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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr.

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Der praktische Nutzen der Frauenbewegung

Bund verfolgt heute ein unifassendes und modernes sozialpolitisches Programm,
zählt hunderttausend Mitglieder, hat seinen Sitz in Dresden und zur Vorsitzenden
Frau Marie stritt daselbst. Er ist auch dem Weltbund der Frauen
angeschlossen, der, gleichfalls amerikanischer Anregung entsprungen, heute über
zwanzig national organisierte Länder umfaßt. Vorsitzende ist Lady Aberdeen,
Vizekönigin von Irland.

Dem Bund deutscher Frauenvereine gehört heute wohl die Mehrzahl
der bürgerlichen Frauenorganisationen an. Seinen ältesten Bestand bilden der
Allgemeine deutsche Frauen- und der Allgemeine deutsche Lehrerinnen¬
verein, sowie der Verband Fortschrittlicher Frauenvereine und der
Verein Frauenbildung--Frauenstudium.

In den letzten zehn Jahren hat sich die deutsche Frauenbewegung nun nach
Arbeitsgebieten, nach Konfessionen und nach geographischen Gebieten organisiert.
Nach Arbeitsgebieten z. B. in dem deutschen Zweig der Inter¬
nationalen abolitionistischen Föderation zur Bekämpfung der reglemen¬
tierten Prostitution (Vorsitzende Frau Scheven, Dresden), in dem Bund
abstinenter Frauen (Vorsitzende Fräulein Hoffmann, Bremen), in dem
Verband deutscher Rechtsschutzvereine (Vorsitzende Frau Bennewi, Halle),
dem Verein für Arbeiterinneninteressen (Vorsitzende Fräulein Friedenthal,
Berlin), dem Deutschen Verbände für Frauenstimmrecht (Vorsitzende
Dr. Augspurg, Siglhof).

Nach Konfessionen in dem Deutsch-evangelischen Frauenbund
(Vorsitzende Fräulein P. Müller, Hannover), dem Jüdischen Frauenbund
(Vorsitzende Fräulein Pappenheim, Frankfurt a. M.), dem Katholischen Frauen¬
bund (Vorsitzende Frau von Carnap, Köln). Letzterer ist dem Bunde deutscher
Frauenvereine noch nicht angeschlossen.

Die geographische Organisation geht nach Provinzen oder Bundesstaaten
und ist sehr reichhaltig. Jede preußische Provinz, außer Pommern, Ostpreußen,
Posen, Hannover und Hessen, hat einen Provinzverband ihrer Frauenvereine.
Außerdem gibt es einen Elsaß-lothring er Verband, einen bayerischen,
einen Pfälzer, einen norddeutschen (Hansestädte, Schleswig-Holstein, Mecklen¬
burg), einen mitteldeutschen usw.

Auch die Berufsorganisationen der Frauen mehren sich, neueren Datums
sind die der Krankenpflegerinnen, der bibliothekarisch arbeitenden Frauen, der
weiblichen Oberlehrer u. a. in.

Um eine Übersicht der vielfältigen Organisationen zu gestatten, hat der
Bund ein Merkbuch der Frauenbewegung veröffentlicht (1903), und das
Kaiserlich Statistische Amt unternimmt jetzt die zweite Statistik der deutschen
Frauenvereine.

Wie die deutsche Frauenbewegung sich in den letzten Jahren konfessionell
gefärbt, so scheint sie jetzt auch parteipolitisch zu werden. Die verschiedenen
Provinz- oder Landesvereine, die den Verband für Frauenstimmrecht bilden, sind


Der praktische Nutzen der Frauenbewegung

Bund verfolgt heute ein unifassendes und modernes sozialpolitisches Programm,
zählt hunderttausend Mitglieder, hat seinen Sitz in Dresden und zur Vorsitzenden
Frau Marie stritt daselbst. Er ist auch dem Weltbund der Frauen
angeschlossen, der, gleichfalls amerikanischer Anregung entsprungen, heute über
zwanzig national organisierte Länder umfaßt. Vorsitzende ist Lady Aberdeen,
Vizekönigin von Irland.

Dem Bund deutscher Frauenvereine gehört heute wohl die Mehrzahl
der bürgerlichen Frauenorganisationen an. Seinen ältesten Bestand bilden der
Allgemeine deutsche Frauen- und der Allgemeine deutsche Lehrerinnen¬
verein, sowie der Verband Fortschrittlicher Frauenvereine und der
Verein Frauenbildung—Frauenstudium.

In den letzten zehn Jahren hat sich die deutsche Frauenbewegung nun nach
Arbeitsgebieten, nach Konfessionen und nach geographischen Gebieten organisiert.
Nach Arbeitsgebieten z. B. in dem deutschen Zweig der Inter¬
nationalen abolitionistischen Föderation zur Bekämpfung der reglemen¬
tierten Prostitution (Vorsitzende Frau Scheven, Dresden), in dem Bund
abstinenter Frauen (Vorsitzende Fräulein Hoffmann, Bremen), in dem
Verband deutscher Rechtsschutzvereine (Vorsitzende Frau Bennewi, Halle),
dem Verein für Arbeiterinneninteressen (Vorsitzende Fräulein Friedenthal,
Berlin), dem Deutschen Verbände für Frauenstimmrecht (Vorsitzende
Dr. Augspurg, Siglhof).

Nach Konfessionen in dem Deutsch-evangelischen Frauenbund
(Vorsitzende Fräulein P. Müller, Hannover), dem Jüdischen Frauenbund
(Vorsitzende Fräulein Pappenheim, Frankfurt a. M.), dem Katholischen Frauen¬
bund (Vorsitzende Frau von Carnap, Köln). Letzterer ist dem Bunde deutscher
Frauenvereine noch nicht angeschlossen.

Die geographische Organisation geht nach Provinzen oder Bundesstaaten
und ist sehr reichhaltig. Jede preußische Provinz, außer Pommern, Ostpreußen,
Posen, Hannover und Hessen, hat einen Provinzverband ihrer Frauenvereine.
Außerdem gibt es einen Elsaß-lothring er Verband, einen bayerischen,
einen Pfälzer, einen norddeutschen (Hansestädte, Schleswig-Holstein, Mecklen¬
burg), einen mitteldeutschen usw.

Auch die Berufsorganisationen der Frauen mehren sich, neueren Datums
sind die der Krankenpflegerinnen, der bibliothekarisch arbeitenden Frauen, der
weiblichen Oberlehrer u. a. in.

Um eine Übersicht der vielfältigen Organisationen zu gestatten, hat der
Bund ein Merkbuch der Frauenbewegung veröffentlicht (1903), und das
Kaiserlich Statistische Amt unternimmt jetzt die zweite Statistik der deutschen
Frauenvereine.

Wie die deutsche Frauenbewegung sich in den letzten Jahren konfessionell
gefärbt, so scheint sie jetzt auch parteipolitisch zu werden. Die verschiedenen
Provinz- oder Landesvereine, die den Verband für Frauenstimmrecht bilden, sind


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_315638/266>, abgerufen am 26.06.2024.