Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr.Die neuere Rolonialpolitik dem sogenannten Munizipalitätsrat, lebten, wenn man ferner bedenkt, daß die Wenn man diese Verhältnisse in Betracht zieht, fühlt man sich zunächst Die neuere Rolonialpolitik dem sogenannten Munizipalitätsrat, lebten, wenn man ferner bedenkt, daß die Wenn man diese Verhältnisse in Betracht zieht, fühlt man sich zunächst <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0114" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/315753"/> <fw type="header" place="top"> Die neuere Rolonialpolitik</fw><lb/> <p xml:id="ID_618" prev="#ID_617"> dem sogenannten Munizipalitätsrat, lebten, wenn man ferner bedenkt, daß die<lb/> Eingeborenen sich seit der Flaggenhissung einer ziemlich weitgehenden Selbst¬<lb/> verwaltung erfreuen und erst in neuerer Zeit etwas darin beschränkt worden<lb/> sind. Demgegenüber will der notorisch einflußlose Gouvernementsrat, das<lb/> einzige Sprachrohr der weißen Ansiedler, so gut wie nichts besagen. Die<lb/> weißen Ansiedler sind tatsächlich politisch schlechter gestellt als die farbigen<lb/> Samoaner. Und beide Teile waren sich dieses Mißverhältnisses voll bewußt.<lb/> So war es denn kein Wunder, daß das politische und gesellschaftliche Leben<lb/> der Weißen von Samoa einem latenten Krieg gleichkam, der soweit ging, daß<lb/> der Gouverneur zeitweise von den Ansiedlern „geschnitten" wurde. Das sind<lb/> Zustände, welche die Aufmerksamkeit der heimischen Kolonialverwaltung schon<lb/> längst erregen mußten. Leider aber sind alle Klagen aus Samoa ungehört<lb/> verhallt. Es soll nicht behauptet werden, daß alle Schuld allein den Gouverneur<lb/> trifft. Es gibt auf Samoa, wie in jeder Kolonie, räudige Schafe, die nicht<lb/> Frieden halten können. Aber den Gouverneur von Samoa trifft derselbe<lb/> Vorwurf wie den von Ostafrika, daß er, um ja recht ruhige Untertanen zu<lb/> haben, einseitig die Eingeborenen begünstigt und sich die Europäer möglichst<lb/> vom Halse hält, mit Ausnahme der Vertreter von ein paar großen Firmen.<lb/> Darunter leidet das Ansehen der Europäer, leidet die wirtschaftliche Entwickelung<lb/> des Landes, die letzten Endes auf der Arbeit der Weißen beruht. Die ganze<lb/> Kolonie macht denn auch einen durchaus undeutschen Eindruck. Die englische<lb/> Sprache herrscht vor, die einzige Zeitung, die offiziöse „Samoanische Zeitung",<lb/> erscheint in ganz amerikanischer Aufmachung, halb in deutscher, halb in englischer<lb/> Sprache, und im Gouvernementsrat sitzt ein Mitglied, das nicht Deutsch kann.<lb/> Und das alles ist in einem Lande, das soeben erst eine zehnjährige Jubelfeier<lb/> als deutsche Kolonie begangen hat!</p><lb/> <p xml:id="ID_619" next="#ID_620"> Wenn man diese Verhältnisse in Betracht zieht, fühlt man sich zunächst<lb/> versucht, der soeben beim Reichstag eingegangenen Petition des Handelsvereins<lb/> von Deutsch-Samoa, welche für die Kolonie Selbstverwaltung fordert, unein¬<lb/> geschränkt beizustimmen. Bei näherer Überlegung und eingehender Würdigung<lb/> der einzelnen Punkte der Petition machen sich aber verschiedene Bedenken geltend.<lb/> Das Leben auf Samoa weist, wie gesagt, viele undeutsche Züge auf. Dazu<lb/> gehört u. a. auch die zahlreiche Mischlingsbevölkerung, die seit zehn Jahren<lb/> entstanden ist. An dieser Mischlingsbevölkerung sind zum großen Teil die<lb/> Ansiedler schuld, denn piete von ihnen sind mit farbigen Weibern verheiratet.<lb/> In der erwähnten Petition ist von dieser Mischlingsbevölkerung wie von etwas<lb/> selbstverständlichen und Gleichberechtigten die Rede. Damit werden nun die<lb/> Ansiedler hoffentlich beim Reichstag und der heimischen öffentlichen Meinung<lb/> wenig Verständnis finden. In der Petition wird Samoa als ein Ansiedlerland<lb/> par oxcellencö geschildert, das einer großen Zahl von deutschen Farmern noch<lb/> eine Heimat werden könnte, wenn es nicht Sonderinteressen halber systematisch<lb/> geschlossen gehalten würde. In unabhängigen kolonialen Kreisen ist man hier-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0114]
Die neuere Rolonialpolitik
dem sogenannten Munizipalitätsrat, lebten, wenn man ferner bedenkt, daß die
Eingeborenen sich seit der Flaggenhissung einer ziemlich weitgehenden Selbst¬
verwaltung erfreuen und erst in neuerer Zeit etwas darin beschränkt worden
sind. Demgegenüber will der notorisch einflußlose Gouvernementsrat, das
einzige Sprachrohr der weißen Ansiedler, so gut wie nichts besagen. Die
weißen Ansiedler sind tatsächlich politisch schlechter gestellt als die farbigen
Samoaner. Und beide Teile waren sich dieses Mißverhältnisses voll bewußt.
