Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr.Im Kampf gegen die Übermacht Der Pfarrer blieb auch noch den Dienstag auf Tenno. Und es entsprach Der wahre Grund seines Verweilens war, daß er diesmal zum Gottesdienst Es entsprach ebenfalls nicht ganz der Wahrheit, wenn er sich selber vorredete, Anderthalb Jahre waren vergangen, seit er nach Maasvär gekommen war. Er konnte sich selbst nicht erklären, was ihn noch in dem entscheidenden Seit er im vorigen Jahr um diese Zeit das rechte Verständnis für Madame Nach außen hin war keine Veränderung zwischen Madame Foksen und dem Und sie verstand ihn. Und eines starken und bedeutenden Menschen Dank¬ Auf ihre gerade und vornehme Weise hatte Madame Foksen ihn verstehen Im Kampf gegen die Übermacht Der Pfarrer blieb auch noch den Dienstag auf Tenno. Und es entsprach Der wahre Grund seines Verweilens war, daß er diesmal zum Gottesdienst Es entsprach ebenfalls nicht ganz der Wahrheit, wenn er sich selber vorredete, Anderthalb Jahre waren vergangen, seit er nach Maasvär gekommen war. Er konnte sich selbst nicht erklären, was ihn noch in dem entscheidenden Seit er im vorigen Jahr um diese Zeit das rechte Verständnis für Madame Nach außen hin war keine Veränderung zwischen Madame Foksen und dem Und sie verstand ihn. Und eines starken und bedeutenden Menschen Dank¬ Auf ihre gerade und vornehme Weise hatte Madame Foksen ihn verstehen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0048" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/315687"/> <fw type="header" place="top"> Im Kampf gegen die Übermacht</fw><lb/> <p xml:id="ID_205"> Der Pfarrer blieb auch noch den Dienstag auf Tenno. Und es entsprach<lb/> nicht ganz der Wahrheit, wenn er das Wetter als Vorwand benutzte. Wohl wehte<lb/> eine starke Brise aus Westen, und die war voraussichtlich nicht gelinder draußen<lb/> auf dem Fjord als drinnen in der Tennöer Bucht. Aber das Pfarrboot war<lb/> daran gewöhnt, in ärgeren Wetter, als dies war, zu segeln.</p><lb/> <p xml:id="ID_206"> Der wahre Grund seines Verweilens war, daß er diesmal zum Gottesdienst<lb/> auf Tenno mit dem Entschluß gekommen war, Anne Kathrine Roß zu fragen, ob<lb/> sie seine Frau werden wolle. Und dann war erst der Sonntag und dann der<lb/> Montag vergangen, ohne daß er seinen Plan zur Ausführung gebracht hatte.</p><lb/> <p xml:id="ID_207"> Es entsprach ebenfalls nicht ganz der Wahrheit, wenn er sich selber vorredete,<lb/> daß sich ihm keine Gelegenheit geboten habe. Hätte er sich allen Ernstes bemüht,<lb/> eine Gelegenheit zu suchen, so würde er sie auch wohl gefunden haben. Der wahre<lb/> Grund war hier, daß er vor der endgültigen Entscheidung in seinem Entschluß<lb/> schwankend geworden war.</p><lb/> <p xml:id="ID_208"> Anderthalb Jahre waren vergangen, seit er nach Maasvär gekommen war.<lb/> Und seit mehr als einem Jahr hatte der Gedanke an die liebreizende, gute und<lb/> kluge Jungfer Roß als passende Gattin für ihn in seiner Seele gedämmert und<lb/> allmählich immer mehr an Stärke und Klarheit zugenommen. Bis er jetzt zu dem<lb/> Entschluß herangereift war, gelegentlich dieses Predigtsonntags um sie zu freien.<lb/> Es war dies der erste Sonntag im neuen Jahr auf Tenno — und der letzte, denn<lb/> Anne Kathrine Roß wollte auf Besuch zu Verwandten gen Süden reisen.</p><lb/> <p xml:id="ID_209"> Er konnte sich selbst nicht erklären, was ihn noch in dem entscheidenden<lb/> Augenblick zurückhielt. Es war nicht die Furcht, ein Nein von Anne Kathrine zu<lb/> bekommen. Er war überzeugt, daß sie ihm gut war. Das hatte sie ihm offen<lb/> und natürlich gezeigt. 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Aber es war ihm klar,<lb/> daß sie, praktisch verständig, wie sie war, sehr wohl wußte, daß er das Verhältnis<lb/> zwischen ihr und ihrem Manne kannte; daß er als Geistlicher nicht unwissend<lb/> sein konnte über diesen letzten Fehltritt Herrn Foksens wie über ähnliche frühere<lb/> Vergehen.</p><lb/> <p xml:id="ID_211"> Nach außen hin war keine Veränderung zwischen Madame Foksen und dem<lb/> Pfarrer zu spüren. Je näher sie einander innerlich traten, um so schärfer sah er<lb/> ihre ängstliche Wachsamkeit in bezug auf ihre Geheimnisse — und um so vorsichtiger<lb/> ward er, in keiner Weise seine Mitwisserschaft zu verraten. Denn er war sich klar<lb/> darüber, daß sie sich von dem Augenblick an für alle Zeiten ihm verschließen und<lb/> unnahbar für ihn sein würde.</p><lb/> <p xml:id="ID_212"> Und sie verstand ihn. 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Im Kampf gegen die Übermacht
Der Pfarrer blieb auch noch den Dienstag auf Tenno. Und es entsprach
nicht ganz der Wahrheit, wenn er das Wetter als Vorwand benutzte. Wohl wehte
eine starke Brise aus Westen, und die war voraussichtlich nicht gelinder draußen
auf dem Fjord als drinnen in der Tennöer Bucht. Aber das Pfarrboot war
daran gewöhnt, in ärgeren Wetter, als dies war, zu segeln.
