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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Erstes Vierteljahr.

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Lharlotte von Stein und Sophie von Löwenthal

aber deine hohe Meinung von nur ist nur Heilscnn, denn sie ist mir ein
dringendes Gebot, mich ernstlich zu veredeln, damit ich nicht allzu tief unter den
Gedanken bleibe, die du von mir hast." Sophie hat offenbar das Leiden¬
schaftliche und besonders das Diabolische, das in Lenaus Charakter lag,
gemildert, ebenso wie Lotte nach Goethes Geständnis ihm die Offenheit und
Ruhe des Herzens wiedergegeben und ihn im Guten und im Genusse des
Guten erhalten hat. Hat nicht in ihren Werken einen Niederschlag gefunden
eine Fülle erhabenster Gedanken und Gefühle, die diese Liebe in ihnen hervor¬
gezaubert hat, haben sie nicht einen Kranz wunderbarer Lieder um der Geliebten
Haupt gewunden, tragen nicht manche Gestalten in ihren Werken der Geliebten
unverkennbare Züge, werden sie nicht von den Dichtern zur Muse selbst ver¬
klärt? Diese Liebe feuert beide in ihrem Dichterstreben an, auf die Menschheit
zik wirken, sie macht sie fleißig, ihr Geist ist bei ihnen und hilft ihnen schaffen.
Nur mit halber Seele arbeitete Lenau, solange er ungeliebt war, er leidet
an einer merkwürdigen Verarmung der Gedanken, wenn er der lieben Quelle
ferne ist, aus der er Gedanken und Gefühle zu schöpfen gewohnt ist, ihr Lob
ist der beste Haber für seinen Pegasus, sie läßt den belebenden Hauch ihrer
Seele über seine Werke wehen. Lottes freundliche Zusprache bewegt Goethe,
an seinen Werken zu schreiben, leicht fließen ihm die Szenen aus dem Herzen.
schreibend betet er sie an, so schildert er selbst seinen Zustand; denn seine
ganze Seele ist bei ihr. "Dein Beifall," so erklärt er, "ist mein bester Ruhm,
und wenn ich einen guten Namen von außen recht schätze, so ist's um deinet¬
willen, daß ich dir keine Schande mache." Und ganz ähnlich äußert sich Lenau:
"Wenn ich etwas für meinen Namen strebe, so tue ich's um deinetwillen." Es
ist kein Wunder, daß sie die Frauen zu den Vertrauten ihrer dichterischen
Pläne machen und sie von dem Fortschreiten ihrer Arbeiten regelmäßig unter¬
richten, so daß diese Briefwechsel eine Fundgrube für die Kenntnis der
Entstehung und Würdigung der Dichtungen werden. Die Dichter bitten
sie um ihr Urteil nicht bloß über ihre eigenen Werke, sondern auch
über fremde. Ihre größte Freude ist es, wenn sie ihnen ihre Dichtungen
vorlesen können, ja sie bitten sie um Rat bei Änderungen in ihren Werken.
Lenau verlangt sogar durchaus keine Gründe für das, was Sophie in seinen
Werken anders wünscht, er vertraut unbedingt ihren: feinen und sicheren Gefühl.
Weil beide den Einfluß fühlen, den die Frauen auf ihr dichterisches Schaffen
haben, stellt Goethe Lotte dem großen William Shakespeare an die Seite, zählt
Lenau Sophie den drei großen Lehrmeistern zu, Beethoven, dem Meer und dem
Hochgebirge, von denen er das Beste und meiste gelernt hat.