So war es denn kein Wunder, daß das politische und gesellschaftliche Leben
der Weißen von Samoa einem latenten Krieg gleichkam, der soweit ging, daß
der Gouverneur zeitweise von den Ansiedlern „geschnitten" wurde. Das sind
Zustände, welche die Aufmerksamkeit der heimischen Kolonialverwaltung schon
längst erregen mußten. Leider aber sind alle Klagen aus Samoa ungehört
verhallt. Es soll nicht behauptet werden, daß alle Schuld allein den Gouverneur
trifft. Es gibt auf Samoa, wie in jeder Kolonie, räudige Schafe, die nicht
Frieden halten können. Aber den Gouverneur von Samoa trifft derselbe
Vorwurf wie den von Ostafrika, daß er, um ja recht ruhige Untertanen zu
haben, einseitig die Eingeborenen begünstigt und sich die Europäer möglichst
vom Halse hält, mit Ausnahme der Vertreter von ein paar großen Firmen.
Darunter leidet das Ansehen der Europäer, leidet die wirtschaftliche Entwickelung
des Landes, die letzten Endes auf der Arbeit der Weißen beruht. Die ganze
Kolonie macht denn auch einen durchaus undeutschen Eindruck. Die englische
Sprache herrscht vor, die einzige Zeitung, die offiziöse „Samoanische Zeitung",
erscheint in ganz amerikanischer Aufmachung, halb in deutscher, halb in englischer
Sprache, und im Gouvernementsrat sitzt ein Mitglied, das nicht Deutsch kann.
Und das alles ist in einem Lande, das soeben erst eine zehnjährige Jubelfeier
als deutsche Kolonie begangen hat!
Wenn man diese Verhältnisse in Betracht zieht, fühlt man sich zunächst
versucht, der soeben beim Reichstag eingegangenen Petition des Handelsvereins
von Deutsch-Samoa, welche für die Kolonie Selbstverwaltung fordert, unein¬
geschränkt beizustimmen. Bei näherer Überlegung und eingehender Würdigung
der einzelnen Punkte der Petition machen sich aber verschiedene Bedenken geltend.
Das Leben auf Samoa weist, wie gesagt, viele undeutsche Züge auf. Dazu
gehört u. a. auch die zahlreiche Mischlingsbevölkerung, die seit zehn Jahren
entstanden ist. An dieser Mischlingsbevölkerung sind zum großen Teil die
Ansiedler schuld, denn piete von ihnen sind mit farbigen Weibern verheiratet.
In der erwähnten Petition ist von dieser Mischlingsbevölkerung wie von etwas
selbstverständlichen und Gleichberechtigten die Rede. Damit werden nun die
Ansiedler hoffentlich beim Reichstag und der heimischen öffentlichen Meinung
wenig Verständnis finden. In der Petition wird Samoa als ein Ansiedlerland
par oxcellencö geschildert, das einer großen Zahl von deutschen Farmern noch
eine Heimat werden könnte, wenn es nicht Sonderinteressen halber systematisch
geschlossen gehalten würde. In unabhängigen kolonialen Kreisen ist man hier-
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