Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Erstes Vierteljahr.Engländer und Esperanto hat. Sie schützt mit der Pflege der Sitte die Schwachen, die in Gefahr kommen Genau so hält es der Engländer mit allem, was seiner Persönlichkeit die Bei dem Volke der Dichter und Denker möchte jeder selber ein Führer sein, Interessante Beispiele liefern für früher die Geschichte der Eisenbahn, für Wo Wagen in schmalen Straßen immer in denselben Spuren zu fahren Engländer und Esperanto hat. Sie schützt mit der Pflege der Sitte die Schwachen, die in Gefahr kommen Genau so hält es der Engländer mit allem, was seiner Persönlichkeit die Bei dem Volke der Dichter und Denker möchte jeder selber ein Führer sein, Interessante Beispiele liefern für früher die Geschichte der Eisenbahn, für Wo Wagen in schmalen Straßen immer in denselben Spuren zu fahren <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0260" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/315257"/> <fw type="header" place="top"> Engländer und Esperanto</fw><lb/> <p xml:id="ID_1009" prev="#ID_1008"> hat. Sie schützt mit der Pflege der Sitte die Schwachen, die in Gefahr kommen<lb/> könnten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1010"> Genau so hält es der Engländer mit allem, was seiner Persönlichkeit die<lb/> Freiheit sichert, auf die er Wert legt. Mag er auch im besonderen Falle den<lb/> Zusammenhang nicht erkennen, und mögen es anscheinend unbedeutende Kleinig¬<lb/> keiten sein, — hat einmal die Gemeinschaft ein Interesse an der strengen Heilig-<lb/> haltung des Sonntags, so richtet sich der Einzelne danach, ohne zu überlegen,<lb/> ob es für ihn Sinn oder Zweck hat. Dieselbe Veranlagung kommt dein Fortschritt<lb/> zugute, sobald die Gemeinschaft für ihn reif ist. Was kluge Müuner — und<lb/> es gibt sehr kluge Engländer — als nützlich erkennen, das darf freilich nicht so<lb/> erscheinen, als brächte es auf einmal eine Umwandlung gewohnter und bewährter<lb/> Gemeinschaftsverhältnisse mit sich, im übrigen stößt es aber nicht auf die Wider¬<lb/> stände, die individualistischer zusammengesetzte Völker einer Neuerung bereiten.<lb/> Viel Wissen und Denken belastet die Durchschnitts-Engländer nicht. Haben sie<lb/> das Gefühl, daß mit ihren Interessen vereinbar ist, was ihre Führer wollen,<lb/> so folgen sie ihnen gern, ohne viel zu grübeln, und Probieren geht ihnen über<lb/> Studieren, wobei sie sich uicht abschrecken lassen, wenn nicht der Erfolg in vollen:<lb/> Glänze vor ihnen steht.</p><lb/> <p xml:id="ID_1011"> Bei dem Volke der Dichter und Denker möchte jeder selber ein Führer sein,<lb/> und mau glaubt seine Persönlichkeit am besten dadurch zu bewähren, daß man<lb/> zunächst alles ablehnt, was diese Persönlichkeit nicht gleich in jeder Hinsicht<lb/> erfaßt. Hier geht Studieren über Probieren, und die eigene Betrachtung der<lb/> Dinge, die persönliche Theorie verschließt sogar die Augen vor dem widersprechenden<lb/> Erfolge der Praxis.</p><lb/> <p xml:id="ID_1012"> Interessante Beispiele liefern für früher die Geschichte der Eisenbahn, für<lb/> jetzt die internationale Hilsssprache Esperanto.</p><lb/> <p xml:id="ID_1013"> Wo Wagen in schmalen Straßen immer in denselben Spuren zu fahren<lb/> hatten, da hat man seit altersher diese Spurwege zu befestigen gesucht. Besonders<lb/> gut erhaltene Steingleise kann man in Pompeji und Svrakus sehen. In England<lb/> fing man zuerst an (1650), die Holzbohlen, die man in die Spurwege legte,<lb/> mit Eisen zu benageln, und es dauerte über hundertfünfzig Jahre, ehe man etwa<lb/> zu unserer jetzigen Art der Eisenbahnschienen kam. Die erste bewegliche Dampf¬<lb/> maschine zum Fortschaffe» von Wagen auf Schienen ließ sich Watt 1784<lb/> patentieren, ohne das; sie irgendwo ausgeführt wurde; gerade die Schienen sollten<lb/> zum Hindernis für die Entwicklung der Dampfbahn werden. Die Techniker<lb/> glaubten, die Lokomotive würde mit glatten Rädern auf glatten Schienen einen<lb/> Zug nicht fortbewegen können. Trotzdem machten die Engländer Versuche auf<lb/> Versuche, bis Stepheuseu 1819 alle Vorurteile durch seiue praktischen Erfolge<lb/> widerlegte — für England. Denn auf dem Festlande ließ man sich dadurch<lb/> nicht abhalten, die Unmöglichkeit der Eisenbahn theoretisch weiter zu beweisen.<lb/> Etwa zwanzig Jahre dauerte es in Deutschland noch bis zu dein Beginn der<lb/> praktischen Entwicklung.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0260]
Engländer und Esperanto
hat. Sie schützt mit der Pflege der Sitte die Schwachen, die in Gefahr kommen
könnten.
