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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr.

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Gedichte

deren Beispiel bis jetzt recht gute Früchte getragen hat. Diese Bestrebungen
machen gerade jetzt auch deshalb z. B. größere Fortschritte, weil die Gewerkschafts-
sührer immer mehr in dem Alkohol einen Mitverschulder erfolgloser Streiks und
sonstiger gewerkschaftlichen Bestrebungen erkennen. In Schweden hat bei
dem letzten Generalstreik die Streikleitung von vornherein den Genuß von
Alkohol verboten und ist darin auch von der Regierung unterstützt worden.
Auch der neue Entwurf zur Reichsversicherungsordnung läßt den Krankenkassen
mehr als bisher freien Spielraum in der Verwendung von Kassenmitteln zur
Bekämpfung des übermäßigen Alkoholgenusses. Eine ähnliche Absicht verfolgt
auch der Vorentwurf zum neuen Strafgesetzbuch. Trunkenheitsdelikte wurden
bisher so behandelt, daß bei sinnloser Trunkenheit Freispruch erfolgte oder
Angetrunkenheit ein Grund für mildernde Umstände war. Nunmehr macht der
Vorentwurf zum neuen Strafgesetzbuch den Vorschlag, daß das Gericht in Fällen
von Trunkenheit neben der Strafe auch auf Verbot des Wirtshausbesuches
erkennen kann. Ferner kann die Unterbringung des Verurteilten in einer
Trinkerheilanstalt angeordnet werden.

All diese Maßnahmen werden zweifellos nicht bewirken, daß der Alkohol¬
konsum aufhört, das ist ein Ding der Unmöglichkeit. Darum schießen auch die
Bestrebungen der reinen Abstinenzler über das Ziel hinaus. Unter Berücksichtigung
einer gesunden Realpolitik muß hier das unverrückbare Ziel bleiben: Bekämpfung
des übermäßigen Alkoholgenusses im Interesse des einzelnen, im Interesse
der gesamten Volkswirtschaft und damit auch im Interesse der Erhaltung der
deutschen Wehrkraft.




Lied am Weg

Armin T, wegner
Gedichte

deren Beispiel bis jetzt recht gute Früchte getragen hat. Diese Bestrebungen
machen gerade jetzt auch deshalb z. B. größere Fortschritte, weil die Gewerkschafts-
sührer immer mehr in dem Alkohol einen Mitverschulder erfolgloser Streiks und
sonstiger gewerkschaftlichen Bestrebungen erkennen. In Schweden hat bei
dem letzten Generalstreik die Streikleitung von vornherein den Genuß von
Alkohol verboten und ist darin auch von der Regierung unterstützt worden.
Auch der neue Entwurf zur Reichsversicherungsordnung läßt den Krankenkassen
mehr als bisher freien Spielraum in der Verwendung von Kassenmitteln zur
Bekämpfung des übermäßigen Alkoholgenusses. Eine ähnliche Absicht verfolgt
auch der Vorentwurf zum neuen Strafgesetzbuch. Trunkenheitsdelikte wurden
bisher so behandelt, daß bei sinnloser Trunkenheit Freispruch erfolgte oder
Angetrunkenheit ein Grund für mildernde Umstände war. Nunmehr macht der
Vorentwurf zum neuen Strafgesetzbuch den Vorschlag, daß das Gericht in Fällen
von Trunkenheit neben der Strafe auch auf Verbot des Wirtshausbesuches
erkennen kann. Ferner kann die Unterbringung des Verurteilten in einer
Trinkerheilanstalt angeordnet werden.

All diese Maßnahmen werden zweifellos nicht bewirken, daß der Alkohol¬
konsum aufhört, das ist ein Ding der Unmöglichkeit. Darum schießen auch die
Bestrebungen der reinen Abstinenzler über das Ziel hinaus. Unter Berücksichtigung
einer gesunden Realpolitik muß hier das unverrückbare Ziel bleiben: Bekämpfung
des übermäßigen Alkoholgenusses im Interesse des einzelnen, im Interesse
der gesamten Volkswirtschaft und damit auch im Interesse der Erhaltung der
deutschen Wehrkraft.




Lied am Weg

Armin T, wegner
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[0526] Gedichte deren Beispiel bis jetzt recht gute Früchte getragen hat. Diese Bestrebungen machen gerade jetzt auch deshalb z. B. größere Fortschritte, weil die Gewerkschafts- sührer immer mehr in dem Alkohol einen Mitverschulder erfolgloser Streiks und sonstiger gewerkschaftlichen Bestrebungen erkennen. In Schweden hat bei dem letzten Generalstreik die Streikleitung von vornherein den Genuß von Alkohol verboten und ist darin auch von der Regierung unterstützt worden. Auch der neue Entwurf zur Reichsversicherungsordnung läßt den Krankenkassen mehr als bisher freien Spielraum in der Verwendung von Kassenmitteln zur Bekämpfung des übermäßigen Alkoholgenusses. Eine ähnliche Absicht verfolgt auch der Vorentwurf zum neuen Strafgesetzbuch. Trunkenheitsdelikte wurden bisher so behandelt, daß bei sinnloser Trunkenheit Freispruch erfolgte oder Angetrunkenheit ein Grund für mildernde Umstände war. Nunmehr macht der Vorentwurf zum neuen Strafgesetzbuch den Vorschlag, daß das Gericht in Fällen von Trunkenheit neben der Strafe auch auf Verbot des Wirtshausbesuches erkennen kann. Ferner kann die Unterbringung des Verurteilten in einer Trinkerheilanstalt angeordnet werden. All diese Maßnahmen werden zweifellos nicht bewirken, daß der Alkohol¬ konsum aufhört, das ist ein Ding der Unmöglichkeit. Darum schießen auch die Bestrebungen der reinen Abstinenzler über das Ziel hinaus. Unter Berücksichtigung einer gesunden Realpolitik muß hier das unverrückbare Ziel bleiben: Bekämpfung des übermäßigen Alkoholgenusses im Interesse des einzelnen, im Interesse der gesamten Volkswirtschaft und damit auch im Interesse der Erhaltung der deutschen Wehrkraft. Lied am Weg Armin T, wegner

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_315638/526>, abgerufen am 01.07.2024.