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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr.

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Die preußische venvaltungsorgcmisation jetzt

unzweckmäßig außerhalb des Verkehrs. Vor allem soll es aber ein Mißstand
sein, daß die Amtsbezirke der Regierungen, die im Grunde immer noch die
Hauptträger der provinziellen Verwaltung seien, nicht ebenfalls mit einem höhern
Gemeindeverband zusammenfielen.

Davon ist gewiß manches zutreffend und man wird zugeben müssen, daß
diese Mängel nachteilige Wirkungen für die Verwaltungstätigkeit haben können.
Wer manches hängt grade hier mit den bereits erörterten Veränderungen der
allgemeinen Verhältnisse zusammen, z. B. mit der Zunahme der Bevölkerung,
und andres, wie die unrichtige Abgrenzung der Regierungsbezirke oder die
unzweckmäßige Lage ihrer Hauptstädte war schon früher vorhanden, ohne die
Regierungen zu hindern, Hervorragendes zu leisten. Man bedenke nur, was
es in den zwanziger, dreißiger, ja noch in den vierziger Jahren des vorigen
Jahrhunderts für die Mitglieder der östlichen Regierungen, etwa der in Marien¬
werder, Posen, Königsberg, aber auch mancher Regierung im Westen, bedeutete,
den Bezirk zu bereisen, oder umgekehrt für die Eingesessenen, die Regierung
aufzusuchen, und wie bequem und leicht dies jetzt überall ist.

Besser wäre es ferner, daß auch die Regierungsbezirke mit Gemeinde¬
verbänden zusammenfielen. Schwarz findet den Hauptvorteil der Verbindung
zwischen einer Staatsbehörde und einen: Selbstverwaltungskörper nicht mit
Unrecht darin, daß sie eine enge Fühlung mit der Bevölkerung und ihren
Wünschen durch die Vertretungen und Ausschüsse der Verbände gewähre. Diese
fehlt jetzt den Regierungen im allgemeinen. Namentlich ist es schon aus diesen?
Grunde bedauerlich, daß die Regierungen und ihre Mitglieder in der Regel kaum
mit den Vertretungen der Provinz in Berührung kommen. Da die Provinzen
außerdem durch die Hergabe von Mitteln an zahlreichen Geschäften der Regierungs¬
instanz beteiligt sind, so wäre eine persönliche Fühlung zwischen den Regierungs¬
mitgliedern und den Organen und Beamten des Provinzialverbands allerdings
doppelt wünschenswert. Aber sie könnte auch unter der jetzigen Organisation
leicht geschaffen werden. Anderseits haben die Regierungen wieder nähere
Beziehungen zu deu großen Stadtgemeinden als andre Behörden. Das gleicht
bis zu einem gewissen Grad jenen Mangel wieder aus.

Wer mir ohne Vorurteil gefolgt ist, wird zugeben müssen, daß von den
behaupteten Mängeln in der jetzigen Organisation unsrer Provinzialbehörden
eigentlich nicht viel übrig geblieben ist. Der größte von den wirklich begründeten
Vorwürfen betraf den jetzigen Instanzenzug. Daneben waren als solche von
geringerer Bedeutung anzuerkennen das Vorhandensein der besondern landwirt¬
schaftlichen Verwaltung und ihrer Behörden und die nicht überall zweckmäßige
Abgrenzung mancher Verwaltungsbezirke. Aber wenn man diese Mängel noch
so scharf beurteilt, dann wird man höchstens zugeben müssen, daß sie einige
der früher besprochenen unerwünschten Erscheinungen im Geschäftsbetrieb ver¬
stärkten, z. B. die Vielschreiberei, aber unmöglich behaupte:: können, daß sie
andre, viel gefährlichere erklärten, wie die Zerstörung der Einheit in der Ver-


Grenzboten it 1910 16
Die preußische venvaltungsorgcmisation jetzt

unzweckmäßig außerhalb des Verkehrs. Vor allem soll es aber ein Mißstand
sein, daß die Amtsbezirke der Regierungen, die im Grunde immer noch die
Hauptträger der provinziellen Verwaltung seien, nicht ebenfalls mit einem höhern
Gemeindeverband zusammenfielen.

Davon ist gewiß manches zutreffend und man wird zugeben müssen, daß
diese Mängel nachteilige Wirkungen für die Verwaltungstätigkeit haben können.
Wer manches hängt grade hier mit den bereits erörterten Veränderungen der
allgemeinen Verhältnisse zusammen, z. B. mit der Zunahme der Bevölkerung,
und andres, wie die unrichtige Abgrenzung der Regierungsbezirke oder die
unzweckmäßige Lage ihrer Hauptstädte war schon früher vorhanden, ohne die
Regierungen zu hindern, Hervorragendes zu leisten. Man bedenke nur, was
es in den zwanziger, dreißiger, ja noch in den vierziger Jahren des vorigen
Jahrhunderts für die Mitglieder der östlichen Regierungen, etwa der in Marien¬
werder, Posen, Königsberg, aber auch mancher Regierung im Westen, bedeutete,
den Bezirk zu bereisen, oder umgekehrt für die Eingesessenen, die Regierung
aufzusuchen, und wie bequem und leicht dies jetzt überall ist.

