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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr.

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wirtschaftliche Einflüsse

fincmz in Wien besorgt, deren Wirkungsbereich durch die tschechischen Finanz¬
institute natürlich auch eingeschränkt wurde; mindestens macht sie hier die
Geschäfte nur aus zweiter Hand. Aber noch mehr: die tschechischen Banken
machen ihr auf ihrem eigensten Tätigkeitsfeld Wettbewerb. So besitzt die
"Zimwstenska Banka" eine Niederlassung in Wie", die aus dem Wiener Publikum
Depositengelder durch ausnahmsweise hohen Zinsfuß heranzieht und sich dabei
durch die Höhe ihrer Zinsforderungen bei ihren Konnationalen, an die sie das
Geld verleiht, schadlos hält. Dadurch wird aber auch diese Finanzwelt, deren
Lebenselement beinahe der Kosmopolitismus ist, in ein nationales Fahrwasser
gedrängt. Fängt erst einmal eine Bank an, sich einen nationalen Anstrich in
deutschem Sinne zu geben, so gibt ihr dies um so leichter einen Vorsprung beim
Publikum, je mehr nationale Fragen alle Lebensverhältnisse durchdringen.

In der Industrie wird es den Tschechen naturgemäß nicht ebenso leicht,
sich auf eigene Beine zu stellen, wie im Bankwesen; denn hier handelt es sich
doch um tausendfältige Unternehmungen, die Gebrauchsgegenstände herstellen;
wenn nun die Tschechen ihrerseits sich auf diesem Gebiet betätigen, so werden
sie sich kaum mit dem Absatz bei ihre:: Volksgenossen begnügen können und
der nationale Bonkott schlägt dann Wunden hüben und drüben. Daraus kann
man wohl die Folgerung ziehen, daß der deutsche Fabrikant sehr wenig geneigt
sein wird, sich in ein national beschränktes Wirtschaftssystem einbeziehen zu
lassen, wodurch er doch ein Feld, das ihm heute noch teilweise gehört, freiwillig
aufgeben würde; seine Parole müßte also sein, jeder Käufer sei ihm recht und
jeder Arbeiter, der ihm seine Ware möglichst billig erzeuge. Auch dies findet
indes doch seine Einschränkungen; der reiche Fabrikant, der etwa in Wien lebt
und Fabriken oder Kohlengruben in Nordböhmen hat, wird seinen wirtschaft¬
lichen Eigennutz unbeschränkt betätigen dürfen; aber der kleine und mittlere
Fabrikant, der mit seinen Mitbürgern lebt, wird sich freiwillig oder unfreiwillig
deren Anschauungen in nationalen Dingen unterordnen. Gewiß nicht auf
Kosten seiner wirtschaftlichen Existenz; niemand wird einem Reichenberger
Fabrikanten verargen, wenn er tschechische Arbeiter heranzieht, weil er deutsche
nicht bekommen kann. Wenn er aber damit irgendwelche Förderung des
Tschechentums verbinden wollte, etwa durch Entgegenkommen an deren sprachliche
Forderungen, so würde ihm sein gesellschaftliches Dasein in der Stadt wohl
recht unerquicklich gemacht werden. Es gibt nun doch Gelegenheiten, wo
sich auch der Fabrikant national betätigen kann, ohne darum geschäftlichen
Grundsätzen ins Gesicht zu schlagen. So wird bei einem Rückgange der
Konjunktur in Deutschböhmen die Frage an ihn herantreten, ob er deutsche
oder tschechische Arbeiter entlassen soll; die Frage des Arbeitsnachweises kann
durch Zusammenschluß der Fabrikanten nicht ausschließlich, aber doch unter Be¬
rücksichtigung nationaler Gesichtspunkte geregelt werden, sozialpolitische Leistungen,
zu denen der Fabrikbesitzer nicht verpflichtet ist, kann er Deutschen zuwenden, usw.
Auf allen diesen Gebieten sind Ansätze in dieser Richtung vorhanden. Das


