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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr.

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Patronat und Schulbehörde

Frist neu geregelt werden soll, so ist es kaum zu vermeiden, daß nicht vielfach
etwas Gutes und Bewährtes beseitigt, Fremdes, als schädlich Empfundenes
aufgedrängt werde. Gerade eine liberale Gesetzgebung führt leicht zur Fesselung
statt zur Freiheit; davon haben wir Erfahrungen genug, auch im Schulwesen.
Aus diesen Erwägungen ergibt sich gegenüber dem ganzen Plan einer alle
Provinzen umfassenden Dienstanweisung für Lehrer und Direktoren ein Bedenken,
das auch an den leitenden Stellen nicht unbeachtet geblieben war. Möchte nur
der Einsicht die Tat entsprechen! Nicht so, daß man den Gedanken wieder
aufgäbe -- das wäre wahrlich keine Tat. Doch so, daß mit ernstem Willen
das Grundsätzliche herausgearbeitet und daß, um örtliche und provinzielle
Eigenart nicht einzuengen, alles ferngehalten wird, was dein Gebiete der
praktischen Ausführung angehört.

Indessen im Abgeordnetenhause ist schon eine Reihe genauerer Bestimmungen
besprochen worden. Wer über den Streit der Anschauungen, die dabei zutage
traten, ein Urteil gewinnen will, darf sich einer ins einzelne gehenden Prüfung
nicht entziehen.

Daß an Revisionen, die der Provinzialschulrat abhält, ein Vertreter des
Patronates teilnimmt, ist durchaus zweckmäßig und wohl schon jetzt nicht
ungewöhnlich. Dies ist der beste Weg, um äußeren wie inneren Betrieb der
Schule kennen zu lernen, wobei immer gleich hinterher Gelegenheit zu auf¬
klärender Aussprache gegeben ist. Auch werden Mängel der äußeren Ausstattung,
z. B. in der Turnhalle, in den naturwissenschaftlichen Lehr- und Arbeitsräumen,
der städtischen Behörde, die dafür zu sorgen hat, viel wirksamer zum Bewußt¬
sein kommen, wenn eins ihrer Mitglieder sie unter sachkundiger Führung selbst
mit beobachtet hat, als wenn eine Verfügung auf Grund des Revisionsberichtes,
den der Schulrat erstattet, nachher die Übelstände hervorhebt. Etwas anders
steht es mit dem selbständigen Hospitieren. Als Direktor des städtischen Gym¬
nasiums und Realgymnasiums in Düsseldorf habe ich in einer Zeit, wo über
die Schule viel und nicht immer Freundliches im Publikum gesprochen wurde,
ganz aus eignem Antriebe den Oberbürgermeister eingeladen, uns doch einmal
zu besuchen; und zwar unangemeldet, damit der Gedanke ausgeschlossen bliebe,
daß ihm etwas vorgeführt werden solle. Der Besuch hat in der vorgeschlagenen
Weise stattgefunden und zur Stärkung des guten Einvernehmens beigetragen.
Vermutlich haben anderwärts städtische Direktoren ähnliches erlebt. Wieviel
Mißtrauen und Gegnerschaft beruht nur darauf, daß man einander nicht kennt!
Trotzdem hatten Abgeordnete recht, welche erklärten, es sei "undenkbar,
den Kuratorien generell zu erlauben, dem Unterrichte beizuwohnen". Vielleicht
ließe sich die ganze Einrichtung -- wenn es denn eine solche werden soll --
in eine Form bringen, die Mißbrauch fernhält, ohne den Gebrauch zu hindern:
die Besuche müßten jedesmal "im Einverständnis mit dem Direktor" erfolgen;
wo dieser Bedenken hätte, wäre die Entscheidung der Königlichen Aufsichts¬
behörde einzuholen. Nur in denjenigen großen Städten, die einen besonderen


Patronat und Schulbehörde

Frist neu geregelt werden soll, so ist es kaum zu vermeiden, daß nicht vielfach
etwas Gutes und Bewährtes beseitigt, Fremdes, als schädlich Empfundenes
aufgedrängt werde. Gerade eine liberale Gesetzgebung führt leicht zur Fesselung
statt zur Freiheit; davon haben wir Erfahrungen genug, auch im Schulwesen.
Aus diesen Erwägungen ergibt sich gegenüber dem ganzen Plan einer alle
Provinzen umfassenden Dienstanweisung für Lehrer und Direktoren ein Bedenken,
das auch an den leitenden Stellen nicht unbeachtet geblieben war. Möchte nur
der Einsicht die Tat entsprechen! Nicht so, daß man den Gedanken wieder
aufgäbe — das wäre wahrlich keine Tat. Doch so, daß mit ernstem Willen
das Grundsätzliche herausgearbeitet und daß, um örtliche und provinzielle
Eigenart nicht einzuengen, alles ferngehalten wird, was dein Gebiete der
praktischen Ausführung angehört.

Indessen im Abgeordnetenhause ist schon eine Reihe genauerer Bestimmungen
besprochen worden. Wer über den Streit der Anschauungen, die dabei zutage
traten, ein Urteil gewinnen will, darf sich einer ins einzelne gehenden Prüfung
nicht entziehen.

Daß an Revisionen, die der Provinzialschulrat abhält, ein Vertreter des
Patronates teilnimmt, ist durchaus zweckmäßig und wohl schon jetzt nicht
ungewöhnlich. Dies ist der beste Weg, um äußeren wie inneren Betrieb der
Schule kennen zu lernen, wobei immer gleich hinterher Gelegenheit zu auf¬
klärender Aussprache gegeben ist. Auch werden Mängel der äußeren Ausstattung,
z. B. in der Turnhalle, in den naturwissenschaftlichen Lehr- und Arbeitsräumen,
der städtischen Behörde, die dafür zu sorgen hat, viel wirksamer zum Bewußt¬
sein kommen, wenn eins ihrer Mitglieder sie unter sachkundiger Führung selbst
mit beobachtet hat, als wenn eine Verfügung auf Grund des Revisionsberichtes,
den der Schulrat erstattet, nachher die Übelstände hervorhebt. Etwas anders
steht es mit dem selbständigen Hospitieren. Als Direktor des städtischen Gym¬
nasiums und Realgymnasiums in Düsseldorf habe ich in einer Zeit, wo über
die Schule viel und nicht immer Freundliches im Publikum gesprochen wurde,
ganz aus eignem Antriebe den Oberbürgermeister eingeladen, uns doch einmal
zu besuchen; und zwar unangemeldet, damit der Gedanke ausgeschlossen bliebe,
daß ihm etwas vorgeführt werden solle. Der Besuch hat in der vorgeschlagenen
Weise stattgefunden und zur Stärkung des guten Einvernehmens beigetragen.
Vermutlich haben anderwärts städtische Direktoren ähnliches erlebt. Wieviel
Mißtrauen und Gegnerschaft beruht nur darauf, daß man einander nicht kennt!
Trotzdem hatten Abgeordnete recht, welche erklärten, es sei „undenkbar,
den Kuratorien generell zu erlauben, dem Unterrichte beizuwohnen". Vielleicht
ließe sich die ganze Einrichtung — wenn es denn eine solche werden soll —
in eine Form bringen, die Mißbrauch fernhält, ohne den Gebrauch zu hindern:
die Besuche müßten jedesmal „im Einverständnis mit dem Direktor" erfolgen;
wo dieser Bedenken hätte, wäre die Entscheidung der Königlichen Aufsichts¬
behörde einzuholen. Nur in denjenigen großen Städten, die einen besonderen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316288/167>, abgerufen am 23.07.2024.