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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Erstes Vierteljahr.

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Die Barbarina

einen Ersatz für die Barbarina zu besorgen. Vier Tage später richtete Graf Dohna
an den König selbst den folgenden Brief-


"Obwohl der Mensch, den ich zur Einholung der Barbarina abgeschickt, sich mit
aller Klugheit und Festigkeit in Goritzia benommen, dort zur rechten Zeit den Beistand
des Kommandanten kraft seiner K. K, Pässe erbeten und erhalten und das bedeutende
Präsent, das der verliebte Herr Engländer ihm anbot, wenn er sich in ihrer Gegenwart
ein Biertelstündchen mit ihr unterhalten könnte, verworfen hat, so habe ,ich es gleich¬
wohl für Passender erachtet, sie Wien meiden und über die Donau nach Preßburg
gehen zu lassen, von wo sie über Ratibor und Neustadt eilen werden; und da Herr
von Hammerstein sich gerade nach Berlin begeben will, habe ich keine bessere Gelegenheit
gefunden, diese Anordnungen zur Ausführung zu bringen als ihn einzuladen, nach
Graz vorauszugehen und die Varbarina mit meinem Haushofmeister nach Berlin zu
bringen. Dieser Engländer ist mir zweimal zu Gesicht gekommen und als ein Mann
von recht eigenartigem Charakter erschienen. Er ist außerordentlich fein und höflich.
Weltmann, hat Verstand, noble Manieren und spricht gut Französisch. Wenn man von
seiner übertriebenen Verliebtheit absieht, so ist sein Urteil gut und gesund; und wenn
man sagen könnte, jemand spräche vernünftig über seine Ausschreitung, so muß man
ihm das Zeugnis geben, daß er dies über seine Liebelei tut. Er begehrt inständigst,
sich Ew. Majestät zu Füßen zu werfen und von Ihnen in Gnaden seine Verlobte
zurückzuerbitten, für deren Tugend er Bürgschaft leisten will, und er sagt, daß er sich
erbiete, 100000 Taler auszuwerfen, um sie selbst nach Berlin zu bringen und dort sein
Schicksal über Leben und Tod von der Gnade Ew. Majestät zu erwarten. Er hat
den Herrn von Cataneo in so unterwürfiger Weise zu rühren gewußt, sagt, daß sein
älterer Bruder mit der beabsichtigten Heirat sehr einverstanden, er unumschränkter
Herr seiner Handlungen wie seines Vermögens sei, daß diese Arten von Heiraten in
seinem Vaterlande sehr gebräuchlich seien und Mylord Hundfort ihn bei Ew. Majestät
angeschwärzt haben dürfte."

Der in diesem Schreiben erwähnte Lord Hyndfort war damals englischer
Gesandter am Berliner Hofe und ein Verwandter Lord Mackenzies. Als Hochtory
war er dessen politischer Gegner, da Mackenzie zur Whigpartei gehörte. Auch
scheinen die Familienbeziehungen nicht eben freundschaftlich gewesen zu sein.
Übrigens war es begreiflich, daß Lord Hyndfort bei Hose alles tat, um einen
öffentlichen Familienskandal zu vermeiden, der durch die Verbindung des blan-
blütigen Aristokraten mit einer italienischen Roturiöre notwendigerweise entstanden
wäre. Mackenzie erkannte das neue Hindernis und beeilte sich, am Tage nach
seiner Ankunft in Berlin, also schon am 9. Mai, den folgenden Brief an den
König zu richten:


