Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Die polnischen volksbcmken in Gberschlcsien

aber trägt die in Oberschlesien sich langsam vermehrende Oberschicht polnischer
Akademiker, der Ärzte, Rechtsanwälte, Apotheker usw. ihr Vermögen größtenteils
in die Banken Ludowy.

Die Kreditpolitik der Polenbanken wird von zwei Gesichtspunkten
bestimmt. Einmal bilden die Banken Ludowy in sich einen so geschlossenen
Wirtschaftsring, daß sie ihre eigene Zinspolitik treiben können, und zweitens
sind die Polenbanken Kampfbanken.

Der Zinssatz, den Bankinstitute für die von ihnen entliehenen und die
bei ihnen deponierten Gelder zahlen, richtet sich in der Regel nach dem Reichs¬
bankdiskont, derart, daß z. B. die Sparer bei unseren Kreditbanken und den
meisten deutschen Genossenschaften ihre Spareinlagen mit 1 Prozent unter dem
Reichsbankdiskont verzinst erhalten. Entsprechend dem Herauf- und Herabsetzen
des Reichsbankzinsfußes schwankt also auch der Zinsfuß, den diese Banken
ihren Sparern geben. Von einer eigenen Zinspolitik spricht man im Gegensatze
hierzu, wenn ein Verband seine Zinssätze unabhängig vom Reichsbankdiskont
regelt. Dieses vermögen einzelne deutsche Raiffeisen-Verbände, welche bei einem
Reichsbankdiskont von 6 Prozent ihren Genossen Kredit zu 5 Prozent gewährt
haben; dies vermag noch mehr, dank seines engen Zusammenschlusses, der
Verband der Banken Ludowy in Posen und Westpreußen, und ihn: ahmen die
oberschlesischen Polenbanken nach, obwohl eine solche Absonderung vom allgemeinen
Geldmarkte in einem Jndustriebezirke viel schwerer ist als in ländlichen Gegenden.
Die eigene Zinspolitik der oberschlesischen Polenbanken äußert sich darin, daß
sie für Depositen grundsätzlich 4 Prozent Zinsen gewähren und für die aus¬
geliehenen Gelder 5, höchstens 6 Prozent nehmen. Dies bedeutet einmal für
den Sparer die Annehmlichkeit eines festen Zinseinkommens, das zugleich in
seiner Höhe der Verzinsung bester Staats- und Industriepapiere entspricht, und
bedeutet für die Geldnehmer ebenfalls einen stabilen und dabei häufig sehr
billigen Zinsfuß. Als von Dezember 1907 bis Mitte Januar 1908 der Bank¬
diskont 7^/2 Prozent stand und die Kreditnehmer bei den deutschen Banken im
Durchschnitt 8^/2 bis 9^ Prozent Zinsen zahlen mußten, verliehen die Banken
Ludowy weiter ihr Geld zu 0 Prozent. Es leuchtet ohne weiteres ein, daß
sie damit als die Wohltäter der oberschlesischen Gewerbetreibenden dastanden
und in einer solchen Krisenzeit gewaltige moralische Eroberungen gemacht haben.
Möglich ist ihnen diese selbständige Zinspolitik durch den Überfluß an Geld, den
sie dank ihrer reichlichen Depositen haben. (Es sei deshalb schon hier darauf
hingewiesen: wenn wir deutscherseits mit ihnen konkurrieren wollen, müssen wir
das Geld ebenso reichlich zu Gebote haben.) Soweit die kleineren polnischen
Banken mit ihren Geldmitteln nicht auskommen, treten die größeren mit
Darlehen helfend ein. Die Natiborer Bank Ludowy z. B. hat jahrelang
solchen Überfluß an Spargeldern gehabt, daß sie in der Lage war, dortigen
deutschen Bankinstituten, Filialen größerer Kreditbanken, tägliches Geld zu
geben.


Die polnischen volksbcmken in Gberschlcsien

aber trägt die in Oberschlesien sich langsam vermehrende Oberschicht polnischer
Akademiker, der Ärzte, Rechtsanwälte, Apotheker usw. ihr Vermögen größtenteils
in die Banken Ludowy.

