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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr.

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Gustav Falke

dunklern Kranz geben läßt, sei's, daß er den Leichenzügen nachdenkt, die unfern
seinem Fenster dem "stillen Garten" zuwarten.

Völlig überwunden ist in diesem Bande der Einfluß des Dichters, der
Falke einst herausbrachte, Detlevs von Liliencron, hier ist im Gegensatz zu
früherer Zeit jeder Vers durchaus Faktisch, und um so Heller erklingt in zwei köstlichen
Gedichten der Preis Detlevs von Liliencron aus Falles Munde, jedesmal mit
einem dnrchschwingenden Herzenston und doch in scheinbar leicht gefügter
Hnmoristenweise:

An einen andern Dichter, mit dem Falke bisher keine Verwandtschaft zeigte,
gemahnt solche und manche ähnliche Dichtung, an Theodor Fontane. Eine
Resignation, die von Bitterkeit frei in die Welt sieht, tönt durch solche Verse
hindurch, eine leise Resignation und die Bemühung, im Trott der Tage doch
durch Gewöhnung und Enttäuschung hindurch einen Strahl stillen Glücks zu
erHaschen. Und dieser Zug vollendet einstweilen liebenswürdig das liebens¬
werte Bild dieses Poeten, der auch in der jüngsten Gabe immer wieder jenes
sehnsuchtsvolle Eindringen in des Lebens Tiefe und Geheimnis übt.

Ich raunt' ein schönes, stilles Land,
Jetzt liegt es wie in Märchendiinnner,
Da weidete im Lichtgewand
Der Friede seine weiszen Länimer.
Ich weis; den Weg, bin ich ihn doch,
lind nicht im Traum nur, hergegangen,
lind Spur' in meinen Kleidern noch
Den Duft von seinen Blumen hange".
Doch wend' ich mich zurück und breit'
Die Arme ans nach jener Ferne --
O Jugendland, wie liegst du weit
Und unerreichbar wie die Sterne.

Keine trüge Beschaulichkeit, keine genügsame Philiströsität liegt in Falles
Natur, sondern, was ihm die eigne Note gibt, ist der bewußte Zusannnenhalt
menschlicher und künstlerischer Kräfte unterhalb des Rahmens der selbsterkannten
Begabung. Gustav Falke ist durchaus ein Sohn der neuen Zeit:

er weiß sie uns ins Ohr zu sagen. Aber er schlüge in seiner ruhigen Sicherheit
stärker als mancher andre die Brücke hinüber zur Vergangenheit, fügt sich, weil
er zwar neue, aber keine überraschenden, grell abstechenden Töne gebracht hat,


Gustav Falke

dunklern Kranz geben läßt, sei's, daß er den Leichenzügen nachdenkt, die unfern
seinem Fenster dem „stillen Garten" zuwarten.

Völlig überwunden ist in diesem Bande der Einfluß des Dichters, der
Falke einst herausbrachte, Detlevs von Liliencron, hier ist im Gegensatz zu
früherer Zeit jeder Vers durchaus Faktisch, und um so Heller erklingt in zwei köstlichen
Gedichten der Preis Detlevs von Liliencron aus Falles Munde, jedesmal mit
einem dnrchschwingenden Herzenston und doch in scheinbar leicht gefügter
Hnmoristenweise:

An einen andern Dichter, mit dem Falke bisher keine Verwandtschaft zeigte,
gemahnt solche und manche ähnliche Dichtung, an Theodor Fontane. Eine
Resignation, die von Bitterkeit frei in die Welt sieht, tönt durch solche Verse
hindurch, eine leise Resignation und die Bemühung, im Trott der Tage doch
durch Gewöhnung und Enttäuschung hindurch einen Strahl stillen Glücks zu
erHaschen. Und dieser Zug vollendet einstweilen liebenswürdig das liebens¬
werte Bild dieses Poeten, der auch in der jüngsten Gabe immer wieder jenes
sehnsuchtsvolle Eindringen in des Lebens Tiefe und Geheimnis übt.