Genau so hält es der Engländer mit allem, was seiner Persönlichkeit die
Freiheit sichert, auf die er Wert legt. Mag er auch im besonderen Falle den
Zusammenhang nicht erkennen, und mögen es anscheinend unbedeutende Kleinig¬
keiten sein, — hat einmal die Gemeinschaft ein Interesse an der strengen Heilig-
haltung des Sonntags, so richtet sich der Einzelne danach, ohne zu überlegen,
ob es für ihn Sinn oder Zweck hat. Dieselbe Veranlagung kommt dein Fortschritt
zugute, sobald die Gemeinschaft für ihn reif ist. Was kluge Müuner — und
es gibt sehr kluge Engländer — als nützlich erkennen, das darf freilich nicht so
erscheinen, als brächte es auf einmal eine Umwandlung gewohnter und bewährter
Gemeinschaftsverhältnisse mit sich, im übrigen stößt es aber nicht auf die Wider¬
stände, die individualistischer zusammengesetzte Völker einer Neuerung bereiten.
Viel Wissen und Denken belastet die Durchschnitts-Engländer nicht. Haben sie
das Gefühl, daß mit ihren Interessen vereinbar ist, was ihre Führer wollen,
so folgen sie ihnen gern, ohne viel zu grübeln, und Probieren geht ihnen über
Studieren, wobei sie sich uicht abschrecken lassen, wenn nicht der Erfolg in vollen:
Glänze vor ihnen steht.
Bei dem Volke der Dichter und Denker möchte jeder selber ein Führer sein,
und mau glaubt seine Persönlichkeit am besten dadurch zu bewähren, daß man
zunächst alles ablehnt, was diese Persönlichkeit nicht gleich in jeder Hinsicht
erfaßt. Hier geht Studieren über Probieren, und die eigene Betrachtung der
Dinge, die persönliche Theorie verschließt sogar die Augen vor dem widersprechenden
Erfolge der Praxis.
Interessante Beispiele liefern für früher die Geschichte der Eisenbahn, für
jetzt die internationale Hilsssprache Esperanto.
Wo Wagen in schmalen Straßen immer in denselben Spuren zu fahren
hatten, da hat man seit altersher diese Spurwege zu befestigen gesucht. Besonders
gut erhaltene Steingleise kann man in Pompeji und Svrakus sehen. In England
fing man zuerst an (1650), die Holzbohlen, die man in die Spurwege legte,
mit Eisen zu benageln, und es dauerte über hundertfünfzig Jahre, ehe man etwa
zu unserer jetzigen Art der Eisenbahnschienen kam. Die erste bewegliche Dampf¬
maschine zum Fortschaffe» von Wagen auf Schienen ließ sich Watt 1784
patentieren, ohne das; sie irgendwo ausgeführt wurde; gerade die Schienen sollten
zum Hindernis für die Entwicklung der Dampfbahn werden. Die Techniker
glaubten, die Lokomotive würde mit glatten Rädern auf glatten Schienen einen
Zug nicht fortbewegen können. Trotzdem machten die Engländer Versuche auf
Versuche, bis Stepheuseu 1819 alle Vorurteile durch seiue praktischen Erfolge
widerlegte — für England. Denn auf dem Festlande ließ man sich dadurch
nicht abhalten, die Unmöglichkeit der Eisenbahn theoretisch weiter zu beweisen.
Etwa zwanzig Jahre dauerte es in Deutschland noch bis zu dein Beginn der
praktischen Entwicklung.
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |