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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr.

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Das Reichs-Kaligesetz

Überproduktion geschaffen haben, von Unternehmern gegründet worden ist, die
schon seit Jahren in der Kali-Industrie stehen, also sich doch wohl einen Gewinn,
eine dauernde Rentabilität versprochen und an die Überproduktion nicht
geglaubt haben müssen; und wenn Herr Schmidtmcmu selbst die Über¬
produktion als die tiefste Ursache seines Vorgehens in Amerika bezeichnet
-- warum hat er dann erst vor wenigen Jahren sein Werk Sollstedt
gebaut? Und wenn anderseits namentlich von freisinniger Seite geltend
gemacht worden ist, daß die "künstliche Hochhaltung der Preise" durch das
Syndikat die Überproduktion, das Entstehen neuer Werke gezüchtet hätte, so ist
auch dieser Einwand nicht als stichhaltig einzusehen. Deun es setzt eine geradezu
unmenschliche Bescheidenheit, eine ungewöhnliche geschäftliche Beschränktheit voraus,
bei einem Monopolartikel die Auslandspreise recht niedrig zu halten und frei¬
willig auf einen sicheren Gewinn zu verzichten, bloß um das Entstehen eines
Konkurrenzwerkes zu verhüten -- zumal angesichts des großen Risikos, das
bergbanlichen Unternehmungen stets innewohnt.

Hier Recht und Unrecht scharf zu scheiden, ist nicht leicht, zumal die Auf¬
klärung in deu verschiedenen Organen der öffentlichen Tagesmeinnng ziemlich
versagt hat und mehr unter dem Einfluß parteimüßiger Erwägungen stand, als
der Sache nützlich war. Auch hier kann der Syndikatsverwaltung der Vorwurf
nicht erspart werden, daß ihre Organisation im Dienst der Aufklärung, in dem
Eingreifei: in die verschiedenen Phasen des Kampfes und zuletzt der Gesetzes-
beratnug nicht ganz zweckmüßig funktioniert hat. Wie das Gesetz sich schließlich
in den Einzelheiten auch gestalten mag -- sicher ist, daß die bisherigen
Außenseiterkämpfe nun endgültig vorüber sind, der Schutz des deutschen Kali¬
monopols nun im wesentlichen erreicht, ist, freilich aber auch die Daseins- und
Inhaltsarmen des bisherigen Syndikats sich gründlich verändern werden. Denn
unter der Geltung des neuen Gesetzes wird das Syndikat, wenn es sich wieder
erneuert, mehr oder weniger uur ein Schattendasein führen. Die tatsächliche
Herrschaft liegt in Zukunft in Händen der vom neuen Gesetz eingeführten
"Verteilungstelle", die über die Quoten, den Lebensnerv jedes Kaliwerkes, und
damit über das Kontingent verfügt! Und hier liegt wieder eine Unklarheit
des Gesetzes, die unter Umständen sür die Kali-Industrie verhängnisvoll werden
kann. Denn das ganze Gesetz ist auf der Voraussetzung aufgebaut, daß el"
Zusammenschluß der Werke zu einem Syndikat erfolgt. Geschieht dies aber
nicht, so schwebt das ganze System der Kontingentierung in der Luft!




Das Reichs-Kaligesetz

Überproduktion geschaffen haben, von Unternehmern gegründet worden ist, die
schon seit Jahren in der Kali-Industrie stehen, also sich doch wohl einen Gewinn,
eine dauernde Rentabilität versprochen und an die Überproduktion nicht
geglaubt haben müssen; und wenn Herr Schmidtmcmu selbst die Über¬
produktion als die tiefste Ursache seines Vorgehens in Amerika bezeichnet
— warum hat er dann erst vor wenigen Jahren sein Werk Sollstedt
gebaut? Und wenn anderseits namentlich von freisinniger Seite geltend
gemacht worden ist, daß die „künstliche Hochhaltung der Preise" durch das
Syndikat die Überproduktion, das Entstehen neuer Werke gezüchtet hätte, so ist
auch dieser Einwand nicht als stichhaltig einzusehen. Deun es setzt eine geradezu
unmenschliche Bescheidenheit, eine ungewöhnliche geschäftliche Beschränktheit voraus,
bei einem Monopolartikel die Auslandspreise recht niedrig zu halten und frei¬
willig auf einen sicheren Gewinn zu verzichten, bloß um das Entstehen eines
Konkurrenzwerkes zu verhüten — zumal angesichts des großen Risikos, das
bergbanlichen Unternehmungen stets innewohnt.

