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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr.

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Einzelheiten ans den Personalverhältnisscn der preußischen Verwaltung

um sich wieder in die ganze Vielseitigkeit der Geschäfte eines Oberpräsidiums
oder einer Negierung einzuleben. Viel schlimmer würde es natürlich einem der
vielen Juristen in den Ministerien ergehen, die niemals das ganze Gebiet der
Verwaltung kennen gelernt haben, vielleicht gleich aus der Justiz in das
Ministerium gekommen sind. Es würde lange Jahre dauern, bis sich ein solcher
Herr in den Geschäften der Provinzialbehörde auch nur oberflächlich zurecht¬
gefunden hätte, er würde der Provinzialbehörde nichts nützen und in das
Ministerium nur die Erinnerung an ein wüstes Durcheinander mitnehmen.

Und endlich! Welche Anschauungen würde ein solcher Ministerialbeamter
in der Provinz "anregend, belehrend, befruchtend" verbreiten können? Doch
eben nur die seines bisherigen, vielleicht ganz einseitigen Referats. Damit kann
er aber doch keinen Nutzen stiften. Ist denn außerdem ein solcher Austausch
wirklich das einzige Mittel, oder auch nur nötig, um immer in den Zentral¬
behörden Männer zu haben, die das praktische Leben und seine Forderungen
kennen oder in den Provinzialbehörden solche, die mit den Anschauungen und
der Praxis der Zentralbehörden bekannt sind? Oder läßt sich wirklich nur
durch einen solchen Austausch der Zweck der Sendboten Karls des Großen oder
der reisenden Räte des alten französischen Königtums erreichen? Mir scheint
nicht. Ich glaube vielmehr ein viel näher liegendes, viel einfacheres und viel
wirksameres Mittel zu kennen. Weiteres später. Hier möchte ich nur noch
darauf hinweisen, daß Klonau den Kernpunkt der Frage berührt hat, indem
er bemerkt, daß so manche Ministerialräte die Praxis des Lebens und der
Verwaltung gar nicht kennen gelernt hatten, als sie in das Ministerium kamen.
Hier muß angefaßt werden. --

Geheimrat Schwarz weist ferner aus eine gewisse Unzufriedenheit hin, die
sich vielfach unter den höhern Beamten der Regierungsinstanz, besonders an
kleinern und mittlern Regierungen, bemerkbar mache und sich in einem starken
Drängen nach der selbständigen und verantwortlichen Stellung eines Landrath,
sowie in einem fortwährenden Hasten nach neuen Dezernaten äußere. Das
ist richtig; ebenso kann man Schwarz darin beistimmen, daß durch eine solche
Unzufriedenheit die Güte der Leistungen der Beamten nicht gefördert wird.
Dagegen ist seine Erklärung dieser Erscheinungen sicherlich nicht richtig; er
widerlegt sie selbst. Er meint, daß sie ihre Ursachen in der Behördenorganisation
hätten. Der Wert und die Wirksamkeit einer Beamtenschaft seien nämlich in
hervorragendster Weise abhängig von der Organisation, die dem Beamten¬
apparat zugrunde liege. Das Gefühl, an einer Stelle zu stehn, die nach ihren
Befugnissen und ihrem Geschäftskreis hemmend und einschränkend wirke, ver¬
mindern die Arbeitsfreudigkeit eines Durchschnittsbeamten ebensosehr, wie die
Bedeutung, die Zweckmäßigkeit und der Umfang des Amts seine guten Eigen¬
schaften zu wecken und zu steigern pflege. Das Gefühl, dem Landrat oft mehr
hinderlich als förderlich gegenüberznstehn, mache sich daher grade an den
mittlere und kleinern Regierungen geltend, während an den Regierungen der


Einzelheiten ans den Personalverhältnisscn der preußischen Verwaltung

um sich wieder in die ganze Vielseitigkeit der Geschäfte eines Oberpräsidiums
oder einer Negierung einzuleben. Viel schlimmer würde es natürlich einem der
vielen Juristen in den Ministerien ergehen, die niemals das ganze Gebiet der
Verwaltung kennen gelernt haben, vielleicht gleich aus der Justiz in das
Ministerium gekommen sind. Es würde lange Jahre dauern, bis sich ein solcher
Herr in den Geschäften der Provinzialbehörde auch nur oberflächlich zurecht¬
gefunden hätte, er würde der Provinzialbehörde nichts nützen und in das
Ministerium nur die Erinnerung an ein wüstes Durcheinander mitnehmen.

Und endlich! Welche Anschauungen würde ein solcher Ministerialbeamter
in der Provinz „anregend, belehrend, befruchtend" verbreiten können? Doch
eben nur die seines bisherigen, vielleicht ganz einseitigen Referats. Damit kann
er aber doch keinen Nutzen stiften. Ist denn außerdem ein solcher Austausch
wirklich das einzige Mittel, oder auch nur nötig, um immer in den Zentral¬
behörden Männer zu haben, die das praktische Leben und seine Forderungen
kennen oder in den Provinzialbehörden solche, die mit den Anschauungen und
der Praxis der Zentralbehörden bekannt sind? Oder läßt sich wirklich nur
durch einen solchen Austausch der Zweck der Sendboten Karls des Großen oder
der reisenden Räte des alten französischen Königtums erreichen? Mir scheint
nicht. Ich glaube vielmehr ein viel näher liegendes, viel einfacheres und viel
wirksameres Mittel zu kennen. Weiteres später. Hier möchte ich nur noch
darauf hinweisen, daß Klonau den Kernpunkt der Frage berührt hat, indem
er bemerkt, daß so manche Ministerialräte die Praxis des Lebens und der
Verwaltung gar nicht kennen gelernt hatten, als sie in das Ministerium kamen.
Hier muß angefaßt werden. —

Geheimrat Schwarz weist ferner aus eine gewisse Unzufriedenheit hin, die
sich vielfach unter den höhern Beamten der Regierungsinstanz, besonders an
kleinern und mittlern Regierungen, bemerkbar mache und sich in einem starken
Drängen nach der selbständigen und verantwortlichen Stellung eines Landrath,
sowie in einem fortwährenden Hasten nach neuen Dezernaten äußere. Das
ist richtig; ebenso kann man Schwarz darin beistimmen, daß durch eine solche
Unzufriedenheit die Güte der Leistungen der Beamten nicht gefördert wird.
Dagegen ist seine Erklärung dieser Erscheinungen sicherlich nicht richtig; er
widerlegt sie selbst. Er meint, daß sie ihre Ursachen in der Behördenorganisation
hätten. Der Wert und die Wirksamkeit einer Beamtenschaft seien nämlich in
hervorragendster Weise abhängig von der Organisation, die dem Beamten¬
apparat zugrunde liege. Das Gefühl, an einer Stelle zu stehn, die nach ihren
Befugnissen und ihrem Geschäftskreis hemmend und einschränkend wirke, ver¬
mindern die Arbeitsfreudigkeit eines Durchschnittsbeamten ebensosehr, wie die
Bedeutung, die Zweckmäßigkeit und der Umfang des Amts seine guten Eigen¬
schaften zu wecken und zu steigern pflege. Das Gefühl, dem Landrat oft mehr
hinderlich als förderlich gegenüberznstehn, mache sich daher grade an den
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_315638/210>, abgerufen am 29.06.2024.