wirtschaftliche Einflüsse

fincmz in Wien besorgt, deren Wirkungsbereich durch die tschechischen Finanz¬
institute natürlich auch eingeschränkt wurde; mindestens macht sie hier die
Geschäfte nur aus zweiter Hand. Aber noch mehr: die tschechischen Banken
machen ihr auf ihrem eigensten Tätigkeitsfeld Wettbewerb. So besitzt die
„Zimwstenska Banka" eine Niederlassung in Wie», die aus dem Wiener Publikum
Depositengelder durch ausnahmsweise hohen Zinsfuß heranzieht und sich dabei
durch die Höhe ihrer Zinsforderungen bei ihren Konnationalen, an die sie das
Geld verleiht, schadlos hält. Dadurch wird aber auch diese Finanzwelt, deren
Lebenselement beinahe der Kosmopolitismus ist, in ein nationales Fahrwasser
gedrängt. Fängt erst einmal eine Bank an, sich einen nationalen Anstrich in
deutschem Sinne zu geben, so gibt ihr dies um so leichter einen Vorsprung beim
Publikum, je mehr nationale Fragen alle Lebensverhältnisse durchdringen.

In der Industrie wird es den Tschechen naturgemäß nicht ebenso leicht,
sich auf eigene Beine zu stellen, wie im Bankwesen; denn hier handelt es sich
doch um tausendfältige Unternehmungen, die Gebrauchsgegenstände herstellen;
wenn nun die Tschechen ihrerseits sich auf diesem Gebiet betätigen, so werden
sie sich kaum mit dem Absatz bei ihre:: Volksgenossen begnügen können und
der nationale Bonkott schlägt dann Wunden hüben und drüben. Daraus kann
man wohl die Folgerung ziehen, daß der deutsche Fabrikant sehr wenig geneigt
sein wird, sich in ein national beschränktes Wirtschaftssystem einbeziehen zu
lassen, wodurch er doch ein Feld, das ihm heute noch teilweise gehört, freiwillig
aufgeben würde; seine Parole müßte also sein, jeder Käufer sei ihm recht und
jeder Arbeiter, der ihm seine Ware möglichst billig erzeuge. Auch dies findet
indes doch seine Einschränkungen; der reiche Fabrikant, der etwa in Wien lebt
und Fabriken oder Kohlengruben in Nordböhmen hat, wird seinen wirtschaft¬
lichen Eigennutz unbeschränkt betätigen dürfen; aber der kleine und mittlere
Fabrikant, der mit seinen Mitbürgern lebt, wird sich freiwillig oder unfreiwillig
deren Anschauungen in nationalen Dingen unterordnen. Gewiß nicht auf
Kosten seiner wirtschaftlichen Existenz; niemand wird einem Reichenberger
Fabrikanten verargen, wenn er tschechische Arbeiter heranzieht, weil er deutsche
nicht bekommen kann. Wenn er aber damit irgendwelche Förderung des
Tschechentums verbinden wollte, etwa durch Entgegenkommen an deren sprachliche
Forderungen, so würde ihm sein gesellschaftliches Dasein in der Stadt wohl
recht unerquicklich gemacht werden. Es gibt nun doch Gelegenheiten, wo
sich auch der Fabrikant national betätigen kann, ohne darum geschäftlichen
Grundsätzen ins Gesicht zu schlagen. So wird bei einem Rückgange der
Konjunktur in Deutschböhmen die Frage an ihn herantreten, ob er deutsche
oder tschechische Arbeiter entlassen soll; die Frage des Arbeitsnachweises kann
durch Zusammenschluß der Fabrikanten nicht ausschließlich, aber doch unter Be¬
rücksichtigung nationaler Gesichtspunkte geregelt werden, sozialpolitische Leistungen,
zu denen der Fabrikbesitzer nicht verpflichtet ist, kann er Deutschen zuwenden, usw.
Auf allen diesen Gebieten sind Ansätze in dieser Richtung vorhanden. Das


