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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr.

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Die polnischen volksbcmken in Gbcrschlesien

jeden: politischen Gesichtspunkt abgesehen, aus die Dauer mit einer soliden Geld¬
wirtschaft unvereinbar,)

Man darf aber nun nicht glauben, daß die polnischen Banken durch ihre
hohen Kredite und durch die Tatsache, daß sie diese aus den Depositen geben,
durchweg gefährdet seien, besonders, wenn etwa bei einer Krisis die Deponenden
ihre Spargelder zurückforderten. Dagegen haben sie sich bis zu einem gewissen
Grade durch die vertragliche Bestimmung gesichert, daß sie größere Beträge nur
mit drei- bis sechsmonatlicher Kündigung auszuzahlen brauchen. Sie haben also
einen Rum auf ihre Banken nicht zu fürchten. Zudem dürfte eine Krise in
Oberschlesien kaum gleichzeitig mit einer solchen in Posen und Westpreußen auf¬
treten; die Hilfe aber, welche die Bank Ludowy in Beuthen der notleidenden
Posener Verbandsbank im Jahre 1900 geleistet, ist sicher dort unvergessen, und
würde im Notfall mit Millionenüberweisungen von den Posener Banken Ludowy
an die oberschlesischen Banken vergolten werden.

Die Kreditfristen für die von den Banken Ludowy gewährten Darlehen
sind in der Regel längere, ohne daß deshalb die Bank die ausgeliehenen Beträge
in voller Höhe für die Dauer der Kreditierung entbehrt. Sie sorgt für reichlichen
Rückfluß der Gelder durch eine streng durchgeführte Abzahlungspraxis.

Auf der Rückseite ihrer Sola-Wechselformulare haben sie Vordrucke für
Abschreibungen und sparen dadurch den neuen Wechselstempel, den die deutschen
Genossenschaftsbanken bei Prolongation der ursprünglichen Wechsel entrichten
müssen. Diese Ersparnis ist natürlich nur dadurch möglich, daß sie, wie oben
ausgeführt, Wechsel unterschreiben lassen, die im Portefeuille der Bank bleiben.
Die Regel ist, daß 10 Prozent der Darlehenssumme alljährlich abgezahlt werden
müssen, und daß sich laut Vertrag für den säumigen Schuldner der Zinsfuß um
mindestens V2 Prozent erhöht. Übe diese schon eine starke Pression aus den
Schuldner aus, so scheut sich die Bank auch nicht, wenn er mehrfach säumig ist,
das Datum im Wechsel auszufüllen, ihn einzuklagen und rücksichtslos zu exequieren.
Diese energischen Abzahlungen bringen immer wieder bares Geld in die Kassen,
sorgen so für raschen Umlauf des Geldes und erhalten die Genossenschaften stets
leistungsfähig.

Bezüglich der Sicherstellung der Kredite behauptet Bernhard, der in
seinem Buch über das polnische Gemeinwesen gelegentlich die oberschlesischen
Verhältnisse zum Vergleiche heranzieht, daß die oberschlesischen Polenbanken fast
jeden Kredit durch Hypothekenbrief, Lebensversicherungspolicen und ähnliche oft
zweifelhafte Wertpapiere sichern, während sich die Genossenschaften des Verbandes
von Posen und Westpreußen auf die Bürgschaft beschränkten. Dies kann für
die neuste Praxis der oberschlesischen Banken nur noch mit Einschränkung
anerkannt werden. Auch diese wenden sich immer mehr der Sicherung durch
Bürgschaft zu. Immerhin haben sie viel mehr Hypotheken als Unterlagen als
die deutschen Genossenschaften, und gerade diese Unterlagen mindern die Solidität
der Banken Ludowy, weil sich unter den Hypotheken vielfach solche an zweiter,


Grenzboten II 1910 32
Die polnischen volksbcmken in Gbcrschlesien

jeden: politischen Gesichtspunkt abgesehen, aus die Dauer mit einer soliden Geld¬
wirtschaft unvereinbar,)

Man darf aber nun nicht glauben, daß die polnischen Banken durch ihre
hohen Kredite und durch die Tatsache, daß sie diese aus den Depositen geben,
durchweg gefährdet seien, besonders, wenn etwa bei einer Krisis die Deponenden
ihre Spargelder zurückforderten. Dagegen haben sie sich bis zu einem gewissen
Grade durch die vertragliche Bestimmung gesichert, daß sie größere Beträge nur
mit drei- bis sechsmonatlicher Kündigung auszuzahlen brauchen. Sie haben also
einen Rum auf ihre Banken nicht zu fürchten. Zudem dürfte eine Krise in
Oberschlesien kaum gleichzeitig mit einer solchen in Posen und Westpreußen auf¬
treten; die Hilfe aber, welche die Bank Ludowy in Beuthen der notleidenden
Posener Verbandsbank im Jahre 1900 geleistet, ist sicher dort unvergessen, und
würde im Notfall mit Millionenüberweisungen von den Posener Banken Ludowy
an die oberschlesischen Banken vergolten werden.

Die Kreditfristen für die von den Banken Ludowy gewährten Darlehen
sind in der Regel längere, ohne daß deshalb die Bank die ausgeliehenen Beträge
in voller Höhe für die Dauer der Kreditierung entbehrt. Sie sorgt für reichlichen
Rückfluß der Gelder durch eine streng durchgeführte Abzahlungspraxis.

Auf der Rückseite ihrer Sola-Wechselformulare haben sie Vordrucke für
Abschreibungen und sparen dadurch den neuen Wechselstempel, den die deutschen
Genossenschaftsbanken bei Prolongation der ursprünglichen Wechsel entrichten
müssen. Diese Ersparnis ist natürlich nur dadurch möglich, daß sie, wie oben
ausgeführt, Wechsel unterschreiben lassen, die im Portefeuille der Bank bleiben.
Die Regel ist, daß 10 Prozent der Darlehenssumme alljährlich abgezahlt werden
müssen, und daß sich laut Vertrag für den säumigen Schuldner der Zinsfuß um
mindestens V2 Prozent erhöht. Übe diese schon eine starke Pression aus den
Schuldner aus, so scheut sich die Bank auch nicht, wenn er mehrfach säumig ist,
das Datum im Wechsel auszufüllen, ihn einzuklagen und rücksichtslos zu exequieren.
Diese energischen Abzahlungen bringen immer wieder bares Geld in die Kassen,
sorgen so für raschen Umlauf des Geldes und erhalten die Genossenschaften stets
leistungsfähig.

Bezüglich der Sicherstellung der Kredite behauptet Bernhard, der in
seinem Buch über das polnische Gemeinwesen gelegentlich die oberschlesischen
Verhältnisse zum Vergleiche heranzieht, daß die oberschlesischen Polenbanken fast
jeden Kredit durch Hypothekenbrief, Lebensversicherungspolicen und ähnliche oft
zweifelhafte Wertpapiere sichern, während sich die Genossenschaften des Verbandes
von Posen und Westpreußen auf die Bürgschaft beschränkten. Dies kann für
die neuste Praxis der oberschlesischen Banken nur noch mit Einschränkung
anerkannt werden. Auch diese wenden sich immer mehr der Sicherung durch
Bürgschaft zu. Immerhin haben sie viel mehr Hypotheken als Unterlagen als
die deutschen Genossenschaften, und gerade diese Unterlagen mindern die Solidität
der Banken Ludowy, weil sich unter den Hypotheken vielfach solche an zweiter,


Grenzboten II 1910 32
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[0261] Die polnischen volksbcmken in Gbcrschlesien jeden: politischen Gesichtspunkt abgesehen, aus die Dauer mit einer soliden Geld¬ wirtschaft unvereinbar,) Man darf aber nun nicht glauben, daß die polnischen Banken durch ihre hohen Kredite und durch die Tatsache, daß sie diese aus den Depositen geben, durchweg gefährdet seien, besonders, wenn etwa bei einer Krisis die Deponenden ihre Spargelder zurückforderten. Dagegen haben sie sich bis zu einem gewissen Grade durch die vertragliche Bestimmung gesichert, daß sie größere Beträge nur mit drei- bis sechsmonatlicher Kündigung auszuzahlen brauchen. Sie haben also einen Rum auf ihre Banken nicht zu fürchten. Zudem dürfte eine Krise in Oberschlesien kaum gleichzeitig mit einer solchen in Posen und Westpreußen auf¬ treten; die Hilfe aber, welche die Bank Ludowy in Beuthen der notleidenden Posener Verbandsbank im Jahre 1900 geleistet, ist sicher dort unvergessen, und würde im Notfall mit Millionenüberweisungen von den Posener Banken Ludowy an die oberschlesischen Banken vergolten werden. Die Kreditfristen für die von den Banken Ludowy gewährten Darlehen sind in der Regel längere, ohne daß deshalb die Bank die ausgeliehenen Beträge in voller Höhe für die Dauer der Kreditierung entbehrt. Sie sorgt für reichlichen Rückfluß der Gelder durch eine streng durchgeführte Abzahlungspraxis. Auf der Rückseite ihrer Sola-Wechselformulare haben sie Vordrucke für Abschreibungen und sparen dadurch den neuen Wechselstempel, den die deutschen Genossenschaftsbanken bei Prolongation der ursprünglichen Wechsel entrichten müssen. Diese Ersparnis ist natürlich nur dadurch möglich, daß sie, wie oben ausgeführt, Wechsel unterschreiben lassen, die im Portefeuille der Bank bleiben. Die Regel ist, daß 10 Prozent der Darlehenssumme alljährlich abgezahlt werden müssen, und daß sich laut Vertrag für den säumigen Schuldner der Zinsfuß um mindestens V2 Prozent erhöht. Übe diese schon eine starke Pression aus den Schuldner aus, so scheut sich die Bank auch nicht, wenn er mehrfach säumig ist, das Datum im Wechsel auszufüllen, ihn einzuklagen und rücksichtslos zu exequieren. Diese energischen Abzahlungen bringen immer wieder bares Geld in die Kassen, sorgen so für raschen Umlauf des Geldes und erhalten die Genossenschaften stets leistungsfähig. Bezüglich der Sicherstellung der Kredite behauptet Bernhard, der in seinem Buch über das polnische Gemeinwesen gelegentlich die oberschlesischen Verhältnisse zum Vergleiche heranzieht, daß die oberschlesischen Polenbanken fast jeden Kredit durch Hypothekenbrief, Lebensversicherungspolicen und ähnliche oft zweifelhafte Wertpapiere sichern, während sich die Genossenschaften des Verbandes von Posen und Westpreußen auf die Bürgschaft beschränkten. Dies kann für die neuste Praxis der oberschlesischen Banken nur noch mit Einschränkung anerkannt werden. Auch diese wenden sich immer mehr der Sicherung durch Bürgschaft zu. Immerhin haben sie viel mehr Hypotheken als Unterlagen als die deutschen Genossenschaften, und gerade diese Unterlagen mindern die Solidität der Banken Ludowy, weil sich unter den Hypotheken vielfach solche an zweiter, Grenzboten II 1910 32

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_315638/261>, abgerufen am 26.06.2024.