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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr.

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Vom Leben am preußischen Hofe

sah in der "Hoheit Marianne" zugleich die "Herrin", deren Dienst er sich
geweiht hatte, und die "Muse", von der er seine Inspiration zur Bearbeitung
der Gralsage und den Stoff zu romantischen Schauspielen erwartete (s. mein
Buch: "Fouqus, Apel, Miltitz" S. 131s.; 138; 160f.; 169; 193f.).

Das Bild Friedrich Wilhelms des Dritten ist schon durch das bisher bekannte
Material so scharf umrissen, daß neue Züge kaum hinzukommen können. Sein Wider¬
wille gegen Pomp, Empfang und Ehrenbezeugungen ist bekannt; aber neu war es
mir, daß dieser Zug sich sogar bei dem großen Einzug der Truppen und Fürst¬
lichkeiten in Berlin nach dem französischen Feldzug geltend machte: "Er kam
tags zuvor inkognito zur Stadt, um die Anordnungen zu besehen, fand alles
zu viel; manches mußte wieder zerstört werden, und als er seinen feierlichen
Einzug an der Spitze der Garden hielt, tat er es so überraschend früh vor der
erwarteten Stunde, daß fast noch niemand auf der Straße war und er dadurch
dem größten Hurra entging." Seine letzte Krankheit, sein Tod und seine
Bestattung werden S. 290 bis 330 von Marie Fouque mit großer Ausführ¬
lichkeit und rührender innerer Anteilnahme erzählt.

Zu der umfassenden Charakteristik, die Treitschke (V, 6 f.) von Friedrich
Wilhelm den: Vierten entworfen hat, kann das Buch der Luise v. d. Marmitz
natürlich nur einige unbekannte Splitter beisteuern. Solche finden sich in der
sehr interessanten Aussprache über die Erzieher, die der reichbegabte Fürst nach¬
einander gehabt hat (S. 70 f.), und auch in der Erzählung der Geschichte seiner
Verheiratung mit Elisabeth (1801 bis 1873), der Tochter des Königs Maximilian
des Ersten von Bayern (S. 148 f.). Als Kronprinz von seinem Vater auf
Reisen geschickt, um sich eine Lebensgefährtin zu suchen, hatte er erklärt, die
bayerische Elisabeth heiraten zu wollen. Der Vater nahm Anstoß an der
katholischen Religion der Erwählten. "Mit dem Widerspruch mochte sich nun
vielleicht die Phantasie des Kronprinzen erhitzen, denn aus dem Wohl¬
gefallen, was ein so flüchtiges Begegnen nur erregen kann, entwickelte sich
in seiner Idee eine große Leidenschaft, und nun setzte sich alles
in Bewegung, um die Schwierigkeiten dieser Verbindung zu beseitigen, die
den Gegenstand jahrelanger Unterhandlungen bildeten." Endlich ist alles so
weit, die Verlobung wird vollzogen, der Kronprinz reist zu seiner Braut; beim
ersten Zusammensein mit ihr erklärt er, er sei selig, aber mit einem so zerstreuten,
abstrakten Wesen, daß man keine rechte Wahrheit darin zu erkennen meinte. . -
Man erfuhr auch eine Äußerung der Prinzessin, die besagte: die Leidenschaft¬
lichkeit seiner Briefe wäre ihr fremd und unverständlich gewesen bei der geringen
Bekanntschaft, die bis dahin zwischen ihnen bestanden, und nun hätte sie sie
gar nicht in seinem Wesen wiedererkannt. Die Schilderung, die Karoline
de la Motte-Fouqu.6, die Gattin des Dichters, von Friedrich Wilhelm dem Vierten
als Kronprinzen entwirft, läßt die Verfasserin gefühlvoller Romane erkennen:
"Es liegt ein eigener Zauber für mich in dem Gesichte des Kronprinzen.
Abgesehen von dem Eindruck weicher Güte und allgemeiner Freundlichkeit, den


Vom Leben am preußischen Hofe

sah in der „Hoheit Marianne" zugleich die „Herrin", deren Dienst er sich
geweiht hatte, und die „Muse", von der er seine Inspiration zur Bearbeitung
der Gralsage und den Stoff zu romantischen Schauspielen erwartete (s. mein
Buch: „Fouqus, Apel, Miltitz" S. 131s.; 138; 160f.; 169; 193f.).

