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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Erstes Vierteljahr.

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von den Schwaben in Südungarn

Mit dieser Gefahr der Magyarisierung hat es folgende Bewandtnis: Wie
oben berichtet, wird der einzelne Schwabe im allgemeinen von seinem magya¬
rischen Nachbarn nichts weniger als geliebt, eher beneidet und noch mehr ver¬
achtet, und wie schon bemerkt geivohnheitsgemüß als Hundsfott bezeichnet. Dies
geht so weit, daß in einem behördlich empfohlenen Liederbuch für die magya¬
rischen Volksschulen ein Lied steht, in welchen: "von der schwarzen Seele des
ehrlosen Deutschen" zu lesen ist. Dies verhindert die Regierung aber nicht, die
Schwaben samt und sonders zum Eintritt in die große magyarische Familie
dringend einzuladen, denn sie sind eben einmal eine wirtschaftliche Macht und
die sichersten Steuerzahler,

Recht eindringlich ergeht nun die Einladung an diejenigen, welche die
höheren Schule" besuchen, und am dringlichsten um die, welche in de"
Staatsdienst treten wollen. Hier heißt es schon mehr "Und gehst du nicht willig,
so brauch' ich Gewalt". Wer seine angestammte Nationalität, sei er um Deutscher
oder Rumäne oder Serbe, nicht in den Hintergrund stellt und womöglich einen
magyarischen Namen annimmt, kommt im Staatsdienst nicht recht vorwärts, und
ein Deutscher, der im Geruch "pangermanischer Gesinnung", wir würden sagen
im Verdacht deutschnationalen Bewußtseins steht, tourne'selbstverständlich nicht
als Beamter in einen deutschen Ort. Bleiben also für die Ausbreitung geistiger
und völkischer Interessen nur die freien Berufsarten wie Ärzte, Rechtsanwälte
und Redakteure übrig. Da die Gymnasien, Realschulen usw. alle in den stark
unter magyarischem Einfluß stehenden Städten sich befinden und da diese Schulen
nicht zum wenigsten im Sinn voll Magyarisieruugsaiistalten für die jungen
Deutschen, Serben und Rumänen betrieben werden, so haben die Schwaben in
der Stadt Temesvar ein großes deutsches Pensionat errichtet, um den jungen
Leuten wenigstens in den gefährlichsten Eutmickluugsjahren einen Rückhalt gegell
die von allen Seiten auf sie einstürmenden magyarischen Einflüsse zu geben.
Ein ähnliches Hellm hat die Gemeinde Gyertyamos in Szegedin errichtet. Damit
wären wir auf die Schnlfrage gekommen, die in den letzen Jahren im
ungarische,! Parlament fast nicht von der Tagesordnung weggekommen ist und
dort noch manchen Sturm erregen wird.

Die Schnlfrage leitet uns über voll der Schilderung der blühenden Gegen¬
wart und der ergreifenden Geschichte der schweren Gründungsjahre der Schwaben¬
kolonien zu dem Ausblick in ihre Zukunft.

Bezüglich der wirtschaftlichen Zukunft der Schwabenkolonien ist zu Besorg¬
nissen kein Grund. In den letzten Jahren haben sie mit großem Erfolg das
Genossenschaftswesen auf völkischer Grundlage ausgebaut und in allernächster
Zeit steht die Eröffnung einer Bankanstalt bevor, welche für die Schwaben das
werden soll, was die Hermannftädter Sparkasse für die siebenbürger Sachsen
ist. Bis die neue Bank von ihrem Reingewinn jährlich 100000 Kronen für
kulturelle Zwecke spenden kann, wie es das siebenbürgische Geldinstitut tut, wird
es freilich noch gute Weile haben.

Trüber sind die Aussichten der Schwaben in Hinsicht der Erhaltung ihres
Volkstums, und zwar gerade wegen der Schulverhältnisse. Die sofort nach der
Losreißulig Ungarns von Österreich durchgeführte Magyarisierung der höheren
Schulen hat die beabsichtigte Wirkung der Magyarisierung der Städte überhaupt
und im besondern die der Entnationalisierung des dort studierenden Nachwuchses
der Deutschen und Slowaken (weniger der Serben und Rumänen) prompt
erzielt. Die durch die Appouyischen Schulgesetze (ab Dezember 1905) vollendete
Magyarisierung der Volksschule wird manchem Bauernsohn den Übergang in


von den Schwaben in Südungarn

Mit dieser Gefahr der Magyarisierung hat es folgende Bewandtnis: Wie
oben berichtet, wird der einzelne Schwabe im allgemeinen von seinem magya¬
rischen Nachbarn nichts weniger als geliebt, eher beneidet und noch mehr ver¬
achtet, und wie schon bemerkt geivohnheitsgemüß als Hundsfott bezeichnet. Dies
geht so weit, daß in einem behördlich empfohlenen Liederbuch für die magya¬
rischen Volksschulen ein Lied steht, in welchen: „von der schwarzen Seele des
ehrlosen Deutschen" zu lesen ist. Dies verhindert die Regierung aber nicht, die
Schwaben samt und sonders zum Eintritt in die große magyarische Familie
dringend einzuladen, denn sie sind eben einmal eine wirtschaftliche Macht und
die sichersten Steuerzahler,

Recht eindringlich ergeht nun die Einladung an diejenigen, welche die
höheren Schule» besuchen, und am dringlichsten um die, welche in de»
Staatsdienst treten wollen. Hier heißt es schon mehr „Und gehst du nicht willig,
so brauch' ich Gewalt". Wer seine angestammte Nationalität, sei er um Deutscher
oder Rumäne oder Serbe, nicht in den Hintergrund stellt und womöglich einen
magyarischen Namen annimmt, kommt im Staatsdienst nicht recht vorwärts, und
ein Deutscher, der im Geruch „pangermanischer Gesinnung", wir würden sagen
im Verdacht deutschnationalen Bewußtseins steht, tourne'selbstverständlich nicht
als Beamter in einen deutschen Ort. Bleiben also für die Ausbreitung geistiger
und völkischer Interessen nur die freien Berufsarten wie Ärzte, Rechtsanwälte
und Redakteure übrig. Da die Gymnasien, Realschulen usw. alle in den stark
unter magyarischem Einfluß stehenden Städten sich befinden und da diese Schulen
nicht zum wenigsten im Sinn voll Magyarisieruugsaiistalten für die jungen
Deutschen, Serben und Rumänen betrieben werden, so haben die Schwaben in
der Stadt Temesvar ein großes deutsches Pensionat errichtet, um den jungen
Leuten wenigstens in den gefährlichsten Eutmickluugsjahren einen Rückhalt gegell
die von allen Seiten auf sie einstürmenden magyarischen Einflüsse zu geben.
Ein ähnliches Hellm hat die Gemeinde Gyertyamos in Szegedin errichtet. Damit
wären wir auf die Schnlfrage gekommen, die in den letzen Jahren im
ungarische,! Parlament fast nicht von der Tagesordnung weggekommen ist und
dort noch manchen Sturm erregen wird.

Die Schnlfrage leitet uns über voll der Schilderung der blühenden Gegen¬
wart und der ergreifenden Geschichte der schweren Gründungsjahre der Schwaben¬
kolonien zu dem Ausblick in ihre Zukunft.

Bezüglich der wirtschaftlichen Zukunft der Schwabenkolonien ist zu Besorg¬
nissen kein Grund. In den letzten Jahren haben sie mit großem Erfolg das
Genossenschaftswesen auf völkischer Grundlage ausgebaut und in allernächster
Zeit steht die Eröffnung einer Bankanstalt bevor, welche für die Schwaben das
werden soll, was die Hermannftädter Sparkasse für die siebenbürger Sachsen
ist. Bis die neue Bank von ihrem Reingewinn jährlich 100000 Kronen für
kulturelle Zwecke spenden kann, wie es das siebenbürgische Geldinstitut tut, wird
es freilich noch gute Weile haben.

Trüber sind die Aussichten der Schwaben in Hinsicht der Erhaltung ihres
Volkstums, und zwar gerade wegen der Schulverhältnisse. Die sofort nach der
Losreißulig Ungarns von Österreich durchgeführte Magyarisierung der höheren
Schulen hat die beabsichtigte Wirkung der Magyarisierung der Städte überhaupt
und im besondern die der Entnationalisierung des dort studierenden Nachwuchses
der Deutschen und Slowaken (weniger der Serben und Rumänen) prompt
erzielt. Die durch die Appouyischen Schulgesetze (ab Dezember 1905) vollendete
Magyarisierung der Volksschule wird manchem Bauernsohn den Übergang in


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[0417] von den Schwaben in Südungarn Mit dieser Gefahr der Magyarisierung hat es folgende Bewandtnis: Wie oben berichtet, wird der einzelne Schwabe im allgemeinen von seinem magya¬ rischen Nachbarn nichts weniger als geliebt, eher beneidet und noch mehr ver¬ achtet, und wie schon bemerkt geivohnheitsgemüß als Hundsfott bezeichnet. Dies geht so weit, daß in einem behördlich empfohlenen Liederbuch für die magya¬ rischen Volksschulen ein Lied steht, in welchen: „von der schwarzen Seele des ehrlosen Deutschen" zu lesen ist. Dies verhindert die Regierung aber nicht, die Schwaben samt und sonders zum Eintritt in die große magyarische Familie dringend einzuladen, denn sie sind eben einmal eine wirtschaftliche Macht und die sichersten Steuerzahler, Recht eindringlich ergeht nun die Einladung an diejenigen, welche die höheren Schule» besuchen, und am dringlichsten um die, welche in de» Staatsdienst treten wollen. Hier heißt es schon mehr „Und gehst du nicht willig, so brauch' ich Gewalt". Wer seine angestammte Nationalität, sei er um Deutscher oder Rumäne oder Serbe, nicht in den Hintergrund stellt und womöglich einen magyarischen Namen annimmt, kommt im Staatsdienst nicht recht vorwärts, und ein Deutscher, der im Geruch „pangermanischer Gesinnung", wir würden sagen im Verdacht deutschnationalen Bewußtseins steht, tourne'selbstverständlich nicht als Beamter in einen deutschen Ort. Bleiben also für die Ausbreitung geistiger und völkischer Interessen nur die freien Berufsarten wie Ärzte, Rechtsanwälte und Redakteure übrig. Da die Gymnasien, Realschulen usw. alle in den stark unter magyarischem Einfluß stehenden Städten sich befinden und da diese Schulen nicht zum wenigsten im Sinn voll Magyarisieruugsaiistalten für die jungen Deutschen, Serben und Rumänen betrieben werden, so haben die Schwaben in der Stadt Temesvar ein großes deutsches Pensionat errichtet, um den jungen Leuten wenigstens in den gefährlichsten Eutmickluugsjahren einen Rückhalt gegell die von allen Seiten auf sie einstürmenden magyarischen Einflüsse zu geben. Ein ähnliches Hellm hat die Gemeinde Gyertyamos in Szegedin errichtet. Damit wären wir auf die Schnlfrage gekommen, die in den letzen Jahren im ungarische,! Parlament fast nicht von der Tagesordnung weggekommen ist und dort noch manchen Sturm erregen wird. Die Schnlfrage leitet uns über voll der Schilderung der blühenden Gegen¬ wart und der ergreifenden Geschichte der schweren Gründungsjahre der Schwaben¬ kolonien zu dem Ausblick in ihre Zukunft. Bezüglich der wirtschaftlichen Zukunft der Schwabenkolonien ist zu Besorg¬ nissen kein Grund. In den letzten Jahren haben sie mit großem Erfolg das Genossenschaftswesen auf völkischer Grundlage ausgebaut und in allernächster Zeit steht die Eröffnung einer Bankanstalt bevor, welche für die Schwaben das werden soll, was die Hermannftädter Sparkasse für die siebenbürger Sachsen ist. Bis die neue Bank von ihrem Reingewinn jährlich 100000 Kronen für kulturelle Zwecke spenden kann, wie es das siebenbürgische Geldinstitut tut, wird es freilich noch gute Weile haben. Trüber sind die Aussichten der Schwaben in Hinsicht der Erhaltung ihres Volkstums, und zwar gerade wegen der Schulverhältnisse. Die sofort nach der Losreißulig Ungarns von Österreich durchgeführte Magyarisierung der höheren Schulen hat die beabsichtigte Wirkung der Magyarisierung der Städte überhaupt und im besondern die der Entnationalisierung des dort studierenden Nachwuchses der Deutschen und Slowaken (weniger der Serben und Rumänen) prompt erzielt. Die durch die Appouyischen Schulgesetze (ab Dezember 1905) vollendete Magyarisierung der Volksschule wird manchem Bauernsohn den Übergang in

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_314996/417>, abgerufen am 22.12.2024.