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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

richten. Was hier gesagt werden soll, sei vor allem gegen eine bestimmte Nbart
des Auch-Schriftstellers vorgebracht, nicht gegen die Gesamtheit. Unsere guten
Journalisten sind allemal bessere Schriftsteller als die meisten guten Professoren,
haben oft mehr Kultur und weniger Langeweile im Leibe als selbst ein M. d. R.,
das in die Literatur gerät. Also nur die es angeht, mögen sich getroffen fühlen;
und nur weil wir es vertragen können, sei es gesagt.

Kulturmacht? Die Presse wird es nicht allein dadurch, daß sie behauptet,
es zu sein. Was haben "Zoo" und "Bö", "Hapag" und "Vedag", "Bzbg",
"Ila" und "Damuka" mit Kultur zu tun? Oder gar so entsetzliche Gebilde wie
"Tiag" (Tapeten-Jndustrie-Aktien-Gesellschaft) oder "Balg" (Berliner Automobil-
und Industrie-Gesellschaft) und "Agfa" (Aktien - Gesellschaft für Anilin-
Fabrikation)?

Von: "Wüstegiersdorfer Anzeiger" soll gar nicht die Rede sein, nehmen wir nur
Berliner Tageszeitungen. Befiehl man sich etwa den lokalen Teil einer beliebigen
reichshauptstädtischen Gazette, so wird man nicht behaupten können, daß sein
Stil, sein Satzbau, die Suggestionskraft seiner Wortbildung, die Reichhaltigkeit
seiner Ausdrucksmittel auf sonderlicher Höhe ständen. All die Entsetzlichkeiten, die
ein vorsintflutliches Papierdeutsch zuwege bringt, finden sich auch hier. Hie und
da eine frisch geschriebene kleine Plauderei, eine eigenartige Spitzmarke, das ist
alles. Der Rest ist im günstigsten Falle wesenlose Alltäglichkeit. Dazwischen
wirbeln Satz- und Wortungeheuer, unerträgliche Banalitäten und Geschmacklosig¬
keiten. Von einigermaßen individueller Behandlung kaum eine Spur. Stil ist
mehr als Satzbau und Wortform, Stil ist Psyche. Und die Psyche des land¬
läufigen lokalen Teils ist die des mäßigen Reporters und des behaglichen Spie߬
bürgers. Nicht als ob der "Reporter" an sich etwas Geringwertiges wäre.
Italiens größter Journalist war nichts anderes. Er kann ein Künstler sein, nur
ist er es meistens nicht.

Es ist weiß Gott nicht leicht, irgendeinen wirklich guten Bericht zu schreiben,
bei der ewigen Wiederkehr gleicher Ereignisse wechselnde Formen zu finden.
Deshalb braucht man sich kaum darüber aufzuregen, daß bei jedem Kommers
"ein reicher Damenflor" von den Tribünen herabschaut, daß man sich bei solchen
Gelegenheiten erst "in früher Morgenstunde" trennt) daß solche und ähnliche Feste
stets einen "ungetrübten harmonischen Verlauf" nehmen. Der eine Redner "feiert"
eben "in begeisterten Worten", der andere spricht "in heiterer und gemütvoller"
oder gar in "feinsinniger" Weise. Die "kulinarischen Genüsse" stammen natürlich
stets aus der "trefflichen Ökonomie" oder der "renommierten Küche" des Herrn X.
Jeder Jubilar dankt "sichtlich gerührt", während es sich für einen Leidtragenden
schickt, "mit tränenerstickter Stimme" zu sprechen. Ein Vorsitzender ist bekanntlich
immer "bewährt" und "verdienstvoll". Eine junge Dame, die einen Prolog
vorträgt, tut das "mit warmer Empfindung" und ist stets "anmutig". Das ließe
sich endlos vermehren, ist aber verhältnismäßig belanglos. Schlimmer ist anderes.
Wer mehrere oder gar viele Zeitungen liest, findet die stereotypen Lokalnotizen
überall wieder. Meistens in dem gleichen Wortlaut und mit der nämlichen
Spitzmarke. Hier ist Burgfriede, hier schweigt der Haß der Fraktionen. Die
Zeitungen abonnieren eben fast alle auf dieselben Korrespondenzen, deren Inhaber
nicht durchweg Geistesheroen und Stilkünstler ersten Ranges sind. Der Lokal¬
redakteur, mag er sonst durchaus befähigt sein, hat einfach keine Muße, alles
umzuschreiben, zu feilen und zuzuspitzen. Er begnügt sich damit, allzu zeilen-
hungrige Nichtigkeiten zu streichen. Die kleineren oder größeren Schönheitsfehler,
die Schnitzer wider Grammatik und Geschmack bleiben oft genug stehen.


