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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr.

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zurückzukommen oder sich Steuerquellen der Einzelstaaten zu bemächtigen und
diesen die Einführung der Erbschaftssteuer vom Vermögen oder von: Vermögens¬
zuwachs zu überlassen.

Wer sich für die erste Alternative entscheidet, der gibt den Beweis, daß
die politischen Folgen der letzten Reichsfinanzreform ihm gleichgültig und spurlos
an ihm vorübergegangen sind. Vor einer Wiederholung des Dramas von
1909 wird aber auch der gemäßigte Liberalismus und jedenfalls die Reichs¬
regierung zurückschrecken. Sie dürste daher nicht in Frage kommen. Es bleibt
dem Reich also nur der zweite Weg offen, sich von den Einzelstaaten bisher
benutzte Steuerquellen dienstbar zu machen. Dafür kommen sowohl die Besteuerung
der Aktiengesellschaften usw., deren Bestehen sich auf Reichsrecht gründet, mit
60 bis 70 Millionen, wie vor allen Dingen als ein naheliegender Ersatz für
die Wertzuwachssteuer von Grundstücken der bei Besitzwechsel der letzteren von
den Einzelstaaten erhobene Jmmobiliarstempel in Betracht. Mit Hilfe dieses
würde sich der Umsatzstempel von ^ Prozent, den heute das Reich mit einen:
Ertrag von 50 Millionen erhebt, auch bei einer Ermäßigung auf Prozent
auf l^/z Prozent erhöhen und 100 Millionen ergeben. Als Ersatz würden
dafür die Einzelstaaten eine Erbschaftssteuer auf den Vermögenszuwachs ein¬
zuführen genötigt sein, wenn sie sich nicht auf anderem Wege einen Ausgleich
schaffen können. Das würde sich auch in Preußen zugleich aus anderen Gründen
empfehlen, die gerade gegenwärtig eine große Bedeutung gewinnen.

Der Etat der allgemeinen Staatsverwaltung pro 1910 weist ein Defizit
von 34 Millionen nach, dessen Beseitigung schwerlich aus den laufenden Ein¬
nahmen zu erreichen sein wird. Zur Deckung der Beamtengehälter wird bis
längstens 1912 ein Zuschlag zur Einkommen- und Ergänzungssteuer von 5 bis
25 Prozent erhoben, der dann durch eine organische Steuerregeluug ersetzt
werdeu muß. spätestens im nächsten Jahre ist also eine Finanzreform in
Preußen zu erwarten, die sowohl die vorher angeführten Zuschlage für die
Physischen Personen, wie die Zuschlage von 40 bezw. 50 Prozent für die
Gesellschaften in. b. H. bezw. die Aktiengesellschaften auslöst. Wenn keine andere
Steuerquelle erschlossen wird, läßt sich eine definitive Verteilung der den physischen
Personen zuschlagsweise zugewiesenen 31 Millionen auf die Einkommensteuer
schwer umgehen, ein Betrag, der sich noch um Teile des auch 1911 nicht zu
deckenden Defizits von 34 Millionen und um den Ertrag des Jmmobilien-
stempels oder der Gesellschaftssteuern erhöhen dürfte, den das Reich eventuell
beanspruchen könnte. Derselbe beläuft sich in jedem Falle auf 40 bis 50 Millionen.
Es wird sich zwar empfehlen, die Steuerprogression, die nach dem bestehenden
Gesetz nur 4 Prozent im Höchstfalle beträgt, auf 5 Prozent zu erhöhen, wie
es schon in vielen Bundesstaaten üblich ist. Aber die damit verbundene
Erweiterung der Progression kann nur hinreichen, um einen geringen Teil des
Bedarfs zu decken. Im wesentlichen müßten alle Steuerstufen gesteigert werden,
um den erforderlichen Deckungsbetrag zu erzielen. Damit würden aber alle


Grenzboten III 1910 1ö

zurückzukommen oder sich Steuerquellen der Einzelstaaten zu bemächtigen und
diesen die Einführung der Erbschaftssteuer vom Vermögen oder von: Vermögens¬
zuwachs zu überlassen.

