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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Erstes Vierteljahr.

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Aunstfälschimgen

Sobald sich einmal diese Ansicht einbürgerte, sobald der Name und die
Etikette entscheidend für die Wertschätzung eines Kunstwerkes wurde, fing auch
die Kunstfälschnng an. In dem alten Griechenland hat sie ganz gewiß auch
schon geblüht, denn in der Blütezeit der hellenischen Kunst wurden schon wie
später in der Renaissance einzelne Meister andern vorgezogen, später im Mittel¬
alter, wo unsere schönsten romanischen und gotischen Werke geschaffen wurden,
achtete man wenig oder gar nicht auf deu Namen des Meisters, und somit hat
es damals auch sicher keine Fälschungen gegeben. Sobald aber die Renaissance
wieder den Autornamen an die Öffentlichkeit brachte, sobald die sogenannte
Echtheit den Marktwert eines Kunstwerkes erhöhte, stellten sich auch die Fälscher
wieder ein. Vasari hat uus einige besonders merkwürdige Fälschungen auf¬
bewahrt. Die allerberühmteste und merkwürdigste ist wohl die des Bildnisses
des Papstes Leo X. von Raffael. Der Herzog von Mailand sah dieses Bildnis
im Palaste der Mediceer zu Florenz und bat es sich von dein Papste Clemens VII.
als Geschenk ans. Der Papst bewilligte das Gesuch und gab dem Ottcwiano
Medici Weisung, das Gemälde an Friedrich Gonzaga auszuliefern. Ottaviano
vernahm diese Weisung mit Betrübnis, denn das herrliche Bild Raffaels mochte
er nicht missen. Er verfiel also auf den Gedanken, eine Fälschung machen zu
lassen, und bat Andrea del Sarto eine genane Kopie anzufertigen. Dies geschah,
die Kopie wurde nach Mantua geschickt, das Original blieb in Florenz. Jetzt
ist die Kopie in Neapel, und wenn man nicht die urkundlichen Beweise besäße,
'würde auch der trefflichste Kenner aus der Güte der Malerei allein nicht die
Echtheit oder die Fälschung entscheiden können.

Diese Fälschung wurde einige Jahre nach dem Tode Raffaels ausgeführt,
aber schon zu Lebzeiten der Meister wurden und werden ihre Arbeiten gefälscht.
In Wien sind Fälschungen Dürers, die schon zu Lebzeiten des Malers her¬
gestellt wurden, und deren Urheber kein geringerer als der sogenannte Meister
vom Tode Mariä ist; Claude Lorrain hatte so sehr gegen die Fälscher und
Nachahmer zu kämpfen, daß er sich das berühmte, später nach England gekommene
lubei- venwtis anlegte, worin er von allen seinen Bildern genaue Skizzen ein¬
zeichnete, also daß er alles, was hier nicht verzeichnet war. für Fälschung
erklären konnte.

Man ersieht aus diesen wenigen Beispielen, denen man leicht viele andere
beifügen könnte, daß die Fälschung von Kunstwerken durchaus nichts Neues ist,
und des weitern erfährt man dabei zugleich, daß durchaus nicht nur unbekannte
und ungeschickte Künstler sich mit Fälschungen abgegeben haben. Neben dein
Meister des Todes Mariä und Andrea Sarto kann noch ein größerer genannt
werden, den man vielleicht getrost den allergrößten nennen darf: Michel Angelo
hat nach dem Berichte Vasaris einen mit eigener Hand geschaffenen Marmor¬
torso ein- und nochmals ausgraben lassen, um ihn als antik zu verkaufen.
Zu solchen Ungeheuerlichkeiten gibt die Torheit Anlaß, die mehr die so¬
genannte Echtheit, das heißt die Etikette schützt als den innern Schönheitswert


Aunstfälschimgen

Sobald sich einmal diese Ansicht einbürgerte, sobald der Name und die
Etikette entscheidend für die Wertschätzung eines Kunstwerkes wurde, fing auch
die Kunstfälschnng an. In dem alten Griechenland hat sie ganz gewiß auch
schon geblüht, denn in der Blütezeit der hellenischen Kunst wurden schon wie
später in der Renaissance einzelne Meister andern vorgezogen, später im Mittel¬
alter, wo unsere schönsten romanischen und gotischen Werke geschaffen wurden,
achtete man wenig oder gar nicht auf deu Namen des Meisters, und somit hat
es damals auch sicher keine Fälschungen gegeben. Sobald aber die Renaissance
wieder den Autornamen an die Öffentlichkeit brachte, sobald die sogenannte
Echtheit den Marktwert eines Kunstwerkes erhöhte, stellten sich auch die Fälscher
wieder ein. Vasari hat uus einige besonders merkwürdige Fälschungen auf¬
bewahrt. Die allerberühmteste und merkwürdigste ist wohl die des Bildnisses
des Papstes Leo X. von Raffael. Der Herzog von Mailand sah dieses Bildnis
im Palaste der Mediceer zu Florenz und bat es sich von dein Papste Clemens VII.
als Geschenk ans. Der Papst bewilligte das Gesuch und gab dem Ottcwiano
Medici Weisung, das Gemälde an Friedrich Gonzaga auszuliefern. Ottaviano
vernahm diese Weisung mit Betrübnis, denn das herrliche Bild Raffaels mochte
er nicht missen. Er verfiel also auf den Gedanken, eine Fälschung machen zu
lassen, und bat Andrea del Sarto eine genane Kopie anzufertigen. Dies geschah,
die Kopie wurde nach Mantua geschickt, das Original blieb in Florenz. Jetzt
ist die Kopie in Neapel, und wenn man nicht die urkundlichen Beweise besäße,
'würde auch der trefflichste Kenner aus der Güte der Malerei allein nicht die
Echtheit oder die Fälschung entscheiden können.

Diese Fälschung wurde einige Jahre nach dem Tode Raffaels ausgeführt,
aber schon zu Lebzeiten der Meister wurden und werden ihre Arbeiten gefälscht.
In Wien sind Fälschungen Dürers, die schon zu Lebzeiten des Malers her¬
gestellt wurden, und deren Urheber kein geringerer als der sogenannte Meister
vom Tode Mariä ist; Claude Lorrain hatte so sehr gegen die Fälscher und
Nachahmer zu kämpfen, daß er sich das berühmte, später nach England gekommene
lubei- venwtis anlegte, worin er von allen seinen Bildern genaue Skizzen ein¬
zeichnete, also daß er alles, was hier nicht verzeichnet war. für Fälschung
erklären konnte.

Man ersieht aus diesen wenigen Beispielen, denen man leicht viele andere
beifügen könnte, daß die Fälschung von Kunstwerken durchaus nichts Neues ist,
und des weitern erfährt man dabei zugleich, daß durchaus nicht nur unbekannte
und ungeschickte Künstler sich mit Fälschungen abgegeben haben. Neben dein
Meister des Todes Mariä und Andrea Sarto kann noch ein größerer genannt
werden, den man vielleicht getrost den allergrößten nennen darf: Michel Angelo
hat nach dem Berichte Vasaris einen mit eigener Hand geschaffenen Marmor¬
torso ein- und nochmals ausgraben lassen, um ihn als antik zu verkaufen.
Zu solchen Ungeheuerlichkeiten gibt die Torheit Anlaß, die mehr die so¬
genannte Echtheit, das heißt die Etikette schützt als den innern Schönheitswert


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_314996/25>, abgerufen am 24.07.2024.