Ich raunt' ein schönes, stilles Land,
Jetzt liegt es wie in Märchendiinnner,
Da weidete im Lichtgewand
Der Friede seine weiszen Länimer.
Ich weis; den Weg, bin ich ihn doch,
lind nicht im Traum nur, hergegangen,
lind Spur' in meinen Kleidern noch
Den Duft von seinen Blumen hange».
Doch wend' ich mich zurück und breit'
Die Arme ans nach jener Ferne —
O Jugendland, wie liegst du weit
Und unerreichbar wie die Sterne.

Keine trüge Beschaulichkeit, keine genügsame Philiströsität liegt in Falles
Natur, sondern, was ihm die eigne Note gibt, ist der bewußte Zusannnenhalt
menschlicher und künstlerischer Kräfte unterhalb des Rahmens der selbsterkannten
Begabung. Gustav Falke ist durchaus ein Sohn der neuen Zeit:

er weiß sie uns ins Ohr zu sagen. Aber er schlüge in seiner ruhigen Sicherheit
stärker als mancher andre die Brücke hinüber zur Vergangenheit, fügt sich, weil
er zwar neue, aber keine überraschenden, grell abstechenden Töne gebracht hat,


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[0375] Gustav Falke dunklern Kranz geben läßt, sei's, daß er den Leichenzügen nachdenkt, die unfern seinem Fenster dem „stillen Garten" zuwarten. Völlig überwunden ist in diesem Bande der Einfluß des Dichters, der Falke einst herausbrachte, Detlevs von Liliencron, hier ist im Gegensatz zu früherer Zeit jeder Vers durchaus Faktisch, und um so Heller erklingt in zwei köstlichen Gedichten der Preis Detlevs von Liliencron aus Falles Munde, jedesmal mit einem dnrchschwingenden Herzenston und doch in scheinbar leicht gefügter Hnmoristenweise: An einen andern Dichter, mit dem Falke bisher keine Verwandtschaft zeigte, gemahnt solche und manche ähnliche Dichtung, an Theodor Fontane. Eine Resignation, die von Bitterkeit frei in die Welt sieht, tönt durch solche Verse hindurch, eine leise Resignation und die Bemühung, im Trott der Tage doch durch Gewöhnung und Enttäuschung hindurch einen Strahl stillen Glücks zu erHaschen. Und dieser Zug vollendet einstweilen liebenswürdig das liebens¬ werte Bild dieses Poeten, der auch in der jüngsten Gabe immer wieder jenes sehnsuchtsvolle Eindringen in des Lebens Tiefe und Geheimnis übt. Ich raunt' ein schönes, stilles Land, Jetzt liegt es wie in Märchendiinnner, Da weidete im Lichtgewand Der Friede seine weiszen Länimer. Ich weis; den Weg, bin ich ihn doch, lind nicht im Traum nur, hergegangen, lind Spur' in meinen Kleidern noch Den Duft von seinen Blumen hange». Doch wend' ich mich zurück und breit' Die Arme ans nach jener Ferne — O Jugendland, wie liegst du weit Und unerreichbar wie die Sterne. Keine trüge Beschaulichkeit, keine genügsame Philiströsität liegt in Falles Natur, sondern, was ihm die eigne Note gibt, ist der bewußte Zusannnenhalt menschlicher und künstlerischer Kräfte unterhalb des Rahmens der selbsterkannten Begabung. Gustav Falke ist durchaus ein Sohn der neuen Zeit: er weiß sie uns ins Ohr zu sagen. Aber er schlüge in seiner ruhigen Sicherheit stärker als mancher andre die Brücke hinüber zur Vergangenheit, fügt sich, weil er zwar neue, aber keine überraschenden, grell abstechenden Töne gebracht hat,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_315638/375>, abgerufen am 29.06.2024.