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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Erstes Vierteljahr.

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Lin Lreundesgruß an Paul Lzeyse

des Gouverneurs von Indien nicht mehr in Frage. Kitchener ist am 24. Juni 1850
geboren und als Jüngling zum Soldaten erzogen. Schon 1870 riß es ihn fort,
als Freiwilliger im französischen Heere zu kämpfen. Er wählte später das
Jngenieurkorps und kam in solchem Beruf nach Palästina, Armenien und
Ägypten. 1882 trat er in den ägyptischen Dienst über; der Krieg gegen den
Mahdi gab ihm Gelegenheit, sich auszuzeichnen. 1892 wurde er Oberbefehls¬
haber des ägyptischen Heeres. In dieser Stellung ging er mit größter Behut¬
samkeit vor. Aber schließlich erreichte er durch einen Hauptschlag seinen Zweck,
indem er 1898 das Heer der Derwische bei Omdurmau vernichtete. Bald darauf
war er als Generalstabschef des Lords Roberts am Burenkriege ehrenvoll
beteiligt. Von 1902 bis zum August 1909 war er Oberbefehlshaber der indischen
Truppen. Kriege hat er nicht 'zu führen gehabt; sein Verdienst ist die starke
Organisation der Verteidigung, die Einführung der Dezentralisation ^in der
militärischen Verwaltung und die Ausbildung und straffe Disziplinierung des
Heeres. Er führte seine Aufgaben so kraftvoll durch, daß er sogar mit dem
gleichfalls hochverdienten Vizekönig Lord Eurzon in Konflikt kam, wobei dieser
ihm weichen mußte. Als er im August vorigen Jahres sein Amt ehrenvoll
verließ, feierte der von der liberalen Regierung eingesetzte Vizekönig Lord Minto
seine Verdienste. Jetzt scheint er selber das Amt des höchsten Vertreters Englands
übernehmen zu sollen.




(An jreundesgruß an Paul Heyse
von Wilhelm Speck

N in 15. März wird das Dichterhaus in der Luisenstraße zu München,
W das ich immer nur in einem stillen Frieden habe ruhen sehn,
W gewiß von vielem Leben erfüllt sein. Gäste werden von nah und
fern kommen, Sträuße und Lorbeerkränze wird man hineintragen,
^ und der Dichter wird das alles, was über ihn kommt, mit freund¬
lichem Lächeln und in schöner Geduld über sich ergehn lassen. Doch ^werden
ihn innerlich wohl sehr verschiedenartige Gefühle bewegen: Freude und Wehmut,
Genugtuung, das achtzigste Lebensjahr in so guter Verfassung erreicht zu haben,
und Verdruß, daß es so schnell geschehn, wo es doch gar nicht geeilt hätte,
Dankbarkeit, so viele liebe und werte Menschen bei sich zu sehn, und ein heimlich
Gelüsten, sich mit seinen Lieben auf irgendeine ferne Insel zu flüchten. Über
dem allen aber eine männliche Entschlossenheit, sein berühmtes "Dulde, gedulde


Grenzboten I 1910 56
Lin Lreundesgruß an Paul Lzeyse

des Gouverneurs von Indien nicht mehr in Frage. Kitchener ist am 24. Juni 1850
geboren und als Jüngling zum Soldaten erzogen. Schon 1870 riß es ihn fort,
als Freiwilliger im französischen Heere zu kämpfen. Er wählte später das
Jngenieurkorps und kam in solchem Beruf nach Palästina, Armenien und
Ägypten. 1882 trat er in den ägyptischen Dienst über; der Krieg gegen den
Mahdi gab ihm Gelegenheit, sich auszuzeichnen. 1892 wurde er Oberbefehls¬
haber des ägyptischen Heeres. In dieser Stellung ging er mit größter Behut¬
samkeit vor. Aber schließlich erreichte er durch einen Hauptschlag seinen Zweck,
indem er 1898 das Heer der Derwische bei Omdurmau vernichtete. Bald darauf
war er als Generalstabschef des Lords Roberts am Burenkriege ehrenvoll
beteiligt. Von 1902 bis zum August 1909 war er Oberbefehlshaber der indischen
Truppen. Kriege hat er nicht 'zu führen gehabt; sein Verdienst ist die starke
Organisation der Verteidigung, die Einführung der Dezentralisation ^in der
militärischen Verwaltung und die Ausbildung und straffe Disziplinierung des
Heeres. Er führte seine Aufgaben so kraftvoll durch, daß er sogar mit dem
gleichfalls hochverdienten Vizekönig Lord Eurzon in Konflikt kam, wobei dieser
ihm weichen mußte. Als er im August vorigen Jahres sein Amt ehrenvoll
verließ, feierte der von der liberalen Regierung eingesetzte Vizekönig Lord Minto
seine Verdienste. Jetzt scheint er selber das Amt des höchsten Vertreters Englands
übernehmen zu sollen.