Die Kreditpolitik der Polenbanken wird von zwei Gesichtspunkten
bestimmt. Einmal bilden die Banken Ludowy in sich einen so geschlossenen
Wirtschaftsring, daß sie ihre eigene Zinspolitik treiben können, und zweitens
sind die Polenbanken Kampfbanken.

Der Zinssatz, den Bankinstitute für die von ihnen entliehenen und die
bei ihnen deponierten Gelder zahlen, richtet sich in der Regel nach dem Reichs¬
bankdiskont, derart, daß z. B. die Sparer bei unseren Kreditbanken und den
meisten deutschen Genossenschaften ihre Spareinlagen mit 1 Prozent unter dem
Reichsbankdiskont verzinst erhalten. Entsprechend dem Herauf- und Herabsetzen
des Reichsbankzinsfußes schwankt also auch der Zinsfuß, den diese Banken
ihren Sparern geben. Von einer eigenen Zinspolitik spricht man im Gegensatze
hierzu, wenn ein Verband seine Zinssätze unabhängig vom Reichsbankdiskont
regelt. Dieses vermögen einzelne deutsche Raiffeisen-Verbände, welche bei einem
Reichsbankdiskont von 6 Prozent ihren Genossen Kredit zu 5 Prozent gewährt
haben; dies vermag noch mehr, dank seines engen Zusammenschlusses, der
Verband der Banken Ludowy in Posen und Westpreußen, und ihn: ahmen die
oberschlesischen Polenbanken nach, obwohl eine solche Absonderung vom allgemeinen
Geldmarkte in einem Jndustriebezirke viel schwerer ist als in ländlichen Gegenden.
Die eigene Zinspolitik der oberschlesischen Polenbanken äußert sich darin, daß
sie für Depositen grundsätzlich 4 Prozent Zinsen gewähren und für die aus¬
geliehenen Gelder 5, höchstens 6 Prozent nehmen. Dies bedeutet einmal für
den Sparer die Annehmlichkeit eines festen Zinseinkommens, das zugleich in
seiner Höhe der Verzinsung bester Staats- und Industriepapiere entspricht, und
bedeutet für die Geldnehmer ebenfalls einen stabilen und dabei häufig sehr
billigen Zinsfuß. Als von Dezember 1907 bis Mitte Januar 1908 der Bank¬
diskont 7^/2 Prozent stand und die Kreditnehmer bei den deutschen Banken im
Durchschnitt 8^/2 bis 9^ Prozent Zinsen zahlen mußten, verliehen die Banken
Ludowy weiter ihr Geld zu 0 Prozent. Es leuchtet ohne weiteres ein, daß
sie damit als die Wohltäter der oberschlesischen Gewerbetreibenden dastanden
und in einer solchen Krisenzeit gewaltige moralische Eroberungen gemacht haben.
Möglich ist ihnen diese selbständige Zinspolitik durch den Überfluß an Geld, den
sie dank ihrer reichlichen Depositen haben. (Es sei deshalb schon hier darauf
hingewiesen: wenn wir deutscherseits mit ihnen konkurrieren wollen, müssen wir
das Geld ebenso reichlich zu Gebote haben.) Soweit die kleineren polnischen
Banken mit ihren Geldmitteln nicht auskommen, treten die größeren mit
Darlehen helfend ein. Die Natiborer Bank Ludowy z. B. hat jahrelang
solchen Überfluß an Spargeldern gehabt, daß sie in der Lage war, dortigen
deutschen Bankinstituten, Filialen größerer Kreditbanken, tägliches Geld zu
geben.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0258" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/315897"/>
          <fw type="header" place="top"> Die polnischen volksbcmken in Gberschlcsien</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1407" prev="#ID_1406"> aber trägt die in Oberschlesien sich langsam vermehrende Oberschicht polnischer<lb/>
Akademiker, der Ärzte, Rechtsanwälte, Apotheker usw. ihr Vermögen größtenteils<lb/>
