Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Erstes Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches Nach einer Weile kam Jungfer Thorborg mit dem Kaffee. "Guten Morgen I" sagte sie munter. Er wurde dunkelrot. "Guten Morgen," sagte er fast unhörbar heiser.- Sie schenkte ihm ein und stellte die Kaffeekanne auf das Kohlenbecken. "Joseph!" rief sie ihm zu und lief zur Tür hinaus. Der Tag verging und andere Tage folgten. Und es war eine böse Zeit für Sören Römer. (Fortsetzung folgt.) Maßgebliches und Unmaßgebliches Reichsspiegel (Der Kampf um die Wahlrechtsreform. Die fortschrittliche Volkspartei. Wahl¬ rechtsspaziergänge. Die Brüder Mannesmann.) Was auch die Fehler des preußischen Abgeordnetenhauses sein mögen, es Grenzboten I 1910 66
Maßgebliches und Unmaßgebliches Nach einer Weile kam Jungfer Thorborg mit dem Kaffee. „Guten Morgen I" sagte sie munter. Er wurde dunkelrot. „Guten Morgen," sagte er fast unhörbar heiser.- Sie schenkte ihm ein und stellte die Kaffeekanne auf das Kohlenbecken. „Joseph!" rief sie ihm zu und lief zur Tür hinaus. Der Tag verging und andere Tage folgten. Und es war eine böse Zeit für Sören Römer. (Fortsetzung folgt.) Maßgebliches und Unmaßgebliches Reichsspiegel (Der Kampf um die Wahlrechtsreform. Die fortschrittliche Volkspartei. Wahl¬ rechtsspaziergänge. Die Brüder Mannesmann.) Was auch die Fehler des preußischen Abgeordnetenhauses sein mögen, es Grenzboten I 1910 66
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Maßgebliches und Unmaßgebliches
Nach einer Weile kam Jungfer Thorborg mit dem Kaffee.
„Guten Morgen I" sagte sie munter.
Er wurde dunkelrot.
„Guten Morgen," sagte er fast unhörbar heiser.-
Sie schenkte ihm ein und stellte die Kaffeekanne auf das Kohlenbecken.
„Joseph!" rief sie ihm zu und lief zur Tür hinaus.
Der Tag verging und andere Tage folgten.
Und es war eine böse Zeit für Sören Römer.
(Fortsetzung folgt.)
Maßgebliches und Unmaßgebliches
Reichsspiegel
(Der Kampf um die Wahlrechtsreform. Die fortschrittliche Volkspartei. Wahl¬
rechtsspaziergänge. Die Brüder Mannesmann.)
Was auch die Fehler des preußischen Abgeordnetenhauses sein mögen, es
arbeitet jedenfalls rasch und sicher und perdue nicht die Zeit mit überflüssigen
Reden. Schon ist man mit der zweiten Lesung der Wahlrechtsvorlage im Plenum
beinahe fertig. Freilich kann man darüber keine reine Freude empfinden, denn
trotz der schnellen und dabei keineswegs ungründlicher Durchberatung der Vorlage
ist die allgemeine politische Lage zum Teil noch ungeklärt; soweit sie aber geklärt
ist, sehr schwierig und unerquicklich. Für den oberflächlichen und unkundigen
Beobachter zwar liegt alles außerordentlich einfach. Für die Beschlüsse der Kom¬
mission ist eine Mehrheit auch im Plenum vorhanden; diese Mehrheit, bestellend
aus Konservativen, Freikonservativen und Zentrum, hat also tatsächlich ein neues
Wahlgesetz geschaffen, und die Negierung brauchte nur zuzugreifen, wenn es ihr
auf weiter nichts ankäme, als ihres Versprechens hinsichtlich einer Revision des
Wahlrechts los und ledig zu sein. Aber eine weiterblickende Regierung kann sich
auf diesen bequemen Standpunkt unmöglich stellen, wenn sie nicht die llbelstände,
mit denen wir gegenwärtig zu kämpfen haben, außerordentlich verschärfen will.
Bis jetzt hat die Regierung unzweifelhaft den Willen gehabt, den Riß zwischen
Konservativen und Liberalen, den die Reichsfinanzreform geschaffen hat, zu über¬
brücken. Ob sie zur Verwirklichung dieser Absicht seit dem vergangenen Sommer
immer die richtigen Mittel gewählt hat, ist dabei wieder eine Frage für sich, die
wir hier nicht erörtern wollen. Aber die Absicht, über den Parteien zu stehen
und zwischen den Gegensätzen zu vermitteln, war vorhanden. Wenn jedoch das
Ergebnis der zweiten Lesung der Wahlrechtsvorlage die Zustimmung der Regierung
findet, dann wird im Lande niemand mehr an die soeben bezeichnete Absicht oder
gar an die Selbständigkeit der Regierung glauben. Und mag eine solche Erfah¬
rung hier Schmerz und dort Freude erregen, zum Segen kann sie unsrer poli¬
tischen Entwicklung in keinem Falle gereichen. Es handelt sich hier um Erwä¬
gungen, bei denen nicht die eindringende Sachkenntnis des eingeweihten Fach¬
manns den letzten Ausschlag gibt — wie das selbstverständlich bei vielen Fragen
Grenzboten I 1910 66
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