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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Erstes Vierteljahr.

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Umistfälschungoii

Dazu kommt aber noch, daß weit öfter, als man glauben könnte, nicht
nur der kaufende Laie, nicht nur der sachverständige Kenner, nein, der künstlerische
Urheber selber, nicht mit Bestimmtheit angeben kann, ob es sich um eine
Fälschung handelt oder nicht. Nur aus den allerletzten Jahren einige zum Teil
persönliche Erfahrungen, welche dartun, daß diese anscheinend unglaubliche
Hypothese eine gar nicht sehr seltene Tatsache ist.

Mit dem verstorbenen österreichischen Landschaftsmaler Eugen Zettel besuchte
ich das Museum der Wiener Kunstakademie und fand darin eine Landschaft
meines Freundes, der einige Schritte hinter mir zurückgeblieben war. Als er
vor seinem Bilde stand, fragte ich ihn: "Nun, wie gefällt Ihnen der Jettel?": "Wo?
Welcher Zettel?" Der Maler schaute alle Bilder an der Wand an, auch das von
ihm selbst gemalte, ohne es zu erkennen. Ich mußte ihm seinen Namen zeigen, und
dann erkannte er es noch nicht. Erst nach minutenlangem Besinnen kam ihm die
Erinnerung, und zwar entschuldigte er sich mit der launigen Bemerkung: "Ich
hätte nie gedacht, daß ich in meinem Leben so schlecht gemalt hätte!"

Der Maler und Bildhauer Görüine wollte eines Tages den Kunsthändler
Bernheim verklagen, weil dieser ein fälschlich den Namen Gerüme tragendes
Bild verkauft habe. Der Maler sagte, er habe allerdings einmal ein ähnliches
Bild gemalt, nämlich eine Hofgesellschaft auf der Terrasse vor dem Schlosse
von Versailles, aber auf seinem Bilde habe die helle Sonne geschienen, während
auf der Fälschung ein sanftes Mondlicht die Gesellschaft beleuchtete. Bernheim
fand den Mann, der das Bild von G6rome gekauft und der dem Maler gesagt
hatte, das Bild gefalle ihm sehr gut, aber er sei kein Freund des Sonnen¬
scheins, worauf Geroine sich kurzerhand bereit erklärt hatte, das Sonnenlicht in
Mondschein zu verwandeln, was denn auch geschehen war. Zwanzig Jahre
später hatte der Maler diesen Vorfall so gründlich vergessen, daß er den Händler
wegen Fälschung verklagen wollte, und hätte dieser nicht den ursprünglichen
Käufer ausfindig gemacht, so wäre es sicher zum Prozeß gekommen.

Dein noch lebenden Maler Dcunoye brachte ein Mann drei Bilder, wovon
zwei den Namen des Künstlers trugen, während das dritte nicht signiert war.
Der Mann erzählte den: Maler, er habe alle drei Bilder zusammen auf einer
Versteigerung gekauft und bitte nun den Künstler, das nicht signierte, das
offenbar auch von ihm sei, ebenfalls zu signieren. Damoye sagte, die Bilder
könnten wohl alle drei von demselben Maler sein, von ihm aber sei kein einziges
davon, und die Unterschrift sei eine Fälschung. Der Mann lief zu dem Ver¬
steigerer, der wieder mit ihm zu Damoye ging; es stellte sich heraus, daß die
Bilder aus der Hinterlassenschaft des Vaters Damoyes stammten. Der Maler
erkannte sie denn auch als seine Arbeiten an und meinte gerade wie Zettel im
ähnlichen Falle, er hätte sich nicht für fähig gehalten, jemals so schlechte Bilder
zu malen, und wenn er auf den Nachlaß seines Vaters genauer geachtet hätte,
würde er diese Bilder nicht zur Versteigerung gebracht, sondern ins Feuer
geworfen haben.


Umistfälschungoii

Dazu kommt aber noch, daß weit öfter, als man glauben könnte, nicht
nur der kaufende Laie, nicht nur der sachverständige Kenner, nein, der künstlerische
Urheber selber, nicht mit Bestimmtheit angeben kann, ob es sich um eine
Fälschung handelt oder nicht. Nur aus den allerletzten Jahren einige zum Teil
persönliche Erfahrungen, welche dartun, daß diese anscheinend unglaubliche
Hypothese eine gar nicht sehr seltene Tatsache ist.

Mit dem verstorbenen österreichischen Landschaftsmaler Eugen Zettel besuchte
ich das Museum der Wiener Kunstakademie und fand darin eine Landschaft
meines Freundes, der einige Schritte hinter mir zurückgeblieben war. Als er
vor seinem Bilde stand, fragte ich ihn: „Nun, wie gefällt Ihnen der Jettel?": „Wo?
Welcher Zettel?" Der Maler schaute alle Bilder an der Wand an, auch das von
ihm selbst gemalte, ohne es zu erkennen. Ich mußte ihm seinen Namen zeigen, und
dann erkannte er es noch nicht. Erst nach minutenlangem Besinnen kam ihm die
Erinnerung, und zwar entschuldigte er sich mit der launigen Bemerkung: „Ich
hätte nie gedacht, daß ich in meinem Leben so schlecht gemalt hätte!"

Der Maler und Bildhauer Görüine wollte eines Tages den Kunsthändler
Bernheim verklagen, weil dieser ein fälschlich den Namen Gerüme tragendes
Bild verkauft habe. Der Maler sagte, er habe allerdings einmal ein ähnliches
Bild gemalt, nämlich eine Hofgesellschaft auf der Terrasse vor dem Schlosse
von Versailles, aber auf seinem Bilde habe die helle Sonne geschienen, während
auf der Fälschung ein sanftes Mondlicht die Gesellschaft beleuchtete. Bernheim
fand den Mann, der das Bild von G6rome gekauft und der dem Maler gesagt
hatte, das Bild gefalle ihm sehr gut, aber er sei kein Freund des Sonnen¬
scheins, worauf Geroine sich kurzerhand bereit erklärt hatte, das Sonnenlicht in
Mondschein zu verwandeln, was denn auch geschehen war. Zwanzig Jahre
später hatte der Maler diesen Vorfall so gründlich vergessen, daß er den Händler
wegen Fälschung verklagen wollte, und hätte dieser nicht den ursprünglichen
Käufer ausfindig gemacht, so wäre es sicher zum Prozeß gekommen.

Dein noch lebenden Maler Dcunoye brachte ein Mann drei Bilder, wovon
zwei den Namen des Künstlers trugen, während das dritte nicht signiert war.
Der Mann erzählte den: Maler, er habe alle drei Bilder zusammen auf einer
Versteigerung gekauft und bitte nun den Künstler, das nicht signierte, das
offenbar auch von ihm sei, ebenfalls zu signieren. Damoye sagte, die Bilder
könnten wohl alle drei von demselben Maler sein, von ihm aber sei kein einziges
davon, und die Unterschrift sei eine Fälschung. Der Mann lief zu dem Ver¬
steigerer, der wieder mit ihm zu Damoye ging; es stellte sich heraus, daß die
Bilder aus der Hinterlassenschaft des Vaters Damoyes stammten. Der Maler
erkannte sie denn auch als seine Arbeiten an und meinte gerade wie Zettel im
ähnlichen Falle, er hätte sich nicht für fähig gehalten, jemals so schlechte Bilder
zu malen, und wenn er auf den Nachlaß seines Vaters genauer geachtet hätte,
würde er diese Bilder nicht zur Versteigerung gebracht, sondern ins Feuer
geworfen haben.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_314996/27>, abgerufen am 21.12.2024.