Während die Kunst, die Liebe und namentlich das Leid die Seele Lenaus
ganz ausfüllen, hat Goethe noch für alles andere Sinn, das Kleinste wie das
Größte. Tausend Gedanken steigen in ihm auf und ab, seine Seele ist wie ein
ewiges Feuerwerk ohne Rast. Auch bringt er es im Gegensatz zu Lenau fertig,
in Resignation einen Tag zuzubringen, ohne seine Liebe zu sehen. Der schöne


Lharlotte von Stein und Sophie von Löwenthal

aber deine hohe Meinung von nur ist nur Heilscnn, denn sie ist mir ein
dringendes Gebot, mich ernstlich zu veredeln, damit ich nicht allzu tief unter den
Gedanken bleibe, die du von mir hast." Sophie hat offenbar das Leiden¬
schaftliche und besonders das Diabolische, das in Lenaus Charakter lag,
gemildert, ebenso wie Lotte nach Goethes Geständnis ihm die Offenheit und
Ruhe des Herzens wiedergegeben und ihn im Guten und im Genusse des
Guten erhalten hat. Hat nicht in ihren Werken einen Niederschlag gefunden
eine Fülle erhabenster Gedanken und Gefühle, die diese Liebe in ihnen hervor¬
gezaubert hat, haben sie nicht einen Kranz wunderbarer Lieder um der Geliebten
Haupt gewunden, tragen nicht manche Gestalten in ihren Werken der Geliebten
unverkennbare Züge, werden sie nicht von den Dichtern zur Muse selbst ver¬
klärt? Diese Liebe feuert beide in ihrem Dichterstreben an, auf die Menschheit
zik wirken, sie macht sie fleißig, ihr Geist ist bei ihnen und hilft ihnen schaffen.
Nur mit halber Seele arbeitete Lenau, solange er ungeliebt war, er leidet
an einer merkwürdigen Verarmung der Gedanken, wenn er der lieben Quelle
ferne ist, aus der er Gedanken und Gefühle zu schöpfen gewohnt ist, ihr Lob
ist der beste Haber für seinen Pegasus, sie läßt den belebenden Hauch ihrer
Seele über seine Werke wehen. Lottes freundliche Zusprache bewegt Goethe,
an seinen Werken zu schreiben, leicht fließen ihm die Szenen aus dem Herzen.
schreibend betet er sie an, so schildert er selbst seinen Zustand; denn seine
ganze Seele ist bei ihr. „Dein Beifall," so erklärt er, „ist mein bester Ruhm,
und wenn ich einen guten Namen von außen recht schätze, so ist's um deinet¬
willen, daß ich dir keine Schande mache." Und ganz ähnlich äußert sich Lenau:
„Wenn ich etwas für meinen Namen strebe, so tue ich's um deinetwillen." Es
ist kein Wunder, daß sie die Frauen zu den Vertrauten ihrer dichterischen
Pläne machen und sie von dem Fortschreiten ihrer Arbeiten regelmäßig unter¬
richten, so daß diese Briefwechsel eine Fundgrube für die Kenntnis der
Entstehung und Würdigung der Dichtungen werden. Die Dichter bitten
sie um ihr Urteil nicht bloß über ihre eigenen Werke, sondern auch
über fremde. Ihre größte Freude ist es, wenn sie ihnen ihre Dichtungen
vorlesen können, ja sie bitten sie um Rat bei Änderungen in ihren Werken.
Lenau verlangt sogar durchaus keine Gründe für das, was Sophie in seinen
Werken anders wünscht, er vertraut unbedingt ihren: feinen und sicheren Gefühl.
Weil beide den Einfluß fühlen, den die Frauen auf ihr dichterisches Schaffen
haben, stellt Goethe Lotte dem großen William Shakespeare an die Seite, zählt
Lenau Sophie den drei großen Lehrmeistern zu, Beethoven, dem Meer und dem
Hochgebirge, von denen er das Beste und meiste gelernt hat.