"Sirel Ich verkenne nicht, init welch' großem Nachteil ich mir die Freiheit
nehme, mich heute an Ew. Majestät zu wenden. Die in Frage stehende Angelegenheit
gehört zu denjenigen, welche die Welt als Schwachheit zu verurteilen verpflichtet ist?
es kann sogar sein, daß sie, durch die gewöhnliche Wirkung aus der Ferne, Ew. Majestät
in ein falsches Licht gerückt worden ist, und ich weiß, daß einige meiner Verwandten
(obwohl sie nicht die mindeste Gewalt über mich hatten) alle ihre Triebfedern in
Bewegung gesetzt haben, danach zu trachten, bei Ew. Majestät zu wirken, Sich einem
Vorhaben entgegenzustellen, von dem die Ruhe meines Lebens abhängig ist. Ich
gestehe es, es fehlt nicht viel daran, den Mut zu verlieren, wenn ich den unendlichen
Abstand in Betracht ziehe, der von einem so erhabenen Throne wie von dem Ew. Majestät
bis zu der Stellung eines einfachen Privatmannes besteht, wenn ich nicht bedächte, daß
ich die Ehre habe zu einem Könige zu sprechen, der aus ungewöhnlicher und wunder¬
barer Liebe zur Wahrheit diesen Weg dem geringsten seiner Untertanen zu gestatten
geruhte, einem Könige, welcher sich durch die Kraft seines Geistes und durch höhere
Kenntnisse den gewöhnlichen Vorurteilen der übrigen Menschen gegenüber eine Erhaben¬
heit errungen hat, ruhmvoller noch, wenn das möglich ist, als durch den hohen Rang,
wohin die Natur ihn gestellt. Beruhigt durch die ebenso richtigen wie wohlbegründeten

Die Barbarina

einen Ersatz für die Barbarina zu besorgen. Vier Tage später richtete Graf Dohna
an den König selbst den folgenden Brief-


„Obwohl der Mensch, den ich zur Einholung der Barbarina abgeschickt, sich mit
aller Klugheit und Festigkeit in Goritzia benommen, dort zur rechten Zeit den Beistand
des Kommandanten kraft seiner K. K, Pässe erbeten und erhalten und das bedeutende
Präsent, das der verliebte Herr Engländer ihm anbot, wenn er sich in ihrer Gegenwart
ein Biertelstündchen mit ihr unterhalten könnte, verworfen hat, so habe ,ich es gleich¬
wohl für Passender erachtet, sie Wien meiden und über die Donau nach Preßburg
gehen zu lassen, von wo sie über Ratibor und Neustadt eilen werden; und da Herr
von Hammerstein sich gerade nach Berlin begeben will, habe ich keine bessere Gelegenheit
gefunden, diese Anordnungen zur Ausführung zu bringen als ihn einzuladen, nach
Graz vorauszugehen und die Varbarina mit meinem Haushofmeister nach Berlin zu
bringen. Dieser Engländer ist mir zweimal zu Gesicht gekommen und als ein Mann
von recht eigenartigem Charakter erschienen. Er ist außerordentlich fein und höflich.
Weltmann, hat Verstand, noble Manieren und spricht gut Französisch. Wenn man von
seiner übertriebenen Verliebtheit absieht, so ist sein Urteil gut und gesund; und wenn
man sagen könnte, jemand spräche vernünftig über seine Ausschreitung, so muß man
ihm das Zeugnis geben, daß er dies über seine Liebelei tut. Er begehrt inständigst,
sich Ew. Majestät zu Füßen zu werfen und von Ihnen in Gnaden seine Verlobte
zurückzuerbitten, für deren Tugend er Bürgschaft leisten will, und er sagt, daß er sich
erbiete, 100000 Taler auszuwerfen, um sie selbst nach Berlin zu bringen und dort sein
Schicksal über Leben und Tod von der Gnade Ew. Majestät zu erwarten. Er hat
den Herrn von Cataneo in so unterwürfiger Weise zu rühren gewußt, sagt, daß sein
älterer Bruder mit der beabsichtigten Heirat sehr einverstanden, er unumschränkter
Herr seiner Handlungen wie seines Vermögens sei, daß diese Arten von Heiraten in
seinem Vaterlande sehr gebräuchlich seien und Mylord Hundfort ihn bei Ew. Majestät
angeschwärzt haben dürfte."

