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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

macht, das ist, von kleinen Entgleisungen, wie wir sie in der letzten Zeit erlebt
haben, abgesehen, ihr nüchterner klarer Sinn und ihr ungewöhnliches Vertrauen
auf die eigene Kraft. Nur gar zu gern weisen wir Deutsche auf England als
Vorbild hin. Warum folgen wir seinein Beispiele nicht auch in der Schulfrage,
wenigstens hinsichtlich der häuslichen Arbeiten, indem auch wir in diesen Arbeiten
weises Maß halten und zum anderen für sie einen Werkeltag frei halten? Denn
irrig ist, das sagen wir noch einmal, die in der Versammlung der sächsischen Gymnasial¬
lehrer vorgetragene Ansicht, daß die Schüler unserer höheren Schulen nicht mehr
mit häuslichen Arbeiten überbürdet werden. Sie sind es vielmehr in hohem Maße.


Lari von !vartenbcrg

Im Verlag des Handwörterbuchs, bei Gustav Fischer in Jena, gibt Professor
Dr. I. Conrad, einer der vier Leiter des gewaltigen Unternehmens, seinen
bewährten "Grundriß zum Studium der politischen Ökonomie" heraus. Von der
fünften erweiterten und ergänzten Auflage ist Ende vorigen Jahres der dritte
Teil: Finanzwirtschaft, erschienen. Die Kritik der Reichsfinanzreform schließt mit
den Sätzen: "Der Rückblick auf die bisherige Entwicklung des Reichsfinanzwesens
kann nur zu der Überzeugung führen, daß der Reichstag sich in dieser Hinsicht
seiner Aufgabe in keiner Weise gewachsen gezeigt hat, sondern fortdauernd die
Vorschläge der Reichsregierung verschlechtert und diese verhindert hat, die rechten
Wege zu gehen. Da aber der Reichstag aus dem allgemeinen direkten Wahlrecht
hervorgegangen ist, so fällt die Schuld des Ergebnisses auf das Volk selbst zurück."
Meiner Überzeugung nach kann eine Versammlung von dreihundert bis vierhundert
Köpfen, bestände sie auch ans lauter politischen Genies, weder berufen noch befähigt
sein, organische Gesetze zu schaffen. Wie ich mir die richtige Gesetzgebungsmaschinerie
eingerichtet denke, habe ich in dein (bei Rütten und Loening in Frankfurt a. M.
1909 erschienenen) Büchlein "Die Partei" Seite 115 bis 117 beschrieben.


L, Jentsch


Maßgebliches und Unmaßgebliches

macht, das ist, von kleinen Entgleisungen, wie wir sie in der letzten Zeit erlebt
haben, abgesehen, ihr nüchterner klarer Sinn und ihr ungewöhnliches Vertrauen
auf die eigene Kraft. Nur gar zu gern weisen wir Deutsche auf England als
Vorbild hin. Warum folgen wir seinein Beispiele nicht auch in der Schulfrage,
wenigstens hinsichtlich der häuslichen Arbeiten, indem auch wir in diesen Arbeiten
weises Maß halten und zum anderen für sie einen Werkeltag frei halten? Denn
irrig ist, das sagen wir noch einmal, die in der Versammlung der sächsischen Gymnasial¬
lehrer vorgetragene Ansicht, daß die Schüler unserer höheren Schulen nicht mehr
mit häuslichen Arbeiten überbürdet werden. Sie sind es vielmehr in hohem Maße.


Lari von !vartenbcrg

Im Verlag des Handwörterbuchs, bei Gustav Fischer in Jena, gibt Professor
Dr. I. Conrad, einer der vier Leiter des gewaltigen Unternehmens, seinen
bewährten „Grundriß zum Studium der politischen Ökonomie" heraus. Von der
fünften erweiterten und ergänzten Auflage ist Ende vorigen Jahres der dritte
Teil: Finanzwirtschaft, erschienen. Die Kritik der Reichsfinanzreform schließt mit
den Sätzen: „Der Rückblick auf die bisherige Entwicklung des Reichsfinanzwesens
kann nur zu der Überzeugung führen, daß der Reichstag sich in dieser Hinsicht
seiner Aufgabe in keiner Weise gewachsen gezeigt hat, sondern fortdauernd die
Vorschläge der Reichsregierung verschlechtert und diese verhindert hat, die rechten
Wege zu gehen. Da aber der Reichstag aus dem allgemeinen direkten Wahlrecht
hervorgegangen ist, so fällt die Schuld des Ergebnisses auf das Volk selbst zurück."
Meiner Überzeugung nach kann eine Versammlung von dreihundert bis vierhundert
Köpfen, bestände sie auch ans lauter politischen Genies, weder berufen noch befähigt
sein, organische Gesetze zu schaffen. Wie ich mir die richtige Gesetzgebungsmaschinerie
eingerichtet denke, habe ich in dein (bei Rütten und Loening in Frankfurt a. M.
1909 erschienenen) Büchlein „Die Partei" Seite 115 bis 117 beschrieben.


L, Jentsch


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[0300] Maßgebliches und Unmaßgebliches macht, das ist, von kleinen Entgleisungen, wie wir sie in der letzten Zeit erlebt haben, abgesehen, ihr nüchterner klarer Sinn und ihr ungewöhnliches Vertrauen auf die eigene Kraft. Nur gar zu gern weisen wir Deutsche auf England als Vorbild hin. Warum folgen wir seinein Beispiele nicht auch in der Schulfrage, wenigstens hinsichtlich der häuslichen Arbeiten, indem auch wir in diesen Arbeiten weises Maß halten und zum anderen für sie einen Werkeltag frei halten? Denn irrig ist, das sagen wir noch einmal, die in der Versammlung der sächsischen Gymnasial¬ lehrer vorgetragene Ansicht, daß die Schüler unserer höheren Schulen nicht mehr mit häuslichen Arbeiten überbürdet werden. Sie sind es vielmehr in hohem Maße. Lari von !vartenbcrg Im Verlag des Handwörterbuchs, bei Gustav Fischer in Jena, gibt Professor Dr. I. Conrad, einer der vier Leiter des gewaltigen Unternehmens, seinen bewährten „Grundriß zum Studium der politischen Ökonomie" heraus. Von der fünften erweiterten und ergänzten Auflage ist Ende vorigen Jahres der dritte Teil: Finanzwirtschaft, erschienen. Die Kritik der Reichsfinanzreform schließt mit den Sätzen: „Der Rückblick auf die bisherige Entwicklung des Reichsfinanzwesens kann nur zu der Überzeugung führen, daß der Reichstag sich in dieser Hinsicht seiner Aufgabe in keiner Weise gewachsen gezeigt hat, sondern fortdauernd die Vorschläge der Reichsregierung verschlechtert und diese verhindert hat, die rechten Wege zu gehen. Da aber der Reichstag aus dem allgemeinen direkten Wahlrecht hervorgegangen ist, so fällt die Schuld des Ergebnisses auf das Volk selbst zurück." Meiner Überzeugung nach kann eine Versammlung von dreihundert bis vierhundert Köpfen, bestände sie auch ans lauter politischen Genies, weder berufen noch befähigt sein, organische Gesetze zu schaffen. Wie ich mir die richtige Gesetzgebungsmaschinerie eingerichtet denke, habe ich in dein (bei Rütten und Loening in Frankfurt a. M. 1909 erschienenen) Büchlein „Die Partei" Seite 115 bis 117 beschrieben. L, Jentsch

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_315638/300>, abgerufen am 05.02.2025.