Der wahre Grund seines Verweilens war, daß er diesmal zum Gottesdienst
auf Tenno mit dem Entschluß gekommen war, Anne Kathrine Roß zu fragen, ob
sie seine Frau werden wolle. Und dann war erst der Sonntag und dann der
Montag vergangen, ohne daß er seinen Plan zur Ausführung gebracht hatte.
Es entsprach ebenfalls nicht ganz der Wahrheit, wenn er sich selber vorredete,
daß sich ihm keine Gelegenheit geboten habe. Hätte er sich allen Ernstes bemüht,
eine Gelegenheit zu suchen, so würde er sie auch wohl gefunden haben. Der wahre
Grund war hier, daß er vor der endgültigen Entscheidung in seinem Entschluß
schwankend geworden war.
Anderthalb Jahre waren vergangen, seit er nach Maasvär gekommen war.
Und seit mehr als einem Jahr hatte der Gedanke an die liebreizende, gute und
kluge Jungfer Roß als passende Gattin für ihn in seiner Seele gedämmert und
allmählich immer mehr an Stärke und Klarheit zugenommen. Bis er jetzt zu dem
Entschluß herangereift war, gelegentlich dieses Predigtsonntags um sie zu freien.
Es war dies der erste Sonntag im neuen Jahr auf Tenno — und der letzte, denn
Anne Kathrine Roß wollte auf Besuch zu Verwandten gen Süden reisen.
Er konnte sich selbst nicht erklären, was ihn noch in dem entscheidenden
Augenblick zurückhielt. Es war nicht die Furcht, ein Nein von Anne Kathrine zu
bekommen. Er war überzeugt, daß sie ihm gut war. Das hatte sie ihm offen
und natürlich gezeigt. Sie machte kein Hehl aus ihrer Freude, wenn er kam,
sprach gern mit ihm und zeigte ihm ihre Achtung und Neigung auf alle Weise.
Daß ihr Herz an keinen andern Mann gebunden war, wußte er von der Schwester,
Madame Foksen.
Seit er im vorigen Jahr um diese Zeit das rechte Verständnis für Madame
Foksen erlangt hatte, war das Verhältnis zwischen ihm und ihr immer vertrauens¬
voller geworden. Ihr Schweigen über das, was sie litt und durchkämpfte, war
gleich unverbrüchlich: er selber verriet mit keinem Wort und keiner Miene, was
er nach dieser Richtung hin in Erfahrung gebracht hatte. Aber es war ihm klar,
daß sie, praktisch verständig, wie sie war, sehr wohl wußte, daß er das Verhältnis
zwischen ihr und ihrem Manne kannte; daß er als Geistlicher nicht unwissend
sein konnte über diesen letzten Fehltritt Herrn Foksens wie über ähnliche frühere
Vergehen.
Nach außen hin war keine Veränderung zwischen Madame Foksen und dem
Pfarrer zu spüren. Je näher sie einander innerlich traten, um so schärfer sah er
ihre ängstliche Wachsamkeit in bezug auf ihre Geheimnisse — und um so vorsichtiger
ward er, in keiner Weise seine Mitwisserschaft zu verraten. Denn er war sich klar
darüber, daß sie sich von dem Augenblick an für alle Zeiten ihm verschließen und
unnahbar für ihn sein würde.
Und sie verstand ihn. Und eines starken und bedeutenden Menschen Dank¬
barkeit klang ihm tief aus dem verborgenen Grunde ihres Wesens entgegen.
Auf ihre gerade und vornehme Weise hatte Madame Foksen ihn verstehen
lassen, daß eine Verbindung zwischen ihm und der Schwester Anne Kathrine ihr
ein lieber Gedanke sei. Hierüber war er stolz und froh. Denn Madame Foksen
liebte ihre um viele Jahre jüngere Schwester wie ihr eigenes Kind.
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