Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches innerhalb des Dreibunds allmählich fast zur feststehenden Sitte geworden ist. Es ist nachgerade allgemein geübte Regel geworden, daß die gekrönten Was den Besuch des Marchese ti San Giuliano betrifft, so darf man wohl Maßgebliches und Unmaßgebliches innerhalb des Dreibunds allmählich fast zur feststehenden Sitte geworden ist. Es ist nachgerade allgemein geübte Regel geworden, daß die gekrönten Was den Besuch des Marchese ti San Giuliano betrifft, so darf man wohl <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0487" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/316126"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <p xml:id="ID_2552" prev="#ID_2551"> innerhalb des Dreibunds allmählich fast zur feststehenden Sitte geworden ist.<lb/> Endlich ist auch das Eintreffen der chinesischen Studienkommission zu erwähnen,<lb/> die im Auftrage des Prinzregenten von China Europa bereist, um sich über<lb/> militärische Verhältnisse zu unterrichten. Eine Trübung und Störung erfuhren<lb/> alle diese Veranstaltungen dadurch, daß der Kaiser — durch einen Furunkel am<lb/> rechten Handgelenk am Tragen der Uniform behindert und auch sonst zur Schonung<lb/> genötigt — den offiziellen Empfängen leider fernbleiben mußte.</p><lb/> <p xml:id="ID_2553"> Es ist nachgerade allgemein geübte Regel geworden, daß die gekrönten<lb/> Häupter Europas nach ihrem Regierungsantritt ihren Antrittsbesuch bei den aus¬<lb/> ländischen Höfen machen. König Albert der Belgier hat die Reihe dieser Besuche<lb/> in Berlin begonnen, nachdem ihn kurz zuvor ein andrer Anlaß, der Tod des ihm<lb/> blutsverwandten Königs Eduard, nach London geführt hatte. Aus der Reihenfolge<lb/> solcher Besuche besondre Schlußfolgerungen zu ziehen, wie es bei dieser Gelegenheit<lb/> von Paris aus in überflüssiger Eifersucht versucht worden ist, liegt gar kein Grund<lb/> vor. Es ist gar nicht daran zu zweifeln, daß König Albert es verstehen wird,<lb/> gegen Frankreich dieselbe Aufmerksamkeit und Freundschaft zu bekunden, wie gegen<lb/> uns. Wir rechnen da nicht ängstlich nach, sondern stellen nur mit Befriedigung<lb/> fest, daß der König in überaus würdiger und sympathischer Weise den gemein¬<lb/> samen Interessen und freundschaftlichen Beziehungen, die die beiden Nachbarstaaten<lb/> Deutschland und Belgien verbinden, Ausdruck gegeben hat. Er wußte das Per¬<lb/> sönliche — denn er stammt aus einem deutschen Hause und hat eine deutsche<lb/> Prinzessin zur Gemahlin — in herzlicher Form durchblicken zu lassen, ohne<lb/> irgendwie zu vergessen, daß er als der höchste Vertreter eines unabhängigen<lb/> Nachbarstaats unter uns weilte.</p><lb/> <p xml:id="ID_2554" next="#ID_2555"> Was den Besuch des Marchese ti San Giuliano betrifft, so darf man wohl<lb/> sagen, daß das übliche „Communiouö", das am Schluß solcher Besuche in möglichst<lb/> diplomatischen Ausdrücken die beiderseitige Übereinstimmung in allen wichtigen<lb/> Fragen festzustellen pflegt, diesmal nicht bloß Phrase war. Es entspricht dem<lb/> gegenwärtigen politischen Bedürfnis Italiens, den Zusammenhang mit den beiden<lb/> andern Dreibundmächten entschieden festzuhalten und zu betonen, und dieses<lb/> Bedürfnis begegnet unsern eignen Wünschen. Die freundschaftliche Aussprache der<lb/> verantwortlichen Leiter der auswärtigen Politik zweier Großmächte ist immer von<lb/> Nutzen, besonders aber dann, wenn sie von vornherein von persönlichem Vertrauen<lb/> getragen und mit der festen Absicht möglichst weitgehender Verständigung über<lb/> alle Einzelfragen geführt wird. Der italienische Minister hat mit großer Wärme<lb/> anerkannt, daß er in Berlin überaus herzlich empfangen worden ist, und er ist<lb/> offenbar sehr befriedigt über das Ergebnis der Besprechungen zurückgekehrt. Wir<lb/> empfinden darüber lebhafte Genugtuung, weil es in der Richtung unsrer deutscheu<lb/> Interessen und Bestrebungen liegt, weil es ferner eine Anerkennung unsrer schon<lb/> von Bismarck begründeten und seit Jahrzehnten festgehaltenen Politik gegenüber<lb/> Italien bedeutet, und auch — wir möchten nicht unterlassen, das zu betonen —<lb/> weil San Giuliano zu den italienischen Staatsmännern gehört, die geeignet sind,<lb/> uns Vertrauen und Sympathie einzuflößen. Freilich hat es auch jetzt in der<lb/> deutschen Presse nicht an gönnerhaften Bemerkungen gefehlt, in denen die Erwartung<lb/> ausgedrückt wurde, Italien werde nun hoffentlich keine „Extratouren" mehr tanzen.<lb/> Derartige Bemerkungen sind natürlich dazu bestimmt, erstens in demi Leser den<lb/> Eindruck einer klugen Überlegenheit und Nüchternheit des Beurteilens zu erwecken<lb/> und zweitens die Möglichkeit vorzubereiten, daß man der Negierung und den<lb/> Politikern, die der gegenwärtigen italienischen Regierung ihre Sympathie aus¬<lb/> gesprochen haben, später gegebenenfalls den Vorwurf kurzsichtiger Vertrauensseligkeit</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0487]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
innerhalb des Dreibunds allmählich fast zur feststehenden Sitte geworden ist.
