Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr.Ver Volksschullehrer und die deutsche Sprache im Volk steht, am ehesten die Kraft haben wird, die Verbindung mit den Es ist also verständlich, daß Pannwitz sich an die Volksschullehrer wendet, Ver Volksschullehrer und die deutsche Sprache im Volk steht, am ehesten die Kraft haben wird, die Verbindung mit den Es ist also verständlich, daß Pannwitz sich an die Volksschullehrer wendet, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0550" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/316189"/> <fw type="header" place="top"> Ver Volksschullehrer und die deutsche Sprache</fw><lb/> <p xml:id="ID_2893" prev="#ID_2892"> im Volk steht, am ehesten die Kraft haben wird, die Verbindung mit den<lb/> lebendigen Kräften des Volkstums wieder herzustellen. In der hohen Schätzung<lb/> des Lehrerstandes steht Pannwitz nicht allein. Wohin man im öffentlichen Leben<lb/> blickt, wird man finden, daß mit diesem Stand als mit einem sehr starken Faktor<lb/> gerechnet wird. Die Politiker rechnen mit ihm, die pädagogische Wissenschaft<lb/> sucht ihn auf, die Dichter erbitten feine Hilfe, wenn es um die Jugendliteratur<lb/> geht oder wenn sie den Kampf gegen die Schundliteratur führen wollen; die<lb/> bildenden Künste wissen ihn zu finden, wenn sie Landschaft und Heimat schützen<lb/> wollen; in den Vortragsorganisationen, die durch allgemein verständliche wissen¬<lb/> schaftliche Vorträge einiges Leben hervorzurufen suchen, spielt er eine bestimmte<lb/> Rolle und alle möglichen Humanitären und sozialen Bestrebungen suchen ihn als<lb/> Mittelsmann zu gewinnen. Es liegt mir nicht leicht etwas so fern, als dem<lb/> Lehrerstand mit diesen Worten einen besonders angenehmen Weihrauch zu streuen.<lb/> Wer den Stand schätzt, wird sich hüten, ihn durch sinnlose Lobhudeleien zu<lb/> verderben. Was ich indessen hier verzeichnet habe, sind schlichte Tatsachen, die<lb/> von jedem, der im öffentlichen Leben steht, bestätigt werden müssen. Und daß<lb/> dem Lehrerstand diese Rolle zugefallen ist, ist auch durchaus uicht ohne Grund;<lb/> es ist auch viel mehr in den Existenzbedingungen des Standes begründet,<lb/> als daß es ein Verdienst des einzelnen wäre. Der Lehrer ist durch die Eigenart<lb/> seines Standes in vielen Fällen der geborene Mittelsmann zwischen den kulturellen<lb/> Bestrebungen und den: Volk, und er ist darüber hinaus selber ein Kämpfender<lb/> und Suchender. Der Lehrerstand erstrebt noch seine feste Geltung innerhalb der<lb/> Gesellschaft, und da ihm nichts geschenkt wird, muß er sich jeden Fußbreit in:<lb/> ideellen Kampf erobern. Der Besitz aber macht schläfrig und der Kampf macht<lb/> frisch. Die kämpfende Sehnsucht des Lehrers, der kämpfende Idealismus seines<lb/> Standes haben ihm den starken Einfluß verschafft, den 'er in der Tat besitzt.<lb/> Er ist aus der bitteren Not geboren dieser kämpfende Idealismus, aber er ist<lb/> unleugbar zu einer schönen Tugend geworden. Wie ja denn alle Tugend nach<lb/> einem etwas pessimistischen Wort aus der Not stammen soll.</p><lb/> <p xml:id="ID_2894" next="#ID_2895"> Es ist also verständlich, daß Pannwitz sich an die Volksschullehrer wendet,<lb/> und es ist um so verständlicher, als er Schulprobleine behandelt. Der Haß<lb/> gegell die dogmatische und abstrakte Gelehrsamkeit hat Pannwitz zu der Forderung<lb/> einer bodenständigen Bildung geführt, die er leidenschaftlich durchdacht hat und<lb/> darum auch leidenschaftlich vorträgt. Es wird nicht nur mir so ergangen sein,<lb/> daß man die Forderung der „Bodenständigkeit" in einer Weise vortragen hörte,<lb/> die selber jede Bodenständigkeit vermissen ließ. Die Bodenständigkeit wurde zu<lb/> einer Theorie, die genau so wesenlos war wie alle anderen Theorien auch, und<lb/> es ist darum sehr zu begrüßen, daß Pannwitz nicht fordert, sondern auch den<lb/> Boden wirklich zeigt, auf dem er stehen möchte. In einer früheren Arbeit, in<lb/> der er sich auch an die Lehrer wandte, hat er sich über Kultur im allgemeinen<lb/> und über bodenständige Kultur im besonderen verbreitet: „Der Volksschullehrer<lb/> und die deutsche Kultur" (Verlag der „Hilfe", Schöneberg-Berlin). Es wird</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0550]