in die Banken Ludowy.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1408"> Die Kreditpolitik der Polenbanken wird von zwei Gesichtspunkten<lb/>
bestimmt. Einmal bilden die Banken Ludowy in sich einen so geschlossenen<lb/>
Wirtschaftsring, daß sie ihre eigene Zinspolitik treiben können, und zweitens<lb/>
sind die Polenbanken Kampfbanken.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1409"> Der Zinssatz, den Bankinstitute für die von ihnen entliehenen und die<lb/>
bei ihnen deponierten Gelder zahlen, richtet sich in der Regel nach dem Reichs¬<lb/>
bankdiskont, derart, daß z. B. die Sparer bei unseren Kreditbanken und den<lb/>
meisten deutschen Genossenschaften ihre Spareinlagen mit 1 Prozent unter dem<lb/>
Reichsbankdiskont verzinst erhalten. Entsprechend dem Herauf- und Herabsetzen<lb/>
des Reichsbankzinsfußes schwankt also auch der Zinsfuß, den diese Banken<lb/>
ihren Sparern geben. Von einer eigenen Zinspolitik spricht man im Gegensatze<lb/>
hierzu, wenn ein Verband seine Zinssätze unabhängig vom Reichsbankdiskont<lb/>
regelt. Dieses vermögen einzelne deutsche Raiffeisen-Verbände, welche bei einem<lb/>
Reichsbankdiskont von 6 Prozent ihren Genossen Kredit zu 5 Prozent gewährt<lb/>
haben; dies vermag noch mehr, dank seines engen Zusammenschlusses, der<lb/>
Verband der Banken Ludowy in Posen und Westpreußen, und ihn: ahmen die<lb/>
oberschlesischen Polenbanken nach, obwohl eine solche Absonderung vom allgemeinen<lb/>
Geldmarkte in einem Jndustriebezirke viel schwerer ist als in ländlichen Gegenden.<lb/>
Die eigene Zinspolitik der oberschlesischen Polenbanken äußert sich darin, daß<lb/>
sie für Depositen grundsätzlich 4 Prozent Zinsen gewähren und für die aus¬<lb/>
geliehenen Gelder 5, höchstens 6 Prozent nehmen. Dies bedeutet einmal für<lb/>
den Sparer die Annehmlichkeit eines festen Zinseinkommens, das zugleich in<lb/>
seiner Höhe der Verzinsung bester Staats- und Industriepapiere entspricht, und<lb/>
bedeutet für die Geldnehmer ebenfalls einen stabilen und dabei häufig sehr<lb/>
billigen Zinsfuß. Als von Dezember 1907 bis Mitte Januar 1908 der Bank¬<lb/>
diskont 7^/2 Prozent stand und die Kreditnehmer bei den deutschen Banken im<lb/>
Durchschnitt 8^/2 bis 9^ Prozent Zinsen zahlen mußten, verliehen die Banken<lb/>
Ludowy weiter ihr Geld zu 0 Prozent. Es leuchtet ohne weiteres ein, daß<lb/>
sie damit als die Wohltäter der oberschlesischen Gewerbetreibenden dastanden<lb/>
und in einer solchen Krisenzeit gewaltige moralische Eroberungen gemacht haben.<lb/>
Möglich ist ihnen diese selbständige Zinspolitik durch den Überfluß an Geld, den<lb/>
sie dank ihrer reichlichen Depositen haben. (Es sei deshalb schon hier darauf<lb/>
hingewiesen: wenn wir deutscherseits mit ihnen konkurrieren wollen, müssen wir<lb/>
das Geld ebenso reichlich zu Gebote haben.) Soweit die kleineren polnischen<lb/>
Banken mit ihren Geldmitteln nicht auskommen, treten die größeren mit<lb/>
Darlehen helfend ein. Die Natiborer Bank Ludowy z. B. hat jahrelang<lb/>
solchen Überfluß an Spargeldern gehabt, daß sie in der Lage war, dortigen<lb/>
deutschen Bankinstituten, Filialen größerer Kreditbanken, tägliches Geld zu<lb/>
