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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Erstes Vierteljahr.

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Die Rundfrage

Herausgeber. Ein paar befreundete Autoren haben mir schon längst wieder
etwas versprochen. Die Sendungen können jeden Tag eintreffen.

Redakteur. Und überhaupt bedürfen wir mal eines großartigen Zugmittels,
um unser Schiff flott zu erhalten -- etwas Unerhörtes, noch nie Dagewesenes!

Herausgeber. Zum Beispiel?

Redakteur. Die Veranstaltung einer Enquete, einer Rundfrage.

Herausgeber (bricht in schallendes Gelächter aus). Das wäre etwas
Funkelnagelneues.

Redakteur (gekränkt). Wenn auch das gerade nicht, so doch immer noch
zugkräftig.

Herausgeber. Bleiben Sie mir damit vom Leib! Sie wissen, daß ich
ein prinzipieller Gegner dieser rücksichtslosen Ausbeuterei bin.

Redakteur. Daran hindert Sie ja niemand. Aber deshalb dürfen Sie doch
nicht den Vorteil außer acht lassen, den unsre Zeitschrift davon hätte. Bedenken
Sie doch: eine durch drei bis vier Nummern fortlaufende Artikelserie ohne einen
Pfennig Honorar! Erlauchte Namen gratis, die sich sonst nicht um teures Geld
einfangen ließen!

Herausgeber. Jawohl, ein paar flüchtige Zeilen ohne tieferen Sinn!
Im Ärger aufs Papier geworfen, damit sie nur möglichst rasch wieder zur Arbeit
zurückkehren können, aus der man sie herausgerissen hat. So eine Kapazität
besitzt doch auch keine gefüllten Schubladen, worin sich geistreiche Antworten auf
beliebige Spezialfragen aufgestapelt finden.

Redakteur. Verlassen sie sich ruhig auf meine bald vierzigjährige Erfahrung,
Herr Doktor! Das "Was" ist ganz einerlei, es kommt lediglich auf das "Daß" an.

Herausgeber. Und wer garantiert Ihnen dafür, daß überhaupt nur die
erforderliche Zahl von Antworten einläuft?

Redakteur. Wir legen Freimarken bei, damit üben wir eine moralische
Pression aus.

Herausgeber. Meinen Sie, ich habe auch noch Lust, zum Lebensunterhalt
der deutschen Berühmtheiten beizusteuern?

Redakteur. Aber, Herr Doktor! So schlimm wird es nicht werden. Wir
können mindestens auf 20 Prozent zählen. Bei den Frauen sogar auf 99. Wir
müssen uns also an recht viele Damen wenden. Es gibt ein erstklassiges Geschäft.

Herausgeber. Daß Sie sich nur nicht verrechnen! Man hat den Schwindel
nachgerade satt.

Redakteur. Denken Sie nur an sich selbst, Herr Doktor! Wie machen Sie's,
wenn so eine Rundfrage zur Beantwortung an Sie gelangt? Im ersten Zorn wird
das Papier zerknüllt und in den Papierkorb geworfen. Nach ein paar Minuten
aber holen Sie's wieder heraus und glätten es sein säuberlich und brüten auch
schon über der Antwort. Jeder befindet sich eben gern in illustrer Gesellschaft.

Herausgeber (etwas verlegen). Schließlich tut man den Kollegen den
Gefallen: man ist doch auch kein Unmensch.

Red akteur (triumphierend). Sehen Siel Da kann es uns auch nicht fehlen.

Herausgeber. Schön und gut! Aber sagen Sie mir in Dreiteufelsnamen,
was uns noch für eine Enquete übrig geblieben ist! Sollen wir konstatieren lassen,
ob es noch eine elsässiisch-lothringische Frage gibt? Sollen wir das Schicksal der


Die Rundfrage

Herausgeber. Ein paar befreundete Autoren haben mir schon längst wieder
etwas versprochen. Die Sendungen können jeden Tag eintreffen.

Redakteur. Und überhaupt bedürfen wir mal eines großartigen Zugmittels,
um unser Schiff flott zu erhalten — etwas Unerhörtes, noch nie Dagewesenes!

Herausgeber. Zum Beispiel?

Redakteur. Die Veranstaltung einer Enquete, einer Rundfrage.

Herausgeber (bricht in schallendes Gelächter aus). Das wäre etwas
Funkelnagelneues.

Redakteur (gekränkt). Wenn auch das gerade nicht, so doch immer noch
zugkräftig.

Herausgeber. Bleiben Sie mir damit vom Leib! Sie wissen, daß ich
ein prinzipieller Gegner dieser rücksichtslosen Ausbeuterei bin.

Redakteur. Daran hindert Sie ja niemand. Aber deshalb dürfen Sie doch
nicht den Vorteil außer acht lassen, den unsre Zeitschrift davon hätte. Bedenken
Sie doch: eine durch drei bis vier Nummern fortlaufende Artikelserie ohne einen
Pfennig Honorar! Erlauchte Namen gratis, die sich sonst nicht um teures Geld
einfangen ließen!

Herausgeber. Jawohl, ein paar flüchtige Zeilen ohne tieferen Sinn!
Im Ärger aufs Papier geworfen, damit sie nur möglichst rasch wieder zur Arbeit
zurückkehren können, aus der man sie herausgerissen hat. So eine Kapazität
besitzt doch auch keine gefüllten Schubladen, worin sich geistreiche Antworten auf
beliebige Spezialfragen aufgestapelt finden.

