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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr.

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Einzelheiten aus den Personalverhältnissen der preußischen Verwaltung

bei dieser Neuordnung der Besoldungen jene Gleichstellung der verschiedensten
Bemntenklassen Folgen gehabt, die die Hoffnung auf Beseitigung des Gefühls
der Bevorzugung andrer und der eigenen Zurücksetzung, der Mißgunst und der
Streberei sofort als trügerisch erwiesen haben.

Für den Vorschlag, Beamte der Zentral- und der Provinzialbehörden aus¬
zutauschen, darf man sich jedenfalls nicht auf das Vorbild der Heeresverwaltung
berufe". Zwischen dem eigentlichen Truppendienst oder auch nur dem Dienst
in einem Truppenstab und der Tätigkeit im Großen Generalstab, im Kriegs¬
ministerium oder in andern militärischen Zentralbehörden ist ein Unterschied
wie zwischen Tag und Nacht. Die Tätigkeit des Beamten vollzieht sich aber
im Ministerium wie im Landratsamt oder in der Regierung auf denselben
Gebieten und ist auch ihrem Wesen nach dieselbe, nur daß man im Ministerium
die Dinge von einem höhern und entferntem Standpunkt aus betrachtet.
Sodann kann ich mir nicht gut vorstellen, wie ein solcher Austausch praktisch
durchgeführt werden soll. Mit der Versetzung eines Offiziers aus einer militä¬
rischen Zentralbehörde in die Front oder auch umgekehrt ist in den höheren
Rangklassen, die hier überhaupt nur in Betracht kommen können, fast immer
eine Beförderung verbunden, während dies bei dem Austausch, den die drei
Kritiker im Auge haben, soweit ich sie verstanden habe, nicht der Fall sein soll
und auch gar nicht der Fall sein kann, da sonst der Zweck dieser Hin- und
Herversetzungen kaum erreicht werden könnte. Wenn man ferner wirklich von
jenem Austausch die Vorteile haben wollte, die man sich auf dem Papier ver¬
spricht, dann müßte der Wechsel ununterbrochen sein. Dagegen hat aber schon
der Finanzminister von Miquel bei der Beratung der Besoldungsvorlage von
1896 geltend gemacht, daß bei dem raschen Wechsel der leitenden Beamten der
Ministerien die Ministerialräte die nötige Einheitlichkeit in den Anschauungen
und in der Praxis der Ministerien darstellten und daß schon aus diesem Grunde
ein zu häufiger und zu schneller Wechsel der Räte vermieden werden müsse.
Und welche Stellen bei den Provinzialbehörden würden in Betracht kommen?
Doch nur die der Oberpräsidialräte oder der Oberregierungsräte, also ebenfalls
Stellen, in deren Besetzung ein allzu häufiger Wechsel nicht erwünscht ist. Damit
entfällt aber die Möglichkeit, der Mehrzahl der Beamten auf diesem Wege
die von Lotz bezeichnete Universalität zu verschaffen. Dann ist bei den eben
erwähnten Verhandlungen von 1896 auch mit Recht darauf hingewiesen worden,
daß, wie die Verhältnisse augenblicklich bei uns liegen, nicht jeder Ministerialrat
für eine Stelle in der Provinzialverwaltung geeignet ist. Für viele würde es
sich bei der Versetzung in die Provinz nicht um eine "Rückkehr" in den frischen
Strom des Lebens handeln, sondern um eilte erste Bekanntschaft mit dem
praktischen Leben. Man denke nur an einen Ministerialrat, der sich in einem
Fachministerium zehn bis fünfzehn Jahre auf einem engbegrenzten Arbeitsgebiet
betätigt hat. Was würde dieser als Oberpräsidial- oder Oberregierungsrat
leisten können? Selbst ein geschulter Verwaltungsbeamter würde Jahre gebrauchen,


Einzelheiten aus den Personalverhältnissen der preußischen Verwaltung

bei dieser Neuordnung der Besoldungen jene Gleichstellung der verschiedensten
Bemntenklassen Folgen gehabt, die die Hoffnung auf Beseitigung des Gefühls
der Bevorzugung andrer und der eigenen Zurücksetzung, der Mißgunst und der
Streberei sofort als trügerisch erwiesen haben.

Für den Vorschlag, Beamte der Zentral- und der Provinzialbehörden aus¬
zutauschen, darf man sich jedenfalls nicht auf das Vorbild der Heeresverwaltung
berufe». Zwischen dem eigentlichen Truppendienst oder auch nur dem Dienst
in einem Truppenstab und der Tätigkeit im Großen Generalstab, im Kriegs¬
ministerium oder in andern militärischen Zentralbehörden ist ein Unterschied
wie zwischen Tag und Nacht. Die Tätigkeit des Beamten vollzieht sich aber
im Ministerium wie im Landratsamt oder in der Regierung auf denselben
Gebieten und ist auch ihrem Wesen nach dieselbe, nur daß man im Ministerium
die Dinge von einem höhern und entferntem Standpunkt aus betrachtet.
Sodann kann ich mir nicht gut vorstellen, wie ein solcher Austausch praktisch
durchgeführt werden soll. Mit der Versetzung eines Offiziers aus einer militä¬
rischen Zentralbehörde in die Front oder auch umgekehrt ist in den höheren
Rangklassen, die hier überhaupt nur in Betracht kommen können, fast immer
eine Beförderung verbunden, während dies bei dem Austausch, den die drei
Kritiker im Auge haben, soweit ich sie verstanden habe, nicht der Fall sein soll
und auch gar nicht der Fall sein kann, da sonst der Zweck dieser Hin- und
Herversetzungen kaum erreicht werden könnte. Wenn man ferner wirklich von
jenem Austausch die Vorteile haben wollte, die man sich auf dem Papier ver¬
spricht, dann müßte der Wechsel ununterbrochen sein. Dagegen hat aber schon
der Finanzminister von Miquel bei der Beratung der Besoldungsvorlage von
1896 geltend gemacht, daß bei dem raschen Wechsel der leitenden Beamten der
Ministerien die Ministerialräte die nötige Einheitlichkeit in den Anschauungen
und in der Praxis der Ministerien darstellten und daß schon aus diesem Grunde
ein zu häufiger und zu schneller Wechsel der Räte vermieden werden müsse.
Und welche Stellen bei den Provinzialbehörden würden in Betracht kommen?
Doch nur die der Oberpräsidialräte oder der Oberregierungsräte, also ebenfalls
Stellen, in deren Besetzung ein allzu häufiger Wechsel nicht erwünscht ist. Damit
entfällt aber die Möglichkeit, der Mehrzahl der Beamten auf diesem Wege
die von Lotz bezeichnete Universalität zu verschaffen. Dann ist bei den eben
erwähnten Verhandlungen von 1896 auch mit Recht darauf hingewiesen worden,
daß, wie die Verhältnisse augenblicklich bei uns liegen, nicht jeder Ministerialrat
für eine Stelle in der Provinzialverwaltung geeignet ist. Für viele würde es
sich bei der Versetzung in die Provinz nicht um eine „Rückkehr" in den frischen
Strom des Lebens handeln, sondern um eilte erste Bekanntschaft mit dem
praktischen Leben. Man denke nur an einen Ministerialrat, der sich in einem
Fachministerium zehn bis fünfzehn Jahre auf einem engbegrenzten Arbeitsgebiet
betätigt hat. Was würde dieser als Oberpräsidial- oder Oberregierungsrat
leisten können? Selbst ein geschulter Verwaltungsbeamter würde Jahre gebrauchen,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_315638/209>, abgerufen am 29.06.2024.