Hier Recht und Unrecht scharf zu scheiden, ist nicht leicht, zumal die Auf¬
klärung in deu verschiedenen Organen der öffentlichen Tagesmeinnng ziemlich
versagt hat und mehr unter dem Einfluß parteimüßiger Erwägungen stand, als
der Sache nützlich war. Auch hier kann der Syndikatsverwaltung der Vorwurf
nicht erspart werden, daß ihre Organisation im Dienst der Aufklärung, in dem
Eingreifei: in die verschiedenen Phasen des Kampfes und zuletzt der Gesetzes-
beratnug nicht ganz zweckmüßig funktioniert hat. Wie das Gesetz sich schließlich
in den Einzelheiten auch gestalten mag — sicher ist, daß die bisherigen
Außenseiterkämpfe nun endgültig vorüber sind, der Schutz des deutschen Kali¬
monopols nun im wesentlichen erreicht, ist, freilich aber auch die Daseins- und
Inhaltsarmen des bisherigen Syndikats sich gründlich verändern werden. Denn
unter der Geltung des neuen Gesetzes wird das Syndikat, wenn es sich wieder
erneuert, mehr oder weniger uur ein Schattendasein führen. Die tatsächliche
Herrschaft liegt in Zukunft in Händen der vom neuen Gesetz eingeführten
„Verteilungstelle", die über die Quoten, den Lebensnerv jedes Kaliwerkes, und
damit über das Kontingent verfügt! Und hier liegt wieder eine Unklarheit
des Gesetzes, die unter Umständen sür die Kali-Industrie verhängnisvoll werden
kann. Denn das ganze Gesetz ist auf der Voraussetzung aufgebaut, daß el»
Zusammenschluß der Werke zu einem Syndikat erfolgt. Geschieht dies aber
nicht, so schwebt das ganze System der Kontingentierung in der Luft!




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[0228] Das Reichs-Kaligesetz Überproduktion geschaffen haben, von Unternehmern gegründet worden ist, die schon seit Jahren in der Kali-Industrie stehen, also sich doch wohl einen Gewinn, eine dauernde Rentabilität versprochen und an die Überproduktion nicht geglaubt haben müssen; und wenn Herr Schmidtmcmu selbst die Über¬ produktion als die tiefste Ursache seines Vorgehens in Amerika bezeichnet — warum hat er dann erst vor wenigen Jahren sein Werk Sollstedt gebaut? Und wenn anderseits namentlich von freisinniger Seite geltend gemacht worden ist, daß die „künstliche Hochhaltung der Preise" durch das Syndikat die Überproduktion, das Entstehen neuer Werke gezüchtet hätte, so ist auch dieser Einwand nicht als stichhaltig einzusehen. Deun es setzt eine geradezu unmenschliche Bescheidenheit, eine ungewöhnliche geschäftliche Beschränktheit voraus, bei einem Monopolartikel die Auslandspreise recht niedrig zu halten und frei¬ willig auf einen sicheren Gewinn zu verzichten, bloß um das Entstehen eines Konkurrenzwerkes zu verhüten — zumal angesichts des großen Risikos, das bergbanlichen Unternehmungen stets innewohnt. Hier Recht und Unrecht scharf zu scheiden, ist nicht leicht, zumal die Auf¬ klärung in deu verschiedenen Organen der öffentlichen Tagesmeinnng ziemlich versagt hat und mehr unter dem Einfluß parteimüßiger Erwägungen stand, als der Sache nützlich war. Auch hier kann der Syndikatsverwaltung der Vorwurf nicht erspart werden, daß ihre Organisation im Dienst der Aufklärung, in dem Eingreifei: in die verschiedenen Phasen des Kampfes und zuletzt der Gesetzes- beratnug nicht ganz zweckmüßig funktioniert hat. Wie das Gesetz sich schließlich in den Einzelheiten auch gestalten mag — sicher ist, daß die bisherigen Außenseiterkämpfe nun endgültig vorüber sind, der Schutz des deutschen Kali¬ monopols nun im wesentlichen erreicht, ist, freilich aber auch die Daseins- und Inhaltsarmen des bisherigen Syndikats sich gründlich verändern werden. Denn unter der Geltung des neuen Gesetzes wird das Syndikat, wenn es sich wieder erneuert, mehr oder weniger uur ein Schattendasein führen. Die tatsächliche Herrschaft liegt in Zukunft in Händen der vom neuen Gesetz eingeführten „Verteilungstelle", die über die Quoten, den Lebensnerv jedes Kaliwerkes, und damit über das Kontingent verfügt! Und hier liegt wieder eine Unklarheit des Gesetzes, die unter Umständen sür die Kali-Industrie verhängnisvoll werden kann. Denn das ganze Gesetz ist auf der Voraussetzung aufgebaut, daß el» Zusammenschluß der Werke zu einem Syndikat erfolgt. Geschieht dies aber nicht, so schwebt das ganze System der Kontingentierung in der Luft!

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_315638/228>, abgerufen am 28.09.2024.