Der in diesem Schreiben erwähnte Lord Hyndfort war damals englischer
Gesandter am Berliner Hofe und ein Verwandter Lord Mackenzies. Als Hochtory
war er dessen politischer Gegner, da Mackenzie zur Whigpartei gehörte. Auch
scheinen die Familienbeziehungen nicht eben freundschaftlich gewesen zu sein.
Übrigens war es begreiflich, daß Lord Hyndfort bei Hose alles tat, um einen
öffentlichen Familienskandal zu vermeiden, der durch die Verbindung des blan-
blütigen Aristokraten mit einer italienischen Roturiöre notwendigerweise entstanden
wäre. Mackenzie erkannte das neue Hindernis und beeilte sich, am Tage nach
seiner Ankunft in Berlin, also schon am 9. Mai, den folgenden Brief an den
König zu richten:


„Sirel Ich verkenne nicht, init welch' großem Nachteil ich mir die Freiheit
nehme, mich heute an Ew. Majestät zu wenden. Die in Frage stehende Angelegenheit
gehört zu denjenigen, welche die Welt als Schwachheit zu verurteilen verpflichtet ist?
es kann sogar sein, daß sie, durch die gewöhnliche Wirkung aus der Ferne, Ew. Majestät
in ein falsches Licht gerückt worden ist, und ich weiß, daß einige meiner Verwandten
(obwohl sie nicht die mindeste Gewalt über mich hatten) alle ihre Triebfedern in
Bewegung gesetzt haben, danach zu trachten, bei Ew. Majestät zu wirken, Sich einem
Vorhaben entgegenzustellen, von dem die Ruhe meines Lebens abhängig ist. Ich
gestehe es, es fehlt nicht viel daran, den Mut zu verlieren, wenn ich den unendlichen
Abstand in Betracht ziehe, der von einem so erhabenen Throne wie von dem Ew. Majestät
bis zu der Stellung eines einfachen Privatmannes besteht, wenn ich nicht bedächte, daß
ich die Ehre habe zu einem Könige zu sprechen, der aus ungewöhnlicher und wunder¬
barer Liebe zur Wahrheit diesen Weg dem geringsten seiner Untertanen zu gestatten
geruhte, einem Könige, welcher sich durch die Kraft seines Geistes und durch höhere
Kenntnisse den gewöhnlichen Vorurteilen der übrigen Menschen gegenüber eine Erhaben¬
heit errungen hat, ruhmvoller noch, wenn das möglich ist, als durch den hohen Rang,
wohin die Natur ihn gestellt. Beruhigt durch die ebenso richtigen wie wohlbegründeten

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[0043] Die Barbarina einen Ersatz für die Barbarina zu besorgen. Vier Tage später richtete Graf Dohna an den König selbst den folgenden Brief- „Obwohl der Mensch, den ich zur Einholung der Barbarina abgeschickt, sich mit aller Klugheit und Festigkeit in Goritzia benommen, dort zur rechten Zeit den Beistand des Kommandanten kraft seiner K. K, Pässe erbeten und erhalten und das bedeutende Präsent, das der verliebte Herr Engländer ihm anbot, wenn er sich in ihrer Gegenwart ein Biertelstündchen mit ihr unterhalten könnte, verworfen hat, so habe ,ich es gleich¬ wohl für Passender erachtet, sie Wien meiden und über die Donau nach Preßburg gehen zu lassen, von wo sie über Ratibor und Neustadt eilen werden; und da Herr von Hammerstein sich gerade nach Berlin begeben will, habe ich keine bessere Gelegenheit gefunden, diese Anordnungen zur Ausführung zu bringen als ihn einzuladen, nach Graz vorauszugehen und die Varbarina mit meinem Haushofmeister nach Berlin zu bringen. Dieser Engländer ist mir zweimal zu Gesicht gekommen und als ein Mann von recht eigenartigem Charakter erschienen. Er ist außerordentlich fein und höflich. Weltmann, hat Verstand, noble Manieren und spricht gut Französisch. Wenn man von seiner übertriebenen Verliebtheit absieht, so ist sein Urteil gut und gesund; und wenn man sagen könnte, jemand spräche vernünftig über seine Ausschreitung, so muß man ihm das Zeugnis geben, daß er dies über seine Liebelei tut. Er begehrt inständigst, sich Ew. Majestät zu Füßen zu werfen und von Ihnen in Gnaden seine Verlobte zurückzuerbitten, für deren Tugend er Bürgschaft leisten will, und er sagt, daß er sich erbiete, 100000 Taler auszuwerfen, um sie selbst nach Berlin zu bringen und dort sein Schicksal über Leben und Tod von der Gnade Ew. Majestät zu erwarten. Er hat den Herrn von Cataneo in so unterwürfiger Weise zu rühren gewußt, sagt, daß sein älterer Bruder mit der beabsichtigten Heirat sehr einverstanden, er unumschränkter Herr seiner Handlungen wie seines Vermögens sei, daß diese Arten von Heiraten in seinem Vaterlande sehr gebräuchlich seien und Mylord Hundfort ihn bei Ew. Majestät angeschwärzt haben dürfte." Der in diesem Schreiben erwähnte Lord Hyndfort war damals englischer Gesandter am Berliner Hofe und ein Verwandter Lord Mackenzies. Als Hochtory war er dessen politischer Gegner, da Mackenzie zur Whigpartei gehörte. Auch scheinen die Familienbeziehungen nicht eben freundschaftlich gewesen zu sein. Übrigens war es begreiflich, daß Lord Hyndfort bei Hose alles tat, um einen öffentlichen Familienskandal zu vermeiden, der durch die Verbindung des blan- blütigen Aristokraten mit einer italienischen Roturiöre notwendigerweise entstanden wäre. Mackenzie erkannte das neue Hindernis und beeilte sich, am Tage nach seiner Ankunft in Berlin, also schon am 9. Mai, den folgenden Brief an den König zu richten: „Sirel Ich verkenne nicht, init welch' großem Nachteil ich mir die Freiheit nehme, mich heute an Ew. Majestät zu wenden. Die in Frage stehende Angelegenheit gehört zu denjenigen, welche die Welt als Schwachheit zu verurteilen verpflichtet ist? es kann sogar sein, daß sie, durch die gewöhnliche Wirkung aus der Ferne, Ew. Majestät in ein falsches Licht gerückt worden ist, und ich weiß, daß einige meiner Verwandten (obwohl sie nicht die mindeste Gewalt über mich hatten) alle ihre Triebfedern in Bewegung gesetzt haben, danach zu trachten, bei Ew. Majestät zu wirken, Sich einem Vorhaben entgegenzustellen, von dem die Ruhe meines Lebens abhängig ist. Ich gestehe es, es fehlt nicht viel daran, den Mut zu verlieren, wenn ich den unendlichen Abstand in Betracht ziehe, der von einem so erhabenen Throne wie von dem Ew. Majestät bis zu der Stellung eines einfachen Privatmannes besteht, wenn ich nicht bedächte, daß ich die Ehre habe zu einem Könige zu sprechen, der aus ungewöhnlicher und wunder¬ barer Liebe zur Wahrheit diesen Weg dem geringsten seiner Untertanen zu gestatten geruhte, einem Könige, welcher sich durch die Kraft seines Geistes und durch höhere Kenntnisse den gewöhnlichen Vorurteilen der übrigen Menschen gegenüber eine Erhaben¬ heit errungen hat, ruhmvoller noch, wenn das möglich ist, als durch den hohen Rang, wohin die Natur ihn gestellt. Beruhigt durch die ebenso richtigen wie wohlbegründeten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_314996/43>, abgerufen am 24.07.2024.