(An jreundesgruß an Paul Heyse
von Wilhelm Speck

N in 15. März wird das Dichterhaus in der Luisenstraße zu München,
W das ich immer nur in einem stillen Frieden habe ruhen sehn,
W gewiß von vielem Leben erfüllt sein. Gäste werden von nah und
fern kommen, Sträuße und Lorbeerkränze wird man hineintragen,
^ und der Dichter wird das alles, was über ihn kommt, mit freund¬
lichem Lächeln und in schöner Geduld über sich ergehn lassen. Doch ^werden
ihn innerlich wohl sehr verschiedenartige Gefühle bewegen: Freude und Wehmut,
Genugtuung, das achtzigste Lebensjahr in so guter Verfassung erreicht zu haben,
und Verdruß, daß es so schnell geschehn, wo es doch gar nicht geeilt hätte,
Dankbarkeit, so viele liebe und werte Menschen bei sich zu sehn, und ein heimlich
Gelüsten, sich mit seinen Lieben auf irgendeine ferne Insel zu flüchten. Über
dem allen aber eine männliche Entschlossenheit, sein berühmtes „Dulde, gedulde


Grenzboten I 1910 56
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[0453] Lin Lreundesgruß an Paul Lzeyse des Gouverneurs von Indien nicht mehr in Frage. Kitchener ist am 24. Juni 1850 geboren und als Jüngling zum Soldaten erzogen. Schon 1870 riß es ihn fort, als Freiwilliger im französischen Heere zu kämpfen. Er wählte später das Jngenieurkorps und kam in solchem Beruf nach Palästina, Armenien und Ägypten. 1882 trat er in den ägyptischen Dienst über; der Krieg gegen den Mahdi gab ihm Gelegenheit, sich auszuzeichnen. 1892 wurde er Oberbefehls¬ haber des ägyptischen Heeres. In dieser Stellung ging er mit größter Behut¬ samkeit vor. Aber schließlich erreichte er durch einen Hauptschlag seinen Zweck, indem er 1898 das Heer der Derwische bei Omdurmau vernichtete. Bald darauf war er als Generalstabschef des Lords Roberts am Burenkriege ehrenvoll beteiligt. Von 1902 bis zum August 1909 war er Oberbefehlshaber der indischen Truppen. Kriege hat er nicht 'zu führen gehabt; sein Verdienst ist die starke Organisation der Verteidigung, die Einführung der Dezentralisation ^in der militärischen Verwaltung und die Ausbildung und straffe Disziplinierung des Heeres. Er führte seine Aufgaben so kraftvoll durch, daß er sogar mit dem gleichfalls hochverdienten Vizekönig Lord Eurzon in Konflikt kam, wobei dieser ihm weichen mußte. Als er im August vorigen Jahres sein Amt ehrenvoll verließ, feierte der von der liberalen Regierung eingesetzte Vizekönig Lord Minto seine Verdienste. Jetzt scheint er selber das Amt des höchsten Vertreters Englands übernehmen zu sollen. (An jreundesgruß an Paul Heyse von Wilhelm Speck N in 15. März wird das Dichterhaus in der Luisenstraße zu München, W das ich immer nur in einem stillen Frieden habe ruhen sehn, W gewiß von vielem Leben erfüllt sein. Gäste werden von nah und fern kommen, Sträuße und Lorbeerkränze wird man hineintragen, ^ und der Dichter wird das alles, was über ihn kommt, mit freund¬ lichem Lächeln und in schöner Geduld über sich ergehn lassen. Doch ^werden ihn innerlich wohl sehr verschiedenartige Gefühle bewegen: Freude und Wehmut, Genugtuung, das achtzigste Lebensjahr in so guter Verfassung erreicht zu haben, und Verdruß, daß es so schnell geschehn, wo es doch gar nicht geeilt hätte, Dankbarkeit, so viele liebe und werte Menschen bei sich zu sehn, und ein heimlich Gelüsten, sich mit seinen Lieben auf irgendeine ferne Insel zu flüchten. Über dem allen aber eine männliche Entschlossenheit, sein berühmtes „Dulde, gedulde Grenzboten I 1910 56

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_314996/453>, abgerufen am 22.12.2024.