Maßgebliches und Unmaßgebliches

richten. Was hier gesagt werden soll, sei vor allem gegen eine bestimmte Nbart
des Auch-Schriftstellers vorgebracht, nicht gegen die Gesamtheit. Unsere guten
Journalisten sind allemal bessere Schriftsteller als die meisten guten Professoren,
haben oft mehr Kultur und weniger Langeweile im Leibe als selbst ein M. d. R.,
das in die Literatur gerät. Also nur die es angeht, mögen sich getroffen fühlen;
und nur weil wir es vertragen können, sei es gesagt.

Kulturmacht? Die Presse wird es nicht allein dadurch, daß sie behauptet,
es zu sein. Was haben „Zoo" und „Bö", „Hapag" und „Vedag", „Bzbg",
„Ila" und „Damuka" mit Kultur zu tun? Oder gar so entsetzliche Gebilde wie
„Tiag" (Tapeten-Jndustrie-Aktien-Gesellschaft) oder „Balg" (Berliner Automobil-
und Industrie-Gesellschaft) und „Agfa" (Aktien - Gesellschaft für Anilin-
Fabrikation)?

Von: „Wüstegiersdorfer Anzeiger" soll gar nicht die Rede sein, nehmen wir nur
Berliner Tageszeitungen. Befiehl man sich etwa den lokalen Teil einer beliebigen
reichshauptstädtischen Gazette, so wird man nicht behaupten können, daß sein
Stil, sein Satzbau, die Suggestionskraft seiner Wortbildung, die Reichhaltigkeit
seiner Ausdrucksmittel auf sonderlicher Höhe ständen. All die Entsetzlichkeiten, die
ein vorsintflutliches Papierdeutsch zuwege bringt, finden sich auch hier. Hie und
da eine frisch geschriebene kleine Plauderei, eine eigenartige Spitzmarke, das ist
alles. Der Rest ist im günstigsten Falle wesenlose Alltäglichkeit. Dazwischen
wirbeln Satz- und Wortungeheuer, unerträgliche Banalitäten und Geschmacklosig¬
keiten. Von einigermaßen individueller Behandlung kaum eine Spur. Stil ist
mehr als Satzbau und Wortform, Stil ist Psyche. Und die Psyche des land¬
läufigen lokalen Teils ist die des mäßigen Reporters und des behaglichen Spie߬
bürgers. Nicht als ob der „Reporter" an sich etwas Geringwertiges wäre.
Italiens größter Journalist war nichts anderes. Er kann ein Künstler sein, nur
ist er es meistens nicht.

Es ist weiß Gott nicht leicht, irgendeinen wirklich guten Bericht zu schreiben,
bei der ewigen Wiederkehr gleicher Ereignisse wechselnde Formen zu finden.
Deshalb braucht man sich kaum darüber aufzuregen, daß bei jedem Kommers
„ein reicher Damenflor" von den Tribünen herabschaut, daß man sich bei solchen
Gelegenheiten erst „in früher Morgenstunde" trennt) daß solche und ähnliche Feste
stets einen „ungetrübten harmonischen Verlauf" nehmen. Der eine Redner „feiert"
eben „in begeisterten Worten", der andere spricht „in heiterer und gemütvoller"
oder gar in „feinsinniger" Weise. Die „kulinarischen Genüsse" stammen natürlich
stets aus der „trefflichen Ökonomie" oder der „renommierten Küche" des Herrn X.
Jeder Jubilar dankt „sichtlich gerührt", während es sich für einen Leidtragenden
schickt, „mit tränenerstickter Stimme" zu sprechen. Ein Vorsitzender ist bekanntlich
immer „bewährt" und „verdienstvoll". Eine junge Dame, die einen Prolog
vorträgt, tut das „mit warmer Empfindung" und ist stets „anmutig". Das ließe
sich endlos vermehren, ist aber verhältnismäßig belanglos. Schlimmer ist anderes.
Wer mehrere oder gar viele Zeitungen liest, findet die stereotypen Lokalnotizen
überall wieder. Meistens in dem gleichen Wortlaut und mit der nämlichen
Spitzmarke. Hier ist Burgfriede, hier schweigt der Haß der Fraktionen. Die
Zeitungen abonnieren eben fast alle auf dieselben Korrespondenzen, deren Inhaber
nicht durchweg Geistesheroen und Stilkünstler ersten Ranges sind. Der Lokal¬
redakteur, mag er sonst durchaus befähigt sein, hat einfach keine Muße, alles
umzuschreiben, zu feilen und zuzuspitzen. Er begnügt sich damit, allzu zeilen-
hungrige Nichtigkeiten zu streichen. Die kleineren oder größeren Schönheitsfehler,
die Schnitzer wider Grammatik und Geschmack bleiben oft genug stehen.


