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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr.

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die Härten und Ungerechtigkeiten in Erscheinung treten, die ich vorher hervor¬
gehoben habe. Für den Steuerpflichtigen mit einem Einkommen von 100000 M.
oder 500000 M. würde derselbe Steuersatz von 5 Prozent in Anwendung
kommen, die durch besondere Verhältnisse steuerschwachen Kräfte, deren es trotz
gleichen Einkommens in derselben Steuerstufe eine Unmenge gibt, könnten nicht
geschont werden, und die bisher geübte Sparanlage müßte mannigfach in der
Steuerzahlung ihre Verwendung finden. Dazu tritt als außerordentlich bedenk¬
licher Faktor die Verbindung der Einkommensteuererhöhung mit der Gemeinde-
einkommensteuer. Die Verschiedenheit dieser in den einzelnen Gemeinden, die
zwischen 100 bis 400 Prozent in weiter Ausdehnung wechselt, hat die Bedeutung,
daß in einer Gemeinde ein Mehr an Einkommensteuer im Betrage von 10 M.
automatisch eine erhöhte Gesamtbelastung von 20 bis 50 M., also mit einer
gänzlich verschiedenen Wirkung nach sich zieht. Man könnte zwar geneigt sein,
zu glauben, daß die Gemeinden infolge des Anwachsens der Staatseinkommen¬
steuer sich zu einer Reduktion des Prozentsatzes ihres Konunnnalsteuerzuschlages
verstehen würden. Das wäre aber eine arge Täuschung. Der Steuerhnnger
der Gemeinden wird stets auch den geringsten Happen verschlingen, der sich
ihnen darbietet.

Für Preußen hat aber auch die Anwendung der zugunsten des Reiches
angeführten Äquivalenztheorie eine besondere Berechtigung, nur zur Einführung
einer Wertzuwachssteuer überzugehen. Denn kein moderner Staat kultiviert in
einem solchen Umfange gewerbliche Betriebe und wirkt infolgedessen so aus¬
gedehnt auf die Privatwirtschaft ein wie Preußen. Es sei hier nur des Baus
der Eisenbahnen und der Kanäle gedacht, die Stadt und Land mit einer Fülle
nicht nur wirtschaftlicher Anregungen, sondern auch des direkten Wertzuwachses
überschütten. Nur beschränkt sich ihre Wirkung nicht allein auf die Wert-
steigerung des Grund und Bodens, sondern sie erstreckt sich mindestens ebenso
auf Handel und Gewerbe wie auf die Befruchtung des Kapitals.

Für den Vorschlag, diese Wertzuwachssteuer in Form einer Erbschaftssteuer
zu erheben, spricht nicht zuletzt auch die Psyche des Volkes, die rücksichtslos
anerkennt, das derjenige, der sein Leben mit einem ökonomischen Erfolge beendet,
aus diesem, sei es nun für sein Glück, seinen Verstand oder auch für seine
Arbeit, dem Staate einen Tribut zahlen kann. Das Volk erwägt nicht, welcher
dieser drei Faktoren der maßgebendste gewesen ist. Es beachtet nur die Tat¬
sache. Daß der Staat als Verkörperung der Allgemeinheit einen anderen Stand¬
punkt einnehmen sollte, dazu liegt keine Veranlassung vor. Faßt man aber den
Vermögenszuwachs in Preußen schärfer ins Auge, so ergibt sich, daß er fehr
bescheiden ist da, wo wenig war, und daß er progressiv gewaltig steigt, wo
seine Entwicklung eine klingende Unterlage hatte. Paßt sich diesem Verhältnis
eine entsprechende Steuerprogression an, so bietet sich hier endlich ein Weg zu
einem Ausgleich der Belastung, den kein Steuersystem bisher in gleichem Maße
für sich in Anspruch nehmen darf, und man geht zugleich allen berechtigten und


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die Härten und Ungerechtigkeiten in Erscheinung treten, die ich vorher hervor¬
gehoben habe. Für den Steuerpflichtigen mit einem Einkommen von 100000 M.
oder 500000 M. würde derselbe Steuersatz von 5 Prozent in Anwendung
kommen, die durch besondere Verhältnisse steuerschwachen Kräfte, deren es trotz
gleichen Einkommens in derselben Steuerstufe eine Unmenge gibt, könnten nicht
geschont werden, und die bisher geübte Sparanlage müßte mannigfach in der
Steuerzahlung ihre Verwendung finden. Dazu tritt als außerordentlich bedenk¬
licher Faktor die Verbindung der Einkommensteuererhöhung mit der Gemeinde-
einkommensteuer. Die Verschiedenheit dieser in den einzelnen Gemeinden, die
zwischen 100 bis 400 Prozent in weiter Ausdehnung wechselt, hat die Bedeutung,
daß in einer Gemeinde ein Mehr an Einkommensteuer im Betrage von 10 M.
automatisch eine erhöhte Gesamtbelastung von 20 bis 50 M., also mit einer
gänzlich verschiedenen Wirkung nach sich zieht. Man könnte zwar geneigt sein,
zu glauben, daß die Gemeinden infolge des Anwachsens der Staatseinkommen¬
steuer sich zu einer Reduktion des Prozentsatzes ihres Konunnnalsteuerzuschlages
verstehen würden. Das wäre aber eine arge Täuschung. Der Steuerhnnger
der Gemeinden wird stets auch den geringsten Happen verschlingen, der sich
ihnen darbietet.