Besser wäre es ferner, daß auch die Regierungsbezirke mit Gemeinde¬
verbänden zusammenfielen. Schwarz findet den Hauptvorteil der Verbindung
zwischen einer Staatsbehörde und einen: Selbstverwaltungskörper nicht mit
Unrecht darin, daß sie eine enge Fühlung mit der Bevölkerung und ihren
Wünschen durch die Vertretungen und Ausschüsse der Verbände gewähre. Diese
fehlt jetzt den Regierungen im allgemeinen. Namentlich ist es schon aus diesen?
Grunde bedauerlich, daß die Regierungen und ihre Mitglieder in der Regel kaum
mit den Vertretungen der Provinz in Berührung kommen. Da die Provinzen
außerdem durch die Hergabe von Mitteln an zahlreichen Geschäften der Regierungs¬
instanz beteiligt sind, so wäre eine persönliche Fühlung zwischen den Regierungs¬
mitgliedern und den Organen und Beamten des Provinzialverbands allerdings
doppelt wünschenswert. Aber sie könnte auch unter der jetzigen Organisation
leicht geschaffen werden. Anderseits haben die Regierungen wieder nähere
Beziehungen zu deu großen Stadtgemeinden als andre Behörden. Das gleicht
bis zu einem gewissen Grad jenen Mangel wieder aus.

Wer mir ohne Vorurteil gefolgt ist, wird zugeben müssen, daß von den
behaupteten Mängeln in der jetzigen Organisation unsrer Provinzialbehörden
eigentlich nicht viel übrig geblieben ist. Der größte von den wirklich begründeten
Vorwürfen betraf den jetzigen Instanzenzug. Daneben waren als solche von
geringerer Bedeutung anzuerkennen das Vorhandensein der besondern landwirt¬
schaftlichen Verwaltung und ihrer Behörden und die nicht überall zweckmäßige
Abgrenzung mancher Verwaltungsbezirke. Aber wenn man diese Mängel noch
so scharf beurteilt, dann wird man höchstens zugeben müssen, daß sie einige
der früher besprochenen unerwünschten Erscheinungen im Geschäftsbetrieb ver¬
stärkten, z. B. die Vielschreiberei, aber unmöglich behaupte:: können, daß sie
andre, viel gefährlichere erklärten, wie die Zerstörung der Einheit in der Ver-


Grenzboten it 1910 16
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[0133] Die preußische venvaltungsorgcmisation jetzt unzweckmäßig außerhalb des Verkehrs. Vor allem soll es aber ein Mißstand sein, daß die Amtsbezirke der Regierungen, die im Grunde immer noch die Hauptträger der provinziellen Verwaltung seien, nicht ebenfalls mit einem höhern Gemeindeverband zusammenfielen. Davon ist gewiß manches zutreffend und man wird zugeben müssen, daß diese Mängel nachteilige Wirkungen für die Verwaltungstätigkeit haben können. Wer manches hängt grade hier mit den bereits erörterten Veränderungen der allgemeinen Verhältnisse zusammen, z. B. mit der Zunahme der Bevölkerung, und andres, wie die unrichtige Abgrenzung der Regierungsbezirke oder die unzweckmäßige Lage ihrer Hauptstädte war schon früher vorhanden, ohne die Regierungen zu hindern, Hervorragendes zu leisten. Man bedenke nur, was es in den zwanziger, dreißiger, ja noch in den vierziger Jahren des vorigen Jahrhunderts für die Mitglieder der östlichen Regierungen, etwa der in Marien¬ werder, Posen, Königsberg, aber auch mancher Regierung im Westen, bedeutete, den Bezirk zu bereisen, oder umgekehrt für die Eingesessenen, die Regierung aufzusuchen, und wie bequem und leicht dies jetzt überall ist. Besser wäre es ferner, daß auch die Regierungsbezirke mit Gemeinde¬ verbänden zusammenfielen. Schwarz findet den Hauptvorteil der Verbindung zwischen einer Staatsbehörde und einen: Selbstverwaltungskörper nicht mit Unrecht darin, daß sie eine enge Fühlung mit der Bevölkerung und ihren Wünschen durch die Vertretungen und Ausschüsse der Verbände gewähre. Diese fehlt jetzt den Regierungen im allgemeinen. Namentlich ist es schon aus diesen? Grunde bedauerlich, daß die Regierungen und ihre Mitglieder in der Regel kaum mit den Vertretungen der Provinz in Berührung kommen. Da die Provinzen außerdem durch die Hergabe von Mitteln an zahlreichen Geschäften der Regierungs¬ instanz beteiligt sind, so wäre eine persönliche Fühlung zwischen den Regierungs¬ mitgliedern und den Organen und Beamten des Provinzialverbands allerdings doppelt wünschenswert. Aber sie könnte auch unter der jetzigen Organisation leicht geschaffen werden. Anderseits haben die Regierungen wieder nähere Beziehungen zu deu großen Stadtgemeinden als andre Behörden. Das gleicht bis zu einem gewissen Grad jenen Mangel wieder aus. Wer mir ohne Vorurteil gefolgt ist, wird zugeben müssen, daß von den behaupteten Mängeln in der jetzigen Organisation unsrer Provinzialbehörden eigentlich nicht viel übrig geblieben ist. Der größte von den wirklich begründeten Vorwürfen betraf den jetzigen Instanzenzug. Daneben waren als solche von geringerer Bedeutung anzuerkennen das Vorhandensein der besondern landwirt¬ schaftlichen Verwaltung und ihrer Behörden und die nicht überall zweckmäßige Abgrenzung mancher Verwaltungsbezirke. Aber wenn man diese Mängel noch so scharf beurteilt, dann wird man höchstens zugeben müssen, daß sie einige der früher besprochenen unerwünschten Erscheinungen im Geschäftsbetrieb ver¬ stärkten, z. B. die Vielschreiberei, aber unmöglich behaupte:: können, daß sie andre, viel gefährlichere erklärten, wie die Zerstörung der Einheit in der Ver- Grenzboten it 1910 16

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_315638/133>, abgerufen am 22.07.2024.