Während die Kunst, die Liebe und namentlich das Leid die Seele Lenaus
ganz ausfüllen, hat Goethe noch für alles andere Sinn, das Kleinste wie das
Größte. Tausend Gedanken steigen in ihm auf und ab, seine Seele ist wie ein
ewiges Feuerwerk ohne Rast. Auch bringt er es im Gegensatz zu Lenau fertig,
in Resignation einen Tag zuzubringen, ohne seine Liebe zu sehen. Der schöne


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[0508] Lharlotte von Stein und Sophie von Löwenthal aber deine hohe Meinung von nur ist nur Heilscnn, denn sie ist mir ein dringendes Gebot, mich ernstlich zu veredeln, damit ich nicht allzu tief unter den Gedanken bleibe, die du von mir hast." Sophie hat offenbar das Leiden¬ schaftliche und besonders das Diabolische, das in Lenaus Charakter lag, gemildert, ebenso wie Lotte nach Goethes Geständnis ihm die Offenheit und Ruhe des Herzens wiedergegeben und ihn im Guten und im Genusse des Guten erhalten hat. Hat nicht in ihren Werken einen Niederschlag gefunden eine Fülle erhabenster Gedanken und Gefühle, die diese Liebe in ihnen hervor¬ gezaubert hat, haben sie nicht einen Kranz wunderbarer Lieder um der Geliebten Haupt gewunden, tragen nicht manche Gestalten in ihren Werken der Geliebten unverkennbare Züge, werden sie nicht von den Dichtern zur Muse selbst ver¬ klärt? Diese Liebe feuert beide in ihrem Dichterstreben an, auf die Menschheit zik wirken, sie macht sie fleißig, ihr Geist ist bei ihnen und hilft ihnen schaffen. Nur mit halber Seele arbeitete Lenau, solange er ungeliebt war, er leidet an einer merkwürdigen Verarmung der Gedanken, wenn er der lieben Quelle ferne ist, aus der er Gedanken und Gefühle zu schöpfen gewohnt ist, ihr Lob ist der beste Haber für seinen Pegasus, sie läßt den belebenden Hauch ihrer Seele über seine Werke wehen. Lottes freundliche Zusprache bewegt Goethe, an seinen Werken zu schreiben, leicht fließen ihm die Szenen aus dem Herzen. schreibend betet er sie an, so schildert er selbst seinen Zustand; denn seine ganze Seele ist bei ihr. „Dein Beifall," so erklärt er, „ist mein bester Ruhm, und wenn ich einen guten Namen von außen recht schätze, so ist's um deinet¬ willen, daß ich dir keine Schande mache." Und ganz ähnlich äußert sich Lenau: „Wenn ich etwas für meinen Namen strebe, so tue ich's um deinetwillen." Es ist kein Wunder, daß sie die Frauen zu den Vertrauten ihrer dichterischen Pläne machen und sie von dem Fortschreiten ihrer Arbeiten regelmäßig unter¬ richten, so daß diese Briefwechsel eine Fundgrube für die Kenntnis der Entstehung und Würdigung der Dichtungen werden. Die Dichter bitten sie um ihr Urteil nicht bloß über ihre eigenen Werke, sondern auch über fremde. Ihre größte Freude ist es, wenn sie ihnen ihre Dichtungen vorlesen können, ja sie bitten sie um Rat bei Änderungen in ihren Werken. Lenau verlangt sogar durchaus keine Gründe für das, was Sophie in seinen Werken anders wünscht, er vertraut unbedingt ihren: feinen und sicheren Gefühl. Weil beide den Einfluß fühlen, den die Frauen auf ihr dichterisches Schaffen haben, stellt Goethe Lotte dem großen William Shakespeare an die Seite, zählt Lenau Sophie den drei großen Lehrmeistern zu, Beethoven, dem Meer und dem Hochgebirge, von denen er das Beste und meiste gelernt hat. Während die Kunst, die Liebe und namentlich das Leid die Seele Lenaus ganz ausfüllen, hat Goethe noch für alles andere Sinn, das Kleinste wie das Größte. Tausend Gedanken steigen in ihm auf und ab, seine Seele ist wie ein ewiges Feuerwerk ohne Rast. Auch bringt er es im Gegensatz zu Lenau fertig, in Resignation einen Tag zuzubringen, ohne seine Liebe zu sehen. Der schöne

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_314996/508>, abgerufen am 04.07.2024.