Endlich ist auch das Eintreffen der chinesischen Studienkommission zu erwähnen,
die im Auftrage des Prinzregenten von China Europa bereist, um sich über
militärische Verhältnisse zu unterrichten. Eine Trübung und Störung erfuhren
alle diese Veranstaltungen dadurch, daß der Kaiser — durch einen Furunkel am
rechten Handgelenk am Tragen der Uniform behindert und auch sonst zur Schonung
genötigt — den offiziellen Empfängen leider fernbleiben mußte.
Es ist nachgerade allgemein geübte Regel geworden, daß die gekrönten
Häupter Europas nach ihrem Regierungsantritt ihren Antrittsbesuch bei den aus¬
ländischen Höfen machen. König Albert der Belgier hat die Reihe dieser Besuche
in Berlin begonnen, nachdem ihn kurz zuvor ein andrer Anlaß, der Tod des ihm
blutsverwandten Königs Eduard, nach London geführt hatte. Aus der Reihenfolge
solcher Besuche besondre Schlußfolgerungen zu ziehen, wie es bei dieser Gelegenheit
von Paris aus in überflüssiger Eifersucht versucht worden ist, liegt gar kein Grund
vor. Es ist gar nicht daran zu zweifeln, daß König Albert es verstehen wird,
gegen Frankreich dieselbe Aufmerksamkeit und Freundschaft zu bekunden, wie gegen
uns. Wir rechnen da nicht ängstlich nach, sondern stellen nur mit Befriedigung
fest, daß der König in überaus würdiger und sympathischer Weise den gemein¬
samen Interessen und freundschaftlichen Beziehungen, die die beiden Nachbarstaaten
Deutschland und Belgien verbinden, Ausdruck gegeben hat. Er wußte das Per¬
sönliche — denn er stammt aus einem deutschen Hause und hat eine deutsche
Prinzessin zur Gemahlin — in herzlicher Form durchblicken zu lassen, ohne
irgendwie zu vergessen, daß er als der höchste Vertreter eines unabhängigen
Nachbarstaats unter uns weilte.
Was den Besuch des Marchese ti San Giuliano betrifft, so darf man wohl
sagen, daß das übliche „Communiouö", das am Schluß solcher Besuche in möglichst
diplomatischen Ausdrücken die beiderseitige Übereinstimmung in allen wichtigen
Fragen festzustellen pflegt, diesmal nicht bloß Phrase war. Es entspricht dem
gegenwärtigen politischen Bedürfnis Italiens, den Zusammenhang mit den beiden
andern Dreibundmächten entschieden festzuhalten und zu betonen, und dieses
Bedürfnis begegnet unsern eignen Wünschen. Die freundschaftliche Aussprache der
verantwortlichen Leiter der auswärtigen Politik zweier Großmächte ist immer von
Nutzen, besonders aber dann, wenn sie von vornherein von persönlichem Vertrauen
getragen und mit der festen Absicht möglichst weitgehender Verständigung über
alle Einzelfragen geführt wird. Der italienische Minister hat mit großer Wärme
anerkannt, daß er in Berlin überaus herzlich empfangen worden ist, und er ist
offenbar sehr befriedigt über das Ergebnis der Besprechungen zurückgekehrt. Wir
empfinden darüber lebhafte Genugtuung, weil es in der Richtung unsrer deutscheu
Interessen und Bestrebungen liegt, weil es ferner eine Anerkennung unsrer schon
von Bismarck begründeten und seit Jahrzehnten festgehaltenen Politik gegenüber
Italien bedeutet, und auch — wir möchten nicht unterlassen, das zu betonen —
weil San Giuliano zu den italienischen Staatsmännern gehört, die geeignet sind,
uns Vertrauen und Sympathie einzuflößen. Freilich hat es auch jetzt in der
deutschen Presse nicht an gönnerhaften Bemerkungen gefehlt, in denen die Erwartung
ausgedrückt wurde, Italien werde nun hoffentlich keine „Extratouren" mehr tanzen.
Derartige Bemerkungen sind natürlich dazu bestimmt, erstens in demi Leser den
Eindruck einer klugen Überlegenheit und Nüchternheit des Beurteilens zu erwecken
und zweitens die Möglichkeit vorzubereiten, daß man der Negierung und den
Politikern, die der gegenwärtigen italienischen Regierung ihre Sympathie aus¬
gesprochen haben, später gegebenenfalls den Vorwurf kurzsichtiger Vertrauensseligkeit
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