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[0538] Maßgebliches und Unmaßgebliches richten. Was hier gesagt werden soll, sei vor allem gegen eine bestimmte Nbart des Auch-Schriftstellers vorgebracht, nicht gegen die Gesamtheit. Unsere guten Journalisten sind allemal bessere Schriftsteller als die meisten guten Professoren, haben oft mehr Kultur und weniger Langeweile im Leibe als selbst ein M. d. R., das in die Literatur gerät. Also nur die es angeht, mögen sich getroffen fühlen; und nur weil wir es vertragen können, sei es gesagt. Kulturmacht? Die Presse wird es nicht allein dadurch, daß sie behauptet, es zu sein. Was haben „Zoo" und „Bö", „Hapag" und „Vedag", „Bzbg", „Ila" und „Damuka" mit Kultur zu tun? Oder gar so entsetzliche Gebilde wie „Tiag" (Tapeten-Jndustrie-Aktien-Gesellschaft) oder „Balg" (Berliner Automobil- und Industrie-Gesellschaft) und „Agfa" (Aktien - Gesellschaft für Anilin- Fabrikation)? Von: „Wüstegiersdorfer Anzeiger" soll gar nicht die Rede sein, nehmen wir nur Berliner Tageszeitungen. Befiehl man sich etwa den lokalen Teil einer beliebigen reichshauptstädtischen Gazette, so wird man nicht behaupten können, daß sein Stil, sein Satzbau, die Suggestionskraft seiner Wortbildung, die Reichhaltigkeit seiner Ausdrucksmittel auf sonderlicher Höhe ständen. All die Entsetzlichkeiten, die ein vorsintflutliches Papierdeutsch zuwege bringt, finden sich auch hier. Hie und da eine frisch geschriebene kleine Plauderei, eine eigenartige Spitzmarke, das ist alles. Der Rest ist im günstigsten Falle wesenlose Alltäglichkeit. Dazwischen wirbeln Satz- und Wortungeheuer, unerträgliche Banalitäten und Geschmacklosig¬ keiten. Von einigermaßen individueller Behandlung kaum eine Spur. Stil ist mehr als Satzbau und Wortform, Stil ist Psyche. Und die Psyche des land¬ läufigen lokalen Teils ist die des mäßigen Reporters und des behaglichen Spie߬ bürgers. Nicht als ob der „Reporter" an sich etwas Geringwertiges wäre. Italiens größter Journalist war nichts anderes. Er kann ein Künstler sein, nur ist er es meistens nicht. Es ist weiß Gott nicht leicht, irgendeinen wirklich guten Bericht zu schreiben, bei der ewigen Wiederkehr gleicher Ereignisse wechselnde Formen zu finden. Deshalb braucht man sich kaum darüber aufzuregen, daß bei jedem Kommers „ein reicher Damenflor" von den Tribünen herabschaut, daß man sich bei solchen Gelegenheiten erst „in früher Morgenstunde" trennt) daß solche und ähnliche Feste stets einen „ungetrübten harmonischen Verlauf" nehmen. Der eine Redner „feiert" eben „in begeisterten Worten", der andere spricht „in heiterer und gemütvoller" oder gar in „feinsinniger" Weise. Die „kulinarischen Genüsse" stammen natürlich stets aus der „trefflichen Ökonomie" oder der „renommierten Küche" des Herrn X. Jeder Jubilar dankt „sichtlich gerührt", während es sich für einen Leidtragenden schickt, „mit tränenerstickter Stimme" zu sprechen. Ein Vorsitzender ist bekanntlich immer „bewährt" und „verdienstvoll". Eine junge Dame, die einen Prolog vorträgt, tut das „mit warmer Empfindung" und ist stets „anmutig". Das ließe sich endlos vermehren, ist aber verhältnismäßig belanglos. Schlimmer ist anderes. Wer mehrere oder gar viele Zeitungen liest, findet die stereotypen Lokalnotizen überall wieder. Meistens in dem gleichen Wortlaut und mit der nämlichen Spitzmarke. Hier ist Burgfriede, hier schweigt der Haß der Fraktionen. Die Zeitungen abonnieren eben fast alle auf dieselben Korrespondenzen, deren Inhaber nicht durchweg Geistesheroen und Stilkünstler ersten Ranges sind. Der Lokal¬ redakteur, mag er sonst durchaus befähigt sein, hat einfach keine Muße, alles umzuschreiben, zu feilen und zuzuspitzen. Er begnügt sich damit, allzu zeilen- hungrige Nichtigkeiten zu streichen. Die kleineren oder größeren Schönheitsfehler, die Schnitzer wider Grammatik und Geschmack bleiben oft genug stehen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_315638/538>, abgerufen am 01.07.2024.