Das Bild Friedrich Wilhelms des Dritten ist schon durch das bisher bekannte
Material so scharf umrissen, daß neue Züge kaum hinzukommen können. Sein Wider¬
wille gegen Pomp, Empfang und Ehrenbezeugungen ist bekannt; aber neu war es
mir, daß dieser Zug sich sogar bei dem großen Einzug der Truppen und Fürst¬
lichkeiten in Berlin nach dem französischen Feldzug geltend machte: „Er kam
tags zuvor inkognito zur Stadt, um die Anordnungen zu besehen, fand alles
zu viel; manches mußte wieder zerstört werden, und als er seinen feierlichen
Einzug an der Spitze der Garden hielt, tat er es so überraschend früh vor der
erwarteten Stunde, daß fast noch niemand auf der Straße war und er dadurch
dem größten Hurra entging." Seine letzte Krankheit, sein Tod und seine
Bestattung werden S. 290 bis 330 von Marie Fouque mit großer Ausführ¬
lichkeit und rührender innerer Anteilnahme erzählt.

Zu der umfassenden Charakteristik, die Treitschke (V, 6 f.) von Friedrich
Wilhelm den: Vierten entworfen hat, kann das Buch der Luise v. d. Marmitz
natürlich nur einige unbekannte Splitter beisteuern. Solche finden sich in der
sehr interessanten Aussprache über die Erzieher, die der reichbegabte Fürst nach¬
einander gehabt hat (S. 70 f.), und auch in der Erzählung der Geschichte seiner
Verheiratung mit Elisabeth (1801 bis 1873), der Tochter des Königs Maximilian
des Ersten von Bayern (S. 148 f.). Als Kronprinz von seinem Vater auf
Reisen geschickt, um sich eine Lebensgefährtin zu suchen, hatte er erklärt, die
bayerische Elisabeth heiraten zu wollen. Der Vater nahm Anstoß an der
katholischen Religion der Erwählten. „Mit dem Widerspruch mochte sich nun
vielleicht die Phantasie des Kronprinzen erhitzen, denn aus dem Wohl¬
gefallen, was ein so flüchtiges Begegnen nur erregen kann, entwickelte sich
in seiner Idee eine große Leidenschaft, und nun setzte sich alles
in Bewegung, um die Schwierigkeiten dieser Verbindung zu beseitigen, die
den Gegenstand jahrelanger Unterhandlungen bildeten." Endlich ist alles so
weit, die Verlobung wird vollzogen, der Kronprinz reist zu seiner Braut; beim
ersten Zusammensein mit ihr erklärt er, er sei selig, aber mit einem so zerstreuten,
abstrakten Wesen, daß man keine rechte Wahrheit darin zu erkennen meinte. . -
Man erfuhr auch eine Äußerung der Prinzessin, die besagte: die Leidenschaft¬
lichkeit seiner Briefe wäre ihr fremd und unverständlich gewesen bei der geringen
Bekanntschaft, die bis dahin zwischen ihnen bestanden, und nun hätte sie sie
gar nicht in seinem Wesen wiedererkannt. Die Schilderung, die Karoline
de la Motte-Fouqu.6, die Gattin des Dichters, von Friedrich Wilhelm dem Vierten
als Kronprinzen entwirft, läßt die Verfasserin gefühlvoller Romane erkennen:
„Es liegt ein eigener Zauber für mich in dem Gesichte des Kronprinzen.
Abgesehen von dem Eindruck weicher Güte und allgemeiner Freundlichkeit, den


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316288/134>, abgerufen am 25.08.2024.