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[0459] wirtschaftliche Einflüsse fincmz in Wien besorgt, deren Wirkungsbereich durch die tschechischen Finanz¬ institute natürlich auch eingeschränkt wurde; mindestens macht sie hier die Geschäfte nur aus zweiter Hand. Aber noch mehr: die tschechischen Banken machen ihr auf ihrem eigensten Tätigkeitsfeld Wettbewerb. So besitzt die „Zimwstenska Banka" eine Niederlassung in Wie», die aus dem Wiener Publikum Depositengelder durch ausnahmsweise hohen Zinsfuß heranzieht und sich dabei durch die Höhe ihrer Zinsforderungen bei ihren Konnationalen, an die sie das Geld verleiht, schadlos hält. Dadurch wird aber auch diese Finanzwelt, deren Lebenselement beinahe der Kosmopolitismus ist, in ein nationales Fahrwasser gedrängt. Fängt erst einmal eine Bank an, sich einen nationalen Anstrich in deutschem Sinne zu geben, so gibt ihr dies um so leichter einen Vorsprung beim Publikum, je mehr nationale Fragen alle Lebensverhältnisse durchdringen. In der Industrie wird es den Tschechen naturgemäß nicht ebenso leicht, sich auf eigene Beine zu stellen, wie im Bankwesen; denn hier handelt es sich doch um tausendfältige Unternehmungen, die Gebrauchsgegenstände herstellen; wenn nun die Tschechen ihrerseits sich auf diesem Gebiet betätigen, so werden sie sich kaum mit dem Absatz bei ihre:: Volksgenossen begnügen können und der nationale Bonkott schlägt dann Wunden hüben und drüben. Daraus kann man wohl die Folgerung ziehen, daß der deutsche Fabrikant sehr wenig geneigt sein wird, sich in ein national beschränktes Wirtschaftssystem einbeziehen zu lassen, wodurch er doch ein Feld, das ihm heute noch teilweise gehört, freiwillig aufgeben würde; seine Parole müßte also sein, jeder Käufer sei ihm recht und jeder Arbeiter, der ihm seine Ware möglichst billig erzeuge. Auch dies findet indes doch seine Einschränkungen; der reiche Fabrikant, der etwa in Wien lebt und Fabriken oder Kohlengruben in Nordböhmen hat, wird seinen wirtschaft¬ lichen Eigennutz unbeschränkt betätigen dürfen; aber der kleine und mittlere Fabrikant, der mit seinen Mitbürgern lebt, wird sich freiwillig oder unfreiwillig deren Anschauungen in nationalen Dingen unterordnen. Gewiß nicht auf Kosten seiner wirtschaftlichen Existenz; niemand wird einem Reichenberger Fabrikanten verargen, wenn er tschechische Arbeiter heranzieht, weil er deutsche nicht bekommen kann. Wenn er aber damit irgendwelche Förderung des Tschechentums verbinden wollte, etwa durch Entgegenkommen an deren sprachliche Forderungen, so würde ihm sein gesellschaftliches Dasein in der Stadt wohl recht unerquicklich gemacht werden. Es gibt nun doch Gelegenheiten, wo sich auch der Fabrikant national betätigen kann, ohne darum geschäftlichen Grundsätzen ins Gesicht zu schlagen. So wird bei einem Rückgange der Konjunktur in Deutschböhmen die Frage an ihn herantreten, ob er deutsche oder tschechische Arbeiter entlassen soll; die Frage des Arbeitsnachweises kann durch Zusammenschluß der Fabrikanten nicht ausschließlich, aber doch unter Be¬ rücksichtigung nationaler Gesichtspunkte geregelt werden, sozialpolitische Leistungen, zu denen der Fabrikbesitzer nicht verpflichtet ist, kann er Deutschen zuwenden, usw. Auf allen diesen Gebieten sind Ansätze in dieser Richtung vorhanden. Das

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_315638/459>, abgerufen am 29.06.2024.