Redakteur. Verlassen sie sich ruhig auf meine bald vierzigjährige Erfahrung,
Herr Doktor! Das „Was" ist ganz einerlei, es kommt lediglich auf das „Daß" an.

Herausgeber. Und wer garantiert Ihnen dafür, daß überhaupt nur die
erforderliche Zahl von Antworten einläuft?

Redakteur. Wir legen Freimarken bei, damit üben wir eine moralische
Pression aus.

Herausgeber. Meinen Sie, ich habe auch noch Lust, zum Lebensunterhalt
der deutschen Berühmtheiten beizusteuern?

Redakteur. Aber, Herr Doktor! So schlimm wird es nicht werden. Wir
können mindestens auf 20 Prozent zählen. Bei den Frauen sogar auf 99. Wir
müssen uns also an recht viele Damen wenden. Es gibt ein erstklassiges Geschäft.

Herausgeber. Daß Sie sich nur nicht verrechnen! Man hat den Schwindel
nachgerade satt.

Redakteur. Denken Sie nur an sich selbst, Herr Doktor! Wie machen Sie's,
wenn so eine Rundfrage zur Beantwortung an Sie gelangt? Im ersten Zorn wird
das Papier zerknüllt und in den Papierkorb geworfen. Nach ein paar Minuten
aber holen Sie's wieder heraus und glätten es sein säuberlich und brüten auch
schon über der Antwort. Jeder befindet sich eben gern in illustrer Gesellschaft.

Herausgeber (etwas verlegen). Schließlich tut man den Kollegen den
Gefallen: man ist doch auch kein Unmensch.

Red akteur (triumphierend). Sehen Siel Da kann es uns auch nicht fehlen.

Herausgeber. Schön und gut! Aber sagen Sie mir in Dreiteufelsnamen,
was uns noch für eine Enquete übrig geblieben ist! Sollen wir konstatieren lassen,
ob es noch eine elsässiisch-lothringische Frage gibt? Sollen wir das Schicksal der


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[0346] Die Rundfrage Herausgeber. Ein paar befreundete Autoren haben mir schon längst wieder etwas versprochen. Die Sendungen können jeden Tag eintreffen. Redakteur. Und überhaupt bedürfen wir mal eines großartigen Zugmittels, um unser Schiff flott zu erhalten — etwas Unerhörtes, noch nie Dagewesenes! Herausgeber. Zum Beispiel? Redakteur. Die Veranstaltung einer Enquete, einer Rundfrage. Herausgeber (bricht in schallendes Gelächter aus). Das wäre etwas Funkelnagelneues. Redakteur (gekränkt). Wenn auch das gerade nicht, so doch immer noch zugkräftig. Herausgeber. Bleiben Sie mir damit vom Leib! Sie wissen, daß ich ein prinzipieller Gegner dieser rücksichtslosen Ausbeuterei bin. Redakteur. Daran hindert Sie ja niemand. Aber deshalb dürfen Sie doch nicht den Vorteil außer acht lassen, den unsre Zeitschrift davon hätte. Bedenken Sie doch: eine durch drei bis vier Nummern fortlaufende Artikelserie ohne einen Pfennig Honorar! Erlauchte Namen gratis, die sich sonst nicht um teures Geld einfangen ließen! Herausgeber. Jawohl, ein paar flüchtige Zeilen ohne tieferen Sinn! Im Ärger aufs Papier geworfen, damit sie nur möglichst rasch wieder zur Arbeit zurückkehren können, aus der man sie herausgerissen hat. So eine Kapazität besitzt doch auch keine gefüllten Schubladen, worin sich geistreiche Antworten auf beliebige Spezialfragen aufgestapelt finden. Redakteur. Verlassen sie sich ruhig auf meine bald vierzigjährige Erfahrung, Herr Doktor! Das „Was" ist ganz einerlei, es kommt lediglich auf das „Daß" an. Herausgeber. Und wer garantiert Ihnen dafür, daß überhaupt nur die erforderliche Zahl von Antworten einläuft? Redakteur. Wir legen Freimarken bei, damit üben wir eine moralische Pression aus. Herausgeber. Meinen Sie, ich habe auch noch Lust, zum Lebensunterhalt der deutschen Berühmtheiten beizusteuern? Redakteur. Aber, Herr Doktor! So schlimm wird es nicht werden. Wir können mindestens auf 20 Prozent zählen. Bei den Frauen sogar auf 99. Wir müssen uns also an recht viele Damen wenden. Es gibt ein erstklassiges Geschäft. Herausgeber. Daß Sie sich nur nicht verrechnen! Man hat den Schwindel nachgerade satt. Redakteur. Denken Sie nur an sich selbst, Herr Doktor! Wie machen Sie's, wenn so eine Rundfrage zur Beantwortung an Sie gelangt? Im ersten Zorn wird das Papier zerknüllt und in den Papierkorb geworfen. Nach ein paar Minuten aber holen Sie's wieder heraus und glätten es sein säuberlich und brüten auch schon über der Antwort. Jeder befindet sich eben gern in illustrer Gesellschaft. Herausgeber (etwas verlegen). Schließlich tut man den Kollegen den Gefallen: man ist doch auch kein Unmensch. Red akteur (triumphierend). Sehen Siel Da kann es uns auch nicht fehlen. Herausgeber. Schön und gut! Aber sagen Sie mir in Dreiteufelsnamen, was uns noch für eine Enquete übrig geblieben ist! Sollen wir konstatieren lassen, ob es noch eine elsässiisch-lothringische Frage gibt? Sollen wir das Schicksal der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_314996/346>, abgerufen am 21.12.2024.