Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr.Der Austauschprofcssor "Hier ist kein Wagengeschäft," sagte der Wirt bedauernd. "Said Augustin het jo eenen Stahr," bemerkte der Hausknecht zu seinem "Den Landauer, dat olle Wrack," rief der Wirt entsetzt. "Setzen Sie sich beim Chauffeur und bringen Sie uns nach Schmied Man fuhr nach Schmied Augustin. Miß Granton besichtigte den Landauer. Miß Granton hatte also, trotz Doktor Jerums Abnahmen, ihren amerikanischen Nicht so glänzend und nicht so schnell wie bei der ersten Abfahrt nach Der Austauschprofcssor „Hier ist kein Wagengeschäft," sagte der Wirt bedauernd. „Said Augustin het jo eenen Stahr," bemerkte der Hausknecht zu seinem „Den Landauer, dat olle Wrack," rief der Wirt entsetzt. „Setzen Sie sich beim Chauffeur und bringen Sie uns nach Schmied Man fuhr nach Schmied Augustin. Miß Granton besichtigte den Landauer. Miß Granton hatte also, trotz Doktor Jerums Abnahmen, ihren amerikanischen Nicht so glänzend und nicht so schnell wie bei der ersten Abfahrt nach <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0529" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/316168"/> <fw type="header" place="top"> Der Austauschprofcssor</fw><lb/> <p xml:id="ID_2778"> „Hier ist kein Wagengeschäft," sagte der Wirt bedauernd.</p><lb/> <p xml:id="ID_2779"> „Said Augustin het jo eenen Stahr," bemerkte der Hausknecht zu seinem<lb/> Prinzipal.</p><lb/> <p xml:id="ID_2780"> „Den Landauer, dat olle Wrack," rief der Wirt entsetzt.</p><lb/> <p xml:id="ID_2781"> „Setzen Sie sich beim Chauffeur und bringen Sie uns nach Schmied<lb/> Augustin," befahl Miß Granton den: Hausknecht.</p><lb/> <p xml:id="ID_2782"> Man fuhr nach Schmied Augustin. Miß Granton besichtigte den Landauer.<lb/> Es war ein bösartiger Kasten. Ohne Fenster und auch sonst vom Zahn der<lb/> Zeit stark benagt. Schmied Augustin hatte ihn vom Fuhrwerksbesitzer Tuthoru<lb/> für fünfundzwanzig Mark gerauscht. Aber bis zu den „Vierdörfern" hin und<lb/> Zurück würde er wohl halten, meinte Schmied Augustin. Und ein Pferd? Ein<lb/> Pferd würde sie vielleicht beim Statthalter Eddelbüttel bekommen. Das Ant fuhr<lb/> ZU Statthalter Eddelbüttel. Statthalter Eddelbüttel hatte ein Pferd zu verkaufen.<lb/> Einen ganz schönen brannen Wallach. — Daß er mit Roßschlachter Bullerjahn<lb/> wegen des Braunen in Verhandlung stand, verschwieg Statthalter Eddelbüttel. —<lb/> Das Pferd wurde nach flüchtiger Besichtigung im Stall gekauft. Eine Pferde¬<lb/> decke gab Eddelbüttel zu, damit die Bergstädter Jungens unterwegs ihre Mützen<lb/> nicht an der alten Kracke aufhängen sollten. Und einen Kutscher besorgte er<lb/> anch noch.</p><lb/> <p xml:id="ID_2783"> Miß Granton hatte also, trotz Doktor Jerums Abnahmen, ihren amerikanischen<lb/> Dickkopf durchgesetzt. Auf seine Frage, was sie nach beendeter Expedition mit<lb/> Roß und Wagen anfangen wolle, erwiderte sie lakonisch: „Verkaufen."</p><lb/> <p xml:id="ID_2784"> Nicht so glänzend und nicht so schnell wie bei der ersten Abfahrt nach<lb/> dem Kruslaker Damm ging die zweite von dannen. Die Kirche war aus, und<lb/> die Kirchenbesucher: Oberpostsekretär Krause nebst Fran und Tochter Maki,<lb/> Professor Graunzer und die übrigen Honoratioren sahen mit Staunen, ja<lb/> Entsetzen ihren Doktor Jerum, den sie per Aut nach Persien oder sonst wohin<lb/> unterwegs wähnten, in Schmied Augustins altem Droschkenwrack, gezogen von<lb/> Statthalter Eddelbüttels allerältesten Wallach, neben sich eine bildhübsche Dame,<lb/> den Neger von vorhin als Groom auf dem Kutschersitz, einen: unbekannten Ziel<lb/> Zustreben. Polizeisergeant Bunte blickte forschend in den Wagen und war geneigt,<lb/> die Visitenkarte Doktor Jerums für eine plumpe Fälschung und ihn selbst für einen<lb/> Hochstapler zu halten. Doktor Jerums Direktor nahm gleichfalls Einblick in die<lb/> Kutsche und beschloß, dem jungen Mann morgen früh wegen nicht standesgemäßen,<lb/> möglicherweise sogar unmoralischen Benehmens den Standpunkt klar zu machen.<lb/> Und Assessor Weißnix, Buchhändler Negenschwert und Doktor Viola erkannten von<lb/> ihrem Stammtisch aus den Insassen, rissen schleunigst das Fenster auf, hielten<lb/> 'hre Bierkruge hinaus und riefen: „Prost Jerum!" Ferner folgten mehrere<lb/> Knaben, gewöhnliche und auch welche aus der Sexta, der Fuhre mit Hohngelächter<lb/> und gaben ihrem Interesse an Statthalter Eddelbüttels altem Wallach, dem<lb/> bohren und allem, was sonst noch dahinter war, mit schnöden Witzen<lb/> Ausdruck.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0529]
Der Austauschprofcssor
„Hier ist kein Wagengeschäft," sagte der Wirt bedauernd.