Für Preußen hat aber auch die Anwendung der zugunsten des Reiches
angeführten Äquivalenztheorie eine besondere Berechtigung, nur zur Einführung
einer Wertzuwachssteuer überzugehen. Denn kein moderner Staat kultiviert in
einem solchen Umfange gewerbliche Betriebe und wirkt infolgedessen so aus¬
gedehnt auf die Privatwirtschaft ein wie Preußen. Es sei hier nur des Baus
der Eisenbahnen und der Kanäle gedacht, die Stadt und Land mit einer Fülle
nicht nur wirtschaftlicher Anregungen, sondern auch des direkten Wertzuwachses
überschütten. Nur beschränkt sich ihre Wirkung nicht allein auf die Wert-
steigerung des Grund und Bodens, sondern sie erstreckt sich mindestens ebenso
auf Handel und Gewerbe wie auf die Befruchtung des Kapitals.

Für den Vorschlag, diese Wertzuwachssteuer in Form einer Erbschaftssteuer
zu erheben, spricht nicht zuletzt auch die Psyche des Volkes, die rücksichtslos
anerkennt, das derjenige, der sein Leben mit einem ökonomischen Erfolge beendet,
aus diesem, sei es nun für sein Glück, seinen Verstand oder auch für seine
Arbeit, dem Staate einen Tribut zahlen kann. Das Volk erwägt nicht, welcher
dieser drei Faktoren der maßgebendste gewesen ist. Es beachtet nur die Tat¬
sache. Daß der Staat als Verkörperung der Allgemeinheit einen anderen Stand¬
punkt einnehmen sollte, dazu liegt keine Veranlassung vor. Faßt man aber den
Vermögenszuwachs in Preußen schärfer ins Auge, so ergibt sich, daß er fehr
bescheiden ist da, wo wenig war, und daß er progressiv gewaltig steigt, wo
seine Entwicklung eine klingende Unterlage hatte. Paßt sich diesem Verhältnis
eine entsprechende Steuerprogression an, so bietet sich hier endlich ein Weg zu
einem Ausgleich der Belastung, den kein Steuersystem bisher in gleichem Maße
für sich in Anspruch nehmen darf, und man geht zugleich allen berechtigten und


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[0126] Mertzmvachsstcncr die Härten und Ungerechtigkeiten in Erscheinung treten, die ich vorher hervor¬ gehoben habe. Für den Steuerpflichtigen mit einem Einkommen von 100000 M. oder 500000 M. würde derselbe Steuersatz von 5 Prozent in Anwendung kommen, die durch besondere Verhältnisse steuerschwachen Kräfte, deren es trotz gleichen Einkommens in derselben Steuerstufe eine Unmenge gibt, könnten nicht geschont werden, und die bisher geübte Sparanlage müßte mannigfach in der Steuerzahlung ihre Verwendung finden. Dazu tritt als außerordentlich bedenk¬ licher Faktor die Verbindung der Einkommensteuererhöhung mit der Gemeinde- einkommensteuer. Die Verschiedenheit dieser in den einzelnen Gemeinden, die zwischen 100 bis 400 Prozent in weiter Ausdehnung wechselt, hat die Bedeutung, daß in einer Gemeinde ein Mehr an Einkommensteuer im Betrage von 10 M. automatisch eine erhöhte Gesamtbelastung von 20 bis 50 M., also mit einer gänzlich verschiedenen Wirkung nach sich zieht. Man könnte zwar geneigt sein, zu glauben, daß die Gemeinden infolge des Anwachsens der Staatseinkommen¬ steuer sich zu einer Reduktion des Prozentsatzes ihres Konunnnalsteuerzuschlages verstehen würden. Das wäre aber eine arge Täuschung. Der Steuerhnnger der Gemeinden wird stets auch den geringsten Happen verschlingen, der sich ihnen darbietet. Für Preußen hat aber auch die Anwendung der zugunsten des Reiches angeführten Äquivalenztheorie eine besondere Berechtigung, nur zur Einführung einer Wertzuwachssteuer überzugehen. Denn kein moderner Staat kultiviert in einem solchen Umfange gewerbliche Betriebe und wirkt infolgedessen so aus¬ gedehnt auf die Privatwirtschaft ein wie Preußen. Es sei hier nur des Baus der Eisenbahnen und der Kanäle gedacht, die Stadt und Land mit einer Fülle nicht nur wirtschaftlicher Anregungen, sondern auch des direkten Wertzuwachses überschütten. Nur beschränkt sich ihre Wirkung nicht allein auf die Wert- steigerung des Grund und Bodens, sondern sie erstreckt sich mindestens ebenso auf Handel und Gewerbe wie auf die Befruchtung des Kapitals. Für den Vorschlag, diese Wertzuwachssteuer in Form einer Erbschaftssteuer zu erheben, spricht nicht zuletzt auch die Psyche des Volkes, die rücksichtslos anerkennt, das derjenige, der sein Leben mit einem ökonomischen Erfolge beendet, aus diesem, sei es nun für sein Glück, seinen Verstand oder auch für seine Arbeit, dem Staate einen Tribut zahlen kann. Das Volk erwägt nicht, welcher dieser drei Faktoren der maßgebendste gewesen ist. Es beachtet nur die Tat¬ sache. Daß der Staat als Verkörperung der Allgemeinheit einen anderen Stand¬ punkt einnehmen sollte, dazu liegt keine Veranlassung vor. Faßt man aber den Vermögenszuwachs in Preußen schärfer ins Auge, so ergibt sich, daß er fehr bescheiden ist da, wo wenig war, und daß er progressiv gewaltig steigt, wo seine Entwicklung eine klingende Unterlage hatte. Paßt sich diesem Verhältnis eine entsprechende Steuerprogression an, so bietet sich hier endlich ein Weg zu einem Ausgleich der Belastung, den kein Steuersystem bisher in gleichem Maße für sich in Anspruch nehmen darf, und man geht zugleich allen berechtigten und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316288/126>, abgerufen am 25.08.2024.