Ver Volksschullehrer und die deutsche Sprache
im Volk steht, am ehesten die Kraft haben wird, die Verbindung mit den
lebendigen Kräften des Volkstums wieder herzustellen. In der hohen Schätzung
des Lehrerstandes steht Pannwitz nicht allein. Wohin man im öffentlichen Leben
blickt, wird man finden, daß mit diesem Stand als mit einem sehr starken Faktor
gerechnet wird. Die Politiker rechnen mit ihm, die pädagogische Wissenschaft
sucht ihn auf, die Dichter erbitten feine Hilfe, wenn es um die Jugendliteratur
geht oder wenn sie den Kampf gegen die Schundliteratur führen wollen; die
bildenden Künste wissen ihn zu finden, wenn sie Landschaft und Heimat schützen
wollen; in den Vortragsorganisationen, die durch allgemein verständliche wissen¬
schaftliche Vorträge einiges Leben hervorzurufen suchen, spielt er eine bestimmte
Rolle und alle möglichen Humanitären und sozialen Bestrebungen suchen ihn als
Mittelsmann zu gewinnen. Es liegt mir nicht leicht etwas so fern, als dem
Lehrerstand mit diesen Worten einen besonders angenehmen Weihrauch zu streuen.
Wer den Stand schätzt, wird sich hüten, ihn durch sinnlose Lobhudeleien zu
verderben. Was ich indessen hier verzeichnet habe, sind schlichte Tatsachen, die
von jedem, der im öffentlichen Leben steht, bestätigt werden müssen. Und daß
dem Lehrerstand diese Rolle zugefallen ist, ist auch durchaus uicht ohne Grund;
es ist auch viel mehr in den Existenzbedingungen des Standes begründet,
als daß es ein Verdienst des einzelnen wäre. Der Lehrer ist durch die Eigenart
seines Standes in vielen Fällen der geborene Mittelsmann zwischen den kulturellen
Bestrebungen und den: Volk, und er ist darüber hinaus selber ein Kämpfender
und Suchender. Der Lehrerstand erstrebt noch seine feste Geltung innerhalb der
Gesellschaft, und da ihm nichts geschenkt wird, muß er sich jeden Fußbreit in:
ideellen Kampf erobern. Der Besitz aber macht schläfrig und der Kampf macht
frisch. Die kämpfende Sehnsucht des Lehrers, der kämpfende Idealismus seines
Standes haben ihm den starken Einfluß verschafft, den 'er in der Tat besitzt.
Er ist aus der bitteren Not geboren dieser kämpfende Idealismus, aber er ist
unleugbar zu einer schönen Tugend geworden. Wie ja denn alle Tugend nach
einem etwas pessimistischen Wort aus der Not stammen soll.
Es ist also verständlich, daß Pannwitz sich an die Volksschullehrer wendet,
und es ist um so verständlicher, als er Schulprobleine behandelt. Der Haß
gegell die dogmatische und abstrakte Gelehrsamkeit hat Pannwitz zu der Forderung
einer bodenständigen Bildung geführt, die er leidenschaftlich durchdacht hat und
darum auch leidenschaftlich vorträgt. Es wird nicht nur mir so ergangen sein,
daß man die Forderung der „Bodenständigkeit" in einer Weise vortragen hörte,
die selber jede Bodenständigkeit vermissen ließ. Die Bodenständigkeit wurde zu
einer Theorie, die genau so wesenlos war wie alle anderen Theorien auch, und
es ist darum sehr zu begrüßen, daß Pannwitz nicht fordert, sondern auch den
Boden wirklich zeigt, auf dem er stehen möchte. In einer früheren Arbeit, in
der er sich auch an die Lehrer wandte, hat er sich über Kultur im allgemeinen
und über bodenständige Kultur im besonderen verbreitet: „Der Volksschullehrer
und die deutsche Kultur" (Verlag der „Hilfe", Schöneberg-Berlin). Es wird
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |