Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Erstes Vierteljahr.Richard Dehniel Nur immer schweben, wie der Adler schweben, Den eS hinauf ins Unbegrenzte reißt; Ich kann nicht wie die Lerche mich bestreben, Die flatternd ihre Ackerfurche preist. Ich weiß kein Ziel. Gestalten aus dem Vollen Erheben sich, zerreißen die Umhüllung. Nun ihnen nach, die nichts als Dasein wallen! Mein Sehnen ging durch dich mir in Erfüllung. Dn gabst mir solch ein Reich voll Glanz zu eigen, Daß meine ganze Sprache mir zu wenig, All dieses Reichtunis Herrlichkeit zu zeigen, Und dankbar knie ich hin: -- ich bin ein König. Wer könnte da noch widerstehen? Die sich am sprödesten gegen Dehmel Treuschw ur Nun wollen wir zur Andacht uns bereiten;Nun leg' ich meine deine Hand und höre Den Schwur der Treue, den ich heut uns schwöre Bei unserm und dem Geist der Ewigkeiten. Und was die Völker Heiligstes gesprochen Zu meiner Sprache wird's in dieser Stunde, Und wird ein neu Gesetz in meinem Munde, Und jede alte Deutung sei zerbrochen! Und sonnt frevl' ich an der heiligen Sage, Daß heiliger noch mein Eigenstes sich kunde; Denn ich bin größer jetzt als meine Sünde, Denn Schöpfer bin ich, während ich zerschlage. Ich bin der Herr dein Gottl -- Du sollst mich ehren, Auf meine Kraft dein ganzes Leben bauen. In jeder Drangsal selig mir vertrauen, Nach keiner Zuflucht nußer mir begehren. Du sollst mir dienen: sollst bor den Gewalten, Die mich bewegen, dich anbetend beugen, Von meiner Sanftmut jedem Lästrer zeugen, Vor meiner Wildheit fromm die Hände falten. Und sollst mir weihn die besten deiner Güter: Mit deiner Klarheit meinen Geist verklären, Mit deiner Reinheit meine Inbrunst nähren, Der ich dein Herr, dein Gott und dein BeHüter. Denn du bist meine Welt! -- Dich will ich segnen, Will mit dir sein, will Eins sein deinen Bahnen, Belauschen, wecken dein geheimstes Slhnen, All deiner Sehnsucht wie mir selbst begegnen. Und will dir huldigen: was immer Reines In dumpfer Einsamkeit ich fühle reifen, Das will in dir ich läutern und begreifen, Und all mein Lauterstes befruchte deines! Grenzvoten I 1910 S0
Richard Dehniel Nur immer schweben, wie der Adler schweben, Den eS hinauf ins Unbegrenzte reißt; Ich kann nicht wie die Lerche mich bestreben, Die flatternd ihre Ackerfurche preist. Ich weiß kein Ziel. Gestalten aus dem Vollen Erheben sich, zerreißen die Umhüllung. Nun ihnen nach, die nichts als Dasein wallen! Mein Sehnen ging durch dich mir in Erfüllung. Dn gabst mir solch ein Reich voll Glanz zu eigen, Daß meine ganze Sprache mir zu wenig, All dieses Reichtunis Herrlichkeit zu zeigen, Und dankbar knie ich hin: — ich bin ein König. Wer könnte da noch widerstehen? Die sich am sprödesten gegen Dehmel Treuschw ur Nun wollen wir zur Andacht uns bereiten;Nun leg' ich meine deine Hand und höre Den Schwur der Treue, den ich heut uns schwöre Bei unserm und dem Geist der Ewigkeiten. Und was die Völker Heiligstes gesprochen Zu meiner Sprache wird's in dieser Stunde, Und wird ein neu Gesetz in meinem Munde, Und jede alte Deutung sei zerbrochen! Und sonnt frevl' ich an der heiligen Sage, Daß heiliger noch mein Eigenstes sich kunde; Denn ich bin größer jetzt als meine Sünde, Denn Schöpfer bin ich, während ich zerschlage. Ich bin der Herr dein Gottl — Du sollst mich ehren, Auf meine Kraft dein ganzes Leben bauen. In jeder Drangsal selig mir vertrauen, Nach keiner Zuflucht nußer mir begehren. Du sollst mir dienen: sollst bor den Gewalten, Die mich bewegen, dich anbetend beugen, Von meiner Sanftmut jedem Lästrer zeugen, Vor meiner Wildheit fromm die Hände falten. Und sollst mir weihn die besten deiner Güter: Mit deiner Klarheit meinen Geist verklären, Mit deiner Reinheit meine Inbrunst nähren, Der ich dein Herr, dein Gott und dein BeHüter. Denn du bist meine Welt! — Dich will ich segnen, Will mit dir sein, will Eins sein deinen Bahnen, Belauschen, wecken dein geheimstes Slhnen, All deiner Sehnsucht wie mir selbst begegnen. Und will dir huldigen: was immer Reines In dumpfer Einsamkeit ich fühle reifen, Das will in dir ich läutern und begreifen, Und all mein Lauterstes befruchte deines! Grenzvoten I 1910 S0
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Richard Dehniel
Nur immer schweben, wie der Adler schweben,
Den eS hinauf ins Unbegrenzte reißt;
Ich kann nicht wie die Lerche mich bestreben,
Die flatternd ihre Ackerfurche preist. Ich weiß kein Ziel. Gestalten aus dem Vollen
Erheben sich, zerreißen die Umhüllung.
Nun ihnen nach, die nichts als Dasein wallen!
Mein Sehnen ging durch dich mir in Erfüllung. Dn gabst mir solch ein Reich voll Glanz zu eigen,
Daß meine ganze Sprache mir zu wenig,
All dieses Reichtunis Herrlichkeit zu zeigen,
Und dankbar knie ich hin: — ich bin ein König.
Wer könnte da noch widerstehen? Die sich am sprödesten gegen Dehmel
gewehrt, streckten wohl in fassungslosem Entzücken die Waffen mit der Frage:
„Ist das wirklich Dehmel?" Und man gab sich um so williger dem ihm auf
der nächsten Seite folgenden Gedicht hin:
Treuschw ur Nun wollen wir zur Andacht uns bereiten;
Nun leg' ich meine deine Hand und höre
Den Schwur der Treue, den ich heut uns schwöre
Bei unserm und dem Geist der Ewigkeiten. Und was die Völker Heiligstes gesprochen
Zu meiner Sprache wird's in dieser Stunde,
Und wird ein neu Gesetz in meinem Munde,
Und jede alte Deutung sei zerbrochen! Und sonnt frevl' ich an der heiligen Sage,
Daß heiliger noch mein Eigenstes sich kunde;
Denn ich bin größer jetzt als meine Sünde,
Denn Schöpfer bin ich, während ich zerschlage. Ich bin der Herr dein Gottl — Du sollst mich ehren,
Auf meine Kraft dein ganzes Leben bauen.
In jeder Drangsal selig mir vertrauen,
Nach keiner Zuflucht nußer mir begehren. Du sollst mir dienen: sollst bor den Gewalten,
Die mich bewegen, dich anbetend beugen,
Von meiner Sanftmut jedem Lästrer zeugen,
Vor meiner Wildheit fromm die Hände falten. Und sollst mir weihn die besten deiner Güter:
Mit deiner Klarheit meinen Geist verklären,
Mit deiner Reinheit meine Inbrunst nähren,
Der ich dein Herr, dein Gott und dein BeHüter. Denn du bist meine Welt! — Dich will ich segnen,
Will mit dir sein, will Eins sein deinen Bahnen,
Belauschen, wecken dein geheimstes Slhnen,
All deiner Sehnsucht wie mir selbst begegnen. Und will dir huldigen: was immer Reines
In dumpfer Einsamkeit ich fühle reifen,
Das will in dir ich läutern und begreifen,
Und all mein Lauterstes befruchte deines!
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