„Said Augustin het jo eenen Stahr," bemerkte der Hausknecht zu seinem
Prinzipal.
„Den Landauer, dat olle Wrack," rief der Wirt entsetzt.
„Setzen Sie sich beim Chauffeur und bringen Sie uns nach Schmied
Augustin," befahl Miß Granton den: Hausknecht.
Man fuhr nach Schmied Augustin. Miß Granton besichtigte den Landauer.
Es war ein bösartiger Kasten. Ohne Fenster und auch sonst vom Zahn der
Zeit stark benagt. Schmied Augustin hatte ihn vom Fuhrwerksbesitzer Tuthoru
für fünfundzwanzig Mark gerauscht. Aber bis zu den „Vierdörfern" hin und
Zurück würde er wohl halten, meinte Schmied Augustin. Und ein Pferd? Ein
Pferd würde sie vielleicht beim Statthalter Eddelbüttel bekommen. Das Ant fuhr
ZU Statthalter Eddelbüttel. Statthalter Eddelbüttel hatte ein Pferd zu verkaufen.
Einen ganz schönen brannen Wallach. — Daß er mit Roßschlachter Bullerjahn
wegen des Braunen in Verhandlung stand, verschwieg Statthalter Eddelbüttel. —
Das Pferd wurde nach flüchtiger Besichtigung im Stall gekauft. Eine Pferde¬
decke gab Eddelbüttel zu, damit die Bergstädter Jungens unterwegs ihre Mützen
nicht an der alten Kracke aufhängen sollten. Und einen Kutscher besorgte er
anch noch.
Miß Granton hatte also, trotz Doktor Jerums Abnahmen, ihren amerikanischen
Dickkopf durchgesetzt. Auf seine Frage, was sie nach beendeter Expedition mit
Roß und Wagen anfangen wolle, erwiderte sie lakonisch: „Verkaufen."
Nicht so glänzend und nicht so schnell wie bei der ersten Abfahrt nach
dem Kruslaker Damm ging die zweite von dannen. Die Kirche war aus, und
die Kirchenbesucher: Oberpostsekretär Krause nebst Fran und Tochter Maki,
Professor Graunzer und die übrigen Honoratioren sahen mit Staunen, ja
Entsetzen ihren Doktor Jerum, den sie per Aut nach Persien oder sonst wohin
unterwegs wähnten, in Schmied Augustins altem Droschkenwrack, gezogen von
Statthalter Eddelbüttels allerältesten Wallach, neben sich eine bildhübsche Dame,
den Neger von vorhin als Groom auf dem Kutschersitz, einen: unbekannten Ziel
Zustreben. Polizeisergeant Bunte blickte forschend in den Wagen und war geneigt,
die Visitenkarte Doktor Jerums für eine plumpe Fälschung und ihn selbst für einen
Hochstapler zu halten. Doktor Jerums Direktor nahm gleichfalls Einblick in die
Kutsche und beschloß, dem jungen Mann morgen früh wegen nicht standesgemäßen,
möglicherweise sogar unmoralischen Benehmens den Standpunkt klar zu machen.
Und Assessor Weißnix, Buchhändler Negenschwert und Doktor Viola erkannten von
ihrem Stammtisch aus den Insassen, rissen schleunigst das Fenster auf, hielten
'hre Bierkruge hinaus und riefen: „Prost Jerum!" Ferner folgten mehrere
Knaben, gewöhnliche und auch welche aus der Sexta, der Fuhre mit Hohngelächter
und gaben ihrem Interesse an Statthalter Eddelbüttels altem Wallach, dem
bohren und allem, was sonst noch dahinter war, mit schnöden Witzen
Ausdruck.
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