebenverdienst gönnen?

Privatunterricht allerdings und das Halten von Pensionären haben immer
einen nicht ganz angenehmen Beigeschmack. Aber auch hier wäre eine grund¬
sätzliche Ablehnung so hart wie unzweckmäßig. Es gibt Fälle genug, in denen
für eine erzieherische Aufgabe Eltern die persönliche Hilfe des erfahrenen
Lehrers gar nicht entbehren können; und es gibt Männer in unserm Stande,
die aus rechtschaffenen Gründen genötigt sind, ihre Tätigkeit für den Erwerb
aufs äußerste zu steigern, denen das dann im eignet! Kreise keiner verdenke.
In dieser Beziehung haben doch die Amtsgenossen das sicherste Urteil. So
wäre es gewiß das beste, die Angelegenheit als eine innere des höheren
Lehrerstandes zu betrachten und ihre Regelung in der Hauptsache dem dort
herrschenden Takte zu überlassen.

Der Angriff richtet sich aber auch mehr gegen die Übernahme eigentlicher
Nebenämter, an Privatanstalten, höheren Mädchenschulen, Fortbildungsschulen.
Auch im Abgeordnetenhaus? wurde von einer Seite die Forderung vertreten,
daß die Erlaubnis zum Unterrichten an einer Privatschule nicht erteilt werden


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[0169] Patronat und Schulbehörde vorher, und nicht bloß der Form wegen, gehört wird, ist ebenso selbstverständlich, wie es die Zurückweisung des Antrags sein sollte, der auf der Essener Ver¬ sammlung angeregt wurde, der Herr Minister möge allgemein vorschreiben, daß in bezug auf die Zulassung entgeltlicher Nebenbeschäftigung die Schulaufsichts¬ behörde „nur aus ganz zwingenden Gründen von dem Votum des Kuratoriums abweichen dürfe". Käme es dazu wirklich, so wäre die Gefahr einer schweren Beeinträchtigung für alle Lehrer an Schulen nicht staatlichen Patronates geschaffen. Zum Glück gibt es auch hier einet? älteren Ministerial-Erlaß (5. August 1887, Beier S. 1074 f.), den die gegenwärtige Unterrichtsverwaltung ausdrücklich wider¬ rufen müßte, wenn sie jenem Verlangen nachgeben wollte. Indem dieser Erlaß für etwaige Bedenken des Patronates eingehende Prüfung zusagt, wahrt er doch dem Staate das Recht der Entscheidung und sichert damit zugleich die Lehrer gegen immerhin mögliche Eingriffe einer engherzigen Kommunalverwaltung. Seit die Gehälter für gleichartig vorgebildete Lehrer überall gleich sind und in gleichmäßiger Stufenfolge sich steigern, ist Nebenbeschäftigung der einzige Weg, auf dem der Tüchtige durch Arbeit seine äußere Lage verbessern kann. Will man ihm wehren, überschüssige Kraft für sich und die Seinen nutzbar zu machen? Wenn die soeben erfolgte Gehaltserhöhung den Sinn haben sollte, daß der einzelne nun mit Haut und Haaren dem Amte verschriebet: wäre, so wäre sie ein rechtes Danaergeschenk. Die Forderung, daß der Lehrer ganz dem Berufe gehören und für Privatbeschäftigung keine Zeit behalten dürfe, ist kleinlich und dabei unausführbar. Will man das Amt so belasten, daß für den Arbeits¬ kräftigen gar kein Spielräume bleibt, dann wird es für alle Schwächeren unerträglich. Würde denn einem Oberbürgermeister verwehrt werden, in den Verwaltungsrat einer Fabrik oder Zeche einzutreten? Würde man nicht dem Unternehmen einen erfahrenen Beirat, dem verdienten Manne den schönen Nebenverdienst gönnen? Privatunterricht allerdings und das Halten von Pensionären haben immer einen nicht ganz angenehmen Beigeschmack. Aber auch hier wäre eine grund¬ sätzliche Ablehnung so hart wie unzweckmäßig. Es gibt Fälle genug, in denen für eine erzieherische Aufgabe Eltern die persönliche Hilfe des erfahrenen Lehrers gar nicht entbehren können; und es gibt Männer in unserm Stande, die aus rechtschaffenen Gründen genötigt sind, ihre Tätigkeit für den Erwerb aufs äußerste zu steigern, denen das dann im eignet! Kreise keiner verdenke. In dieser Beziehung haben doch die Amtsgenossen das sicherste Urteil. So wäre es gewiß das beste, die Angelegenheit als eine innere des höheren Lehrerstandes zu betrachten und ihre Regelung in der Hauptsache dem dort herrschenden Takte zu überlassen. Der Angriff richtet sich aber auch mehr gegen die Übernahme eigentlicher Nebenämter, an Privatanstalten, höheren Mädchenschulen, Fortbildungsschulen. Auch im Abgeordnetenhaus? wurde von einer Seite die Forderung vertreten, daß die Erlaubnis zum Unterrichten an einer Privatschule nicht erteilt werden

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316288/169>, abgerufen am 23.07.2024.