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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr.

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Einzelheiten aus den Personalverhältnissen der preußischen Verwaltung

ganze Auffassung und Behandlung des Landratsamts aber anch in unlösbaren
Widerspruch mit der Natur dieses Amts. Nach der bewußten Absicht des
Gesetzgebers solle der Landrat eben nicht ein Staatsbeamter sein wie jeder
andre, da er neben seinen Staatsgeschäften auch die Konrmunalverwaltnng des
Kreises leite und den Vorsitz in den beschließenden und ausführenden Ver¬
tretungen der Kreisgemeinde führe. Diesem Wesen des Amts entspreche allein
eine Behandlung des Amtsinhabers, wobei dieser darin eine Lebensstellung
finden könne, damit er auch als Berufsbeamter den nötigen engen Zusammen¬
hang mit dem Kreise und seinen Angelegenheiten, sowie das Vertrauen und
die Anerkennung der Kreiseingesessenen erlange und bewahre.

Diese Schilderung der jetzigen Stellung und Behandlung des Landrath ist
zunächst zweifellos viel zu sehr grau in grau gehalten, wie wir noch sehen
werden. Außerdem behauptet Freiherr von Zedlitz selbst nicht, daß durch die
von ihm getadelte Behandlung des Landrath die Mißstände herbeigeführt worden
seien, die er selbst in der allgemeinen Verwaltung gefunden hat. Es würde
sich dies auch schwer beweisen lassen. Richtig ist dagegen, daß die Überspannung
des Begriffs des politischen Beamten beim Landrat oder vielmehr überhaupt
die Übertragung der rein politischen Betrachtungsweise auf die laufende Ver¬
waltung des Landratsamts geschadet hat. Aber das hat seine besondern Gründe
und ist überhaupt eine allgemeine Erscheinung.

Anderseits kann nicht ohne weiteres zugegeben werden, daß der Landrat
kein Staatsbeamter sei wie jeder andere. Die ganze Entwicklung des Landrats¬
amts spricht dagegen. Denn sie hat immer das Ziel gehabt, die alten Beziehungen
des Landrath zum Kreise zu lockern, -- zum Vorteil des Staats. Insofern
ist die Entwicklung des Landratsamts ein wesentlicher Teil der Herausbildung
des neuen Staats. Daß der Landrat auch jetzt noch an der Spitze der Kreis¬
gemeindeverwaltung steht, beweist nichts für die Richtigkeit der Zedlitzschen
Auffassung. Staatsverwaltung und Gemeindeverwaltung oder Selbstverwaltung
sind, wie wir gesehen haben, keine begrifflichen Gegensätze mehr. Vor allem
hatte die frühere Stellung des Landrath doch auch große Nachteile von: Stand¬
punkt des Staats. Freiherr von Zedlitz erwähnt selbst, daß es der alte
angesessene Landrat öfters an Staatsbewußtsein habe fehlen lassen. Weshalb
wohl? Doch nur deshalb, weil er zu sehr mit seinem Kreise verwachsen war,
sich zu sehr als dessen Vertreter gegen den Racker Staat gefühlt hat. Eine
Verallgemeinerung dieses Verhältnisses müßte also zur Lockerung des Staats-
gefüges führen. Außerdem muß aber ein Beamter, der zu lange in derselben
Stellung bleibt, einseitig werden, da er den Vergleichsmaßstab verliert, und
verknöchert. In weiterer Folge muß ihm der Unternehmungsgeist abhanden
kommen. Das gilt alles auch von dem Landrat trotz seiner anregenden Tätigkeit.
Dafür gibt es genug Beispiele und Beweise. Namentlich sind auch die
hannoverschen und Schleswig-holsteinischen Amtsmänner, die uns Freiherr
v. Zedlitz als Muster vorhält, diesem Schicksal nicht entgangen. Und einen Beweis


Einzelheiten aus den Personalverhältnissen der preußischen Verwaltung

ganze Auffassung und Behandlung des Landratsamts aber anch in unlösbaren
Widerspruch mit der Natur dieses Amts. Nach der bewußten Absicht des
Gesetzgebers solle der Landrat eben nicht ein Staatsbeamter sein wie jeder
andre, da er neben seinen Staatsgeschäften auch die Konrmunalverwaltnng des
Kreises leite und den Vorsitz in den beschließenden und ausführenden Ver¬
tretungen der Kreisgemeinde führe. Diesem Wesen des Amts entspreche allein
eine Behandlung des Amtsinhabers, wobei dieser darin eine Lebensstellung
finden könne, damit er auch als Berufsbeamter den nötigen engen Zusammen¬
hang mit dem Kreise und seinen Angelegenheiten, sowie das Vertrauen und
die Anerkennung der Kreiseingesessenen erlange und bewahre.

Diese Schilderung der jetzigen Stellung und Behandlung des Landrath ist
zunächst zweifellos viel zu sehr grau in grau gehalten, wie wir noch sehen
werden. Außerdem behauptet Freiherr von Zedlitz selbst nicht, daß durch die
von ihm getadelte Behandlung des Landrath die Mißstände herbeigeführt worden
seien, die er selbst in der allgemeinen Verwaltung gefunden hat. Es würde
sich dies auch schwer beweisen lassen. Richtig ist dagegen, daß die Überspannung
des Begriffs des politischen Beamten beim Landrat oder vielmehr überhaupt
die Übertragung der rein politischen Betrachtungsweise auf die laufende Ver¬
waltung des Landratsamts geschadet hat. Aber das hat seine besondern Gründe
und ist überhaupt eine allgemeine Erscheinung.

Anderseits kann nicht ohne weiteres zugegeben werden, daß der Landrat
kein Staatsbeamter sei wie jeder andere. Die ganze Entwicklung des Landrats¬
amts spricht dagegen. Denn sie hat immer das Ziel gehabt, die alten Beziehungen
des Landrath zum Kreise zu lockern, — zum Vorteil des Staats. Insofern
ist die Entwicklung des Landratsamts ein wesentlicher Teil der Herausbildung
des neuen Staats. Daß der Landrat auch jetzt noch an der Spitze der Kreis¬
gemeindeverwaltung steht, beweist nichts für die Richtigkeit der Zedlitzschen
Auffassung. Staatsverwaltung und Gemeindeverwaltung oder Selbstverwaltung
sind, wie wir gesehen haben, keine begrifflichen Gegensätze mehr. Vor allem
hatte die frühere Stellung des Landrath doch auch große Nachteile von: Stand¬
punkt des Staats. Freiherr von Zedlitz erwähnt selbst, daß es der alte
angesessene Landrat öfters an Staatsbewußtsein habe fehlen lassen. Weshalb
wohl? Doch nur deshalb, weil er zu sehr mit seinem Kreise verwachsen war,
sich zu sehr als dessen Vertreter gegen den Racker Staat gefühlt hat. Eine
Verallgemeinerung dieses Verhältnisses müßte also zur Lockerung des Staats-
gefüges führen. Außerdem muß aber ein Beamter, der zu lange in derselben
Stellung bleibt, einseitig werden, da er den Vergleichsmaßstab verliert, und
verknöchert. In weiterer Folge muß ihm der Unternehmungsgeist abhanden
kommen. Das gilt alles auch von dem Landrat trotz seiner anregenden Tätigkeit.
Dafür gibt es genug Beispiele und Beweise. Namentlich sind auch die
hannoverschen und Schleswig-holsteinischen Amtsmänner, die uns Freiherr
v. Zedlitz als Muster vorhält, diesem Schicksal nicht entgangen. Und einen Beweis


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_315638/212>, abgerufen am 29.06.2024.