geben.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0258] Die polnischen volksbcmken in Gberschlcsien aber trägt die in Oberschlesien sich langsam vermehrende Oberschicht polnischer Akademiker, der Ärzte, Rechtsanwälte, Apotheker usw. ihr Vermögen größtenteils in die Banken Ludowy. Die Kreditpolitik der Polenbanken wird von zwei Gesichtspunkten bestimmt. Einmal bilden die Banken Ludowy in sich einen so geschlossenen Wirtschaftsring, daß sie ihre eigene Zinspolitik treiben können, und zweitens sind die Polenbanken Kampfbanken. Der Zinssatz, den Bankinstitute für die von ihnen entliehenen und die bei ihnen deponierten Gelder zahlen, richtet sich in der Regel nach dem Reichs¬ bankdiskont, derart, daß z. B. die Sparer bei unseren Kreditbanken und den meisten deutschen Genossenschaften ihre Spareinlagen mit 1 Prozent unter dem Reichsbankdiskont verzinst erhalten. Entsprechend dem Herauf- und Herabsetzen des Reichsbankzinsfußes schwankt also auch der Zinsfuß, den diese Banken ihren Sparern geben. Von einer eigenen Zinspolitik spricht man im Gegensatze hierzu, wenn ein Verband seine Zinssätze unabhängig vom Reichsbankdiskont regelt. Dieses vermögen einzelne deutsche Raiffeisen-Verbände, welche bei einem Reichsbankdiskont von 6 Prozent ihren Genossen Kredit zu 5 Prozent gewährt haben; dies vermag noch mehr, dank seines engen Zusammenschlusses, der Verband der Banken Ludowy in Posen und Westpreußen, und ihn: ahmen die oberschlesischen Polenbanken nach, obwohl eine solche Absonderung vom allgemeinen Geldmarkte in einem Jndustriebezirke viel schwerer ist als in ländlichen Gegenden. Die eigene Zinspolitik der oberschlesischen Polenbanken äußert sich darin, daß sie für Depositen grundsätzlich 4 Prozent Zinsen gewähren und für die aus¬ geliehenen Gelder 5, höchstens 6 Prozent nehmen. Dies bedeutet einmal für den Sparer die Annehmlichkeit eines festen Zinseinkommens, das zugleich in seiner Höhe der Verzinsung bester Staats- und Industriepapiere entspricht, und bedeutet für die Geldnehmer ebenfalls einen stabilen und dabei häufig sehr billigen Zinsfuß. Als von Dezember 1907 bis Mitte Januar 1908 der Bank¬ diskont 7^/2 Prozent stand und die Kreditnehmer bei den deutschen Banken im Durchschnitt 8^/2 bis 9^ Prozent Zinsen zahlen mußten, verliehen die Banken Ludowy weiter ihr Geld zu 0 Prozent. Es leuchtet ohne weiteres ein, daß sie damit als die Wohltäter der oberschlesischen Gewerbetreibenden dastanden und in einer solchen Krisenzeit gewaltige moralische Eroberungen gemacht haben. Möglich ist ihnen diese selbständige Zinspolitik durch den Überfluß an Geld, den sie dank ihrer reichlichen Depositen haben. (Es sei deshalb schon hier darauf hingewiesen: wenn wir deutscherseits mit ihnen konkurrieren wollen, müssen wir das Geld ebenso reichlich zu Gebote haben.) Soweit die kleineren polnischen Banken mit ihren Geldmitteln nicht auskommen, treten die größeren mit Darlehen helfend ein. Die Natiborer Bank Ludowy z. B. hat jahrelang solchen Überfluß an Spargeldern gehabt, daß sie in der Lage war, dortigen deutschen Bankinstituten, Filialen größerer Kreditbanken, tägliches Geld zu geben.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_315638
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_315638/258
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_315638/258>, abgerufen am 26.06.2024.