Wer sich für die erste Alternative entscheidet, der gibt den Beweis, daß
die politischen Folgen der letzten Reichsfinanzreform ihm gleichgültig und spurlos
an ihm vorübergegangen sind. Vor einer Wiederholung des Dramas von
1909 wird aber auch der gemäßigte Liberalismus und jedenfalls die Reichs¬
regierung zurückschrecken. Sie dürste daher nicht in Frage kommen. Es bleibt
dem Reich also nur der zweite Weg offen, sich von den Einzelstaaten bisher
benutzte Steuerquellen dienstbar zu machen. Dafür kommen sowohl die Besteuerung
der Aktiengesellschaften usw., deren Bestehen sich auf Reichsrecht gründet, mit
60 bis 70 Millionen, wie vor allen Dingen als ein naheliegender Ersatz für
die Wertzuwachssteuer von Grundstücken der bei Besitzwechsel der letzteren von
den Einzelstaaten erhobene Jmmobiliarstempel in Betracht. Mit Hilfe dieses
würde sich der Umsatzstempel von ^ Prozent, den heute das Reich mit einen:
Ertrag von 50 Millionen erhebt, auch bei einer Ermäßigung auf Prozent
auf l^/z Prozent erhöhen und 100 Millionen ergeben. Als Ersatz würden
dafür die Einzelstaaten eine Erbschaftssteuer auf den Vermögenszuwachs ein¬
zuführen genötigt sein, wenn sie sich nicht auf anderem Wege einen Ausgleich
schaffen können. Das würde sich auch in Preußen zugleich aus anderen Gründen
empfehlen, die gerade gegenwärtig eine große Bedeutung gewinnen.

Der Etat der allgemeinen Staatsverwaltung pro 1910 weist ein Defizit
von 34 Millionen nach, dessen Beseitigung schwerlich aus den laufenden Ein¬
nahmen zu erreichen sein wird. Zur Deckung der Beamtengehälter wird bis
längstens 1912 ein Zuschlag zur Einkommen- und Ergänzungssteuer von 5 bis
25 Prozent erhoben, der dann durch eine organische Steuerregeluug ersetzt
werdeu muß. spätestens im nächsten Jahre ist also eine Finanzreform in
Preußen zu erwarten, die sowohl die vorher angeführten Zuschlage für die
Physischen Personen, wie die Zuschlage von 40 bezw. 50 Prozent für die
Gesellschaften in. b. H. bezw. die Aktiengesellschaften auslöst. Wenn keine andere
Steuerquelle erschlossen wird, läßt sich eine definitive Verteilung der den physischen
Personen zuschlagsweise zugewiesenen 31 Millionen auf die Einkommensteuer
schwer umgehen, ein Betrag, der sich noch um Teile des auch 1911 nicht zu
deckenden Defizits von 34 Millionen und um den Ertrag des Jmmobilien-
stempels oder der Gesellschaftssteuern erhöhen dürfte, den das Reich eventuell
beanspruchen könnte. Derselbe beläuft sich in jedem Falle auf 40 bis 50 Millionen.
Es wird sich zwar empfehlen, die Steuerprogression, die nach dem bestehenden
Gesetz nur 4 Prozent im Höchstfalle beträgt, auf 5 Prozent zu erhöhen, wie
es schon in vielen Bundesstaaten üblich ist. Aber die damit verbundene
Erweiterung der Progression kann nur hinreichen, um einen geringen Teil des
Bedarfs zu decken. Im wesentlichen müßten alle Steuerstufen gesteigert werden,
um den erforderlichen Deckungsbetrag zu erzielen. Damit würden aber alle


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316288/125>, abgerufen am 25.08.2024.