Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches die Alten herabsteigen zu machen van dem phantastischen Kothurn, auf dem sie der Stowasser stellt an den Übersetzer von heute eine höhere Forderung: "Nicht Stowasser hat in verständnisinniger Würdigung des modernen Empfindens während das andere lautet: Darum ist es ihm unter anderem gelungen, Pindars Hymnen dem deutschen Man, merkt es der Übertragung des Psalters der Griechen und Römer nicht Bernhard Münz Maßgebliches und Unmaßgebliches die Alten herabsteigen zu machen van dem phantastischen Kothurn, auf dem sie der Stowasser stellt an den Übersetzer von heute eine höhere Forderung: „Nicht Stowasser hat in verständnisinniger Würdigung des modernen Empfindens während das andere lautet: Darum ist es ihm unter anderem gelungen, Pindars Hymnen dem deutschen Man, merkt es der Übertragung des Psalters der Griechen und Römer nicht Bernhard Münz <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0447" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/316086"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <p xml:id="ID_2362" prev="#ID_2361"> die Alten herabsteigen zu machen van dem phantastischen Kothurn, auf dem sie der<lb/> Masse des Publikums erscheinen, sie in die reale Welt, wo gehaßt und geliebt,<lb/> gesägt und gezimmert, phantasiert und geschwindelt wird, den Lesern versetzen<lb/> — und darum mußte der Konsul ein Bürgermeister werden usw."</p><lb/> <p xml:id="ID_2363"> Stowasser stellt an den Übersetzer von heute eine höhere Forderung: „Nicht<lb/> mehr sklavisch Wort sür Wort ohne Rücksicht auf das eigene völkische Bewußtsein<lb/> hat er zu übertragen, er muß undichten, eindeutschen, d. h. in seiner eigenen<lb/> Muttersprache nach deren historisch entwickeltem Dicht- und Sprachgebrauch Gedichte<lb/> schaffen, die zwar den Geist der fremden Vorlage wiedergeben, aber alles unnötige<lb/> Fremdartige rücksichtslos ausscheidein" In der Tat kaun nur solche Wiedergabe<lb/> des Fremden im deutschen Gemüt den Widerhall wecken, den die Urlieder einst<lb/> im sonnigen Hellas fanden.</p><lb/> <p xml:id="ID_2364"> Stowasser hat in verständnisinniger Würdigung des modernen Empfindens<lb/> bei seiner Arbeit zwei Geboten des größten Meisters in der Übertragungskunst,<lb/> Friedrich Rückerts, Heeresfolge geleistet, von denen das eine warnt:</p><lb/> <lg xml:id="POEMID_31" type="poem"> <l/> </lg><lb/> <p xml:id="ID_2365"> während das andere lautet:</p><lb/> <lg xml:id="POEMID_32" type="poem"> <l/> </lg><lb/> <p xml:id="ID_2366"> Darum ist es ihm unter anderem gelungen, Pindars Hymnen dem deutschen<lb/> Geist und Ohr zugänglich zu machen, — eine Ausgabe, an der bisher noch jedes<lb/> Bemühen gescheitert ist. Curtius-Geibel in ihrem „Klassischen Liederbuche" haben<lb/> die Mute einfach ins Korn geworfen und auf Pindar ganz verzichtet — offenbar<lb/> durch die Schwierigkeit der Sache abgeschreckt. Das kommt Stowasser so vor, wie<lb/> wenn jemand die mittelhochdeutsche Lyrik mit Ausschluß Herrn Walthers sammelte,<lb/> — wie ein Rumpf ohne Kopf.</p><lb/> <p xml:id="ID_2367"> Man, merkt es der Übertragung des Psalters der Griechen und Römer nicht<lb/> an, daß sie ein Schmerzenskind, das Werk eines im Spitale gebrochen danieder¬<lb/> liegenden, an Hand und Fuß gelähmten Dichters ist. Was ihn ans der Matratzen¬<lb/> gruft aufrecht hielt, war die einzige Trösterin der Beladenen, die heilige Arbeit.<lb/> Zu uuserer größten Freude hatte er die Genugtuung, daß sein Lebenswerk allent¬<lb/> halben mit Begeisterung aufgenommen wurde, überall die verdiente Würdigung<lb/> erfuhr. Der prächtige Schulmann mit dem treuen goldenen Herzen und dem<lb/> goldenen Humor, an dem ganze Schülergenerationen mit Liebe, Ehrfurcht und<lb/> Dankbarkeit hingen, hat uns ein teures Vermächtnis hinterlassen.</p><lb/> <note type="byline"> Bernhard Münz</note><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0447]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
die Alten herabsteigen zu machen van dem phantastischen Kothurn, auf dem sie der
Masse des Publikums erscheinen, sie in die reale Welt, wo gehaßt und geliebt,
gesägt und gezimmert, phantasiert und geschwindelt wird, den Lesern versetzen
— und darum mußte der Konsul ein Bürgermeister werden usw."
Stowasser stellt an den Übersetzer von heute eine höhere Forderung: „Nicht
mehr sklavisch Wort sür Wort ohne Rücksicht auf das eigene völkische Bewußtsein
hat er zu übertragen, er muß undichten, eindeutschen, d. h. in seiner eigenen
Muttersprache nach deren historisch entwickeltem Dicht- und Sprachgebrauch Gedichte
schaffen, die zwar den Geist der fremden Vorlage wiedergeben, aber alles unnötige
Fremdartige rücksichtslos ausscheidein" In der Tat kaun nur solche Wiedergabe
des Fremden im deutschen Gemüt den Widerhall wecken, den die Urlieder einst
im sonnigen Hellas fanden.
Stowasser hat in verständnisinniger Würdigung des modernen Empfindens
bei seiner Arbeit zwei Geboten des größten Meisters in der Übertragungskunst,
Friedrich Rückerts, Heeresfolge geleistet, von denen das eine warnt:
während das andere lautet:
Darum ist es ihm unter anderem gelungen, Pindars Hymnen dem deutschen
Geist und Ohr zugänglich zu machen, — eine Ausgabe, an der bisher noch jedes
Bemühen gescheitert ist. Curtius-Geibel in ihrem „Klassischen Liederbuche" haben
die Mute einfach ins Korn geworfen und auf Pindar ganz verzichtet — offenbar
durch die Schwierigkeit der Sache abgeschreckt. Das kommt Stowasser so vor, wie
wenn jemand die mittelhochdeutsche Lyrik mit Ausschluß Herrn Walthers sammelte,
— wie ein Rumpf ohne Kopf.
Man, merkt es der Übertragung des Psalters der Griechen und Römer nicht
an, daß sie ein Schmerzenskind, das Werk eines im Spitale gebrochen danieder¬
liegenden, an Hand und Fuß gelähmten Dichters ist. Was ihn ans der Matratzen¬
gruft aufrecht hielt, war die einzige Trösterin der Beladenen, die heilige Arbeit.
Zu uuserer größten Freude hatte er die Genugtuung, daß sein Lebenswerk allent¬
halben mit Begeisterung aufgenommen wurde, überall die verdiente Würdigung
erfuhr. Der prächtige Schulmann mit dem treuen goldenen Herzen und dem
goldenen Humor, an dem ganze Schülergenerationen mit Liebe, Ehrfurcht und
Dankbarkeit hingen, hat uns ein teures Vermächtnis